Mittwoch, November 20, 2024

In der Rubrik »Fragen an die Politik« haben Vertreter*innen der Bau- und Immobilienwirtschaft die Möglichkeit, konkrete Fragen an Spitzenpolitiker*innen zu richten. In der aktuellen Ausgabe kommt die Frage von Clemens Hecht, Sprecher der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme (li.). Die Antworten kommen von Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (Mitte) sowie Bildungsminister Martin Polaschek (re.). 

Clemens Hecht:
Sprecher der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme

»Aus zahlreichen Gründen herrscht Aufbruchstimmung rund um das Thema thermische Sanierung. Eine Herausforderung bei der Umsetzung stellt derzeit die Bereitstellung von Fachkräften dar. Diese sind zwingend erforderlich, um die Qualität von Produkt und Planung entsprechend umzusetzen. Aus unserer Perspektive sprechen aktuelle Berufsbilder künftig Auszubildende nicht ausreichend an, bilden die Erfordernisse und die Relevanz der Energieeffizienz z. B. im Fassadenbereich nicht immer vollständig ab. Vieles muss durch zusätzliche Schulungen oder Zertifizierungen (z. B. der zertifizierte Fachverarbeiter WDVS, kurz ZFV) ergänzt und nachgeholt werden. Dies trifft bei vielen auf wenig Gegenliebe.

Was ist angedacht, um Ideen für zukunftsfitte Inhalte und Berufsbilder gewerkeübergreifend im Bereich der Energieeffizienz von Fassaden umzusetzen? Wie kommen erforderliche Inhalte in EIN zukunftsfittes (neues) Berufsbild?« 

Martin Kocher:
Arbeits- und Wirtschaftsminister

»Als Arbeits- und Wirtschaftsministerium unterstützen wir Unternehmen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zukünftige Fachkräfte bei der Transformation. Der grüne Wandel bedingt starke Veränderungen am Arbeitsmarkt, gleichzeitig sind Green Jobs und Menschen mit klimarelevanten Ausbildungen entscheidende Treiber, um die Klimaziele zu erreichen. Österreich liegt mit einem Anteil von 20,8 Prozent an Green Jobs deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 17,7 Prozent. Als Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft arbeiten wir mit unseren Maßnahmen daran, diesen Anteil bestmöglich auszubauen und Anreize zu setzen, um Qualifikationen für Green Jobs zu fördern.

Seit Frühjahr 2022 fördert die neue Umweltstiftung Aus- und Weiterbildungen für gering Qualifizierte oder Personen mit nicht mehr verwertbarem Lehrabschluss in Green Jobs. Teilnehmende sollen innerhalb von bis zu 24 Monaten Aus- und Weiterbildungslehrgänge und außerordentliche Lehrabschlüsse absolvieren. An der Stiftung beteiligen sich österreichweit Unternehmen aus Wirtschaftszweigen, die aufgrund ihrer Produktion und ihren Dienstleistungen zur Senkung der Schadstoffemissionen beitragen. Rund 1.000 Fachkräfte sollen dadurch in Green Jobs ausgebildet werden.

Ab Juli 2023 werden wir auch die durch das Fachkräftestipendium förderbaren Ausbildungen um einige Ausbildungen im Baubereich ergänzen, wie beispielsweise Glasbautechnik, Sonnenschutztechnik sowie Malerei und Beschichtungstechnik. Im Bereich der Lehrausbildung setzen wir auf lehrberufsübergreifende Inhalte. Alle Lehrberufe werden nach fünf Jahren überarbeitet und gliedern sich nach fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzbereichen. D. h. die Lehrlinge arbeiten praxisnah und blicken im Rahmen ihrer Ausbildung über das für den Beruf Verlangte hinaus.

Für Energieeffizienz von Fassaden ist u. a. der Lehrberuf ›Hochbau‹ ein gutes Beispiel. Seit 2020 gibt es in der Ausbildung einen eigenen Kompetenzbereich zu ›Umweltschutz‹. Ebenso wird der Einsatz digitaler Technologien immer wichtiger. Daher sollten Ausbildungs- und Schulungsangebote auch digitale Kompetenzen vermitteln und den Einsatz von digitalen Tools und Lösungen fördern.«

Martin Polaschek:
Bildungsminister

»Um die geplante Energiewende erfolgreich bewältigen zu können, braucht es eine gemeinsame Anstrengung aller Stakeholder, sowohl der Wirtschaft als auch des Bildungssystems.

Es ist wichtiger denn je, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die erforderlichen ›green skills‹ verfügen. Somit kommt der Aus‑, Fort- und Weiterbildung eine bedeutende Rolle zu.  Auch die berufliche Erstausbildung muss auf neu entstehende Berufsbilder, die uns eine effiziente Energie­nutzung ermöglichen, reagieren und entsprechende Kompetenzen berücksichtigen. Durch die enge Kooperation berufsbildender Schulen mit der Wirtschaft wird sichergestellt, dass die berufliche Erstausbildung bedarfsgerecht erfolgt und Kompetenzen, die in der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen, berücksichtigt werden.

Bereits bei der aktuellen Lehrplangeneration wurde darauf geachtet, dass Aspekte des nachhaltigen Wirtschaftens und der Energieeffizienz in den Lehrplänen berufsbildender Schulen verankert sind. Mit der geplanten Novellierung der Lehrpläne wird dieses Thema jedenfalls noch weiter an Bedeutung gewinnen – die Vorbereitungen dafür wurde bereits begonnen.

Was die Schaffung gänzlich neuer Berufsbilder im Rahmen der Dualen Ausbildung betrifft, liegt die Zuständigkeit aber nicht bei mir als Bildungsminister, sondern beim Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, Herrn Dr. Kocher. Der Verordnung neuer Berufsbilder durch den Wirtschaftsminister gehen in der Regel intensive Abstimmungen auf Ebene der Sozialpartner voraus. Parallel zur Verordnung neuer Berufsbilder durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird in meinem Haus der entsprechende Lehrplan für die Berufsschule vorbereitet. Schule und Wirtschaft arbeiten im Bereich der Berufsbildung sehr erfolgreich zusammen.

Aktuell ist das Thema Energieeffizienz von Fassaden bereits in vielen unterschiedlichen Berufsbildern, wie beispielsweise jenem des Lehrberufs Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutztechnik, aber natürlich auch jenen der Lehrberufe Hochbau und Hochbauspezialist/in verankert.  Abschließend kann ich sagen, dass Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aktuell in allen Schularten ein wichtiges Thema ist.«

(Bilder: Lukas Lorenz, BKA/Andy Wenzel)

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