Grundsätzlich lässt sich Styropor, auch als expandiertes Polystyrol oder EPS bekannt, vollständig recyceln. Nur: tatsächlich wiederverwertet wird nur rund die Hälfte aller Styroporverpackungen, im Baubereich ist es gar nur ein Viertel. Das Forschungsprojekt „EPSolutely“ widmet sich diesem Problem - und konnte nun erste Erfolge bei der Schaffung einer Kreislaufwirtschaft für EPS erzielen.
Titelbild: Ein erster EPS-Sortierversuch bei der IFE Aufbereitungstechnik GmbH.
EPS eignet sich nicht nur als Dämmmaterial, sondern auch als leichte, stoßdämpfende Verpackung für eine Vielzahl von Gütern. Laut aktueller Conversio-Studie beträgt die EPS-Recyclingquote in Österreich 26 Prozent bei Bauware und 56 Prozent bei Verpackungen. Oft kommt das recycelte Material aber nur als Wärmedämmausgleichsschüttung zum Einsatz. Wünschenswert im Sinne der Nachhaltigkeit wäre hingegen eine echte Kreislaufwirtschaft, in der das recycelte EPS in gleichwertiges Rohmaterial umgewandelt wird.
Das vom Kunststoff-Cluster begleitete Forschungsprojekt „EPSolutely“ unter der Leitung von Fraunhofer Austria arbeitet an ökonomisch sowie ökologisch funktionierenden Konzepten für eine EPS-Kreislaufwirtschaft. Nach dem ersten Projektjahr sei das Konsortium aus zwölf Unternehmen, Interessensvertretungen und Forschungseinrichtungen diesem Ziel nun einen beachtlichen Schritt nähergekommen, so die Fraunhofer Austria in einer Pressemitteilung.
Verunreinigtes EPS nach Abbrucharbeiten
Der Rückbau einer Fassade ist aus kreislaufwirtschaftlicher Sicht ein schwieriges Unterfangen. Nach den Abbrucharbeiten ist EPS mit Fremdmaterialien wie Putz, Klebstoffen oder Armierungsgittern vermischt und in den meisten Fällen mit Hexabromcyclododecan (HBCD) versetzt. Dieses Flammschutzmittel wurde in Österreich bis 2015 eingesetzt und ist heute verboten. Wenn EPS mit HBCD versetzt ist, gilt es zwar nicht als gefährlicher Abfall, muss aber zerstört werden und darf nicht wieder in den Kreislauf gebracht werden. Der vom Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) entwickelte „CreaSolv“-Prozess ermöglicht das Abtrennen von HBCD in einem lösemittelbasierten Verfahren, wodurch auch aus diesem Material wieder Polystyrol-Rezyklat gewonnen werden kann.
Vielversprechende Lösungsansätze
Um diesen Prozess aber auch rentabel durchführen zu können, muss das Material vorher von Verunreinigungen befreit werden. „Die Kreislaufführung von EPS aus dem Abbruch gilt wegen der Verunreinigungen als äußerst komplex. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern haben wir verschiedene Lösungsansätze zur Aufbereitung dieses Materials erarbeitet und experimentell überprüft“, erklärt Sebastian Lumetzberger, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.
Als Ausgangsmaterialien für Sortierexperimente dienen Wärmedämmverbundsysteme (WDVS). Im ersten Schritt wird geschreddert.
Für die Untersuchungen analysierten die Projektpartner unterschiedlich stark verunreinigtes Material aus manuell und maschinell durchgeführten Fassadenrückbauten. Um die Bindung zwischen EPS und den restlichen Komponenten des Wärmedämmverbundsystems zu lösen, wurde das Material zunächst geschreddert. Im Experiment zeigte sich, dass der Materialaufschluss auch bei maximal verunreinigtem Material gut möglich ist. Um Fremdmaterialien aus der Materialmischung zu entfernen, kam eine kombinierte Anlage aus Vibrations- und Lufttechnik zum Einsatz - mit Erfolg, so Lumetzberger: „Bis jetzt sind alle Ergebnisse äußerst vielversprechend.“
Das so aufbereitete Material wird im Anschluss an das Fraunhofer IVV geschickt und dort mithilfe des CreaSolv-Prozesses von verbleibenden Verunreinigungen und HBCD gereinigt. Das dadurch gewonnene Polystyrol-Rezyklat verarbeiten die Projektpartner zu neuen EPS-Dämmplatten.
Recycelte EPS-Verpackungen
Auch das Recycling von EPS-Verpackungen wurde erfolgreich erprobt. In einem Versuch stellten die Projektpartner aus vollständig recyceltem EPS aus Abfällen der Möbelindustrie eine Transportverpackung für Kühlschränke her. Weder bei der mechanischen Belastbarkeit noch bei der Optik war ein Qualitätsverlust zu erkennen. Um künftig auch verunreinigte EPS-Verpackungen dem Kreislauf wieder zuführen zu können, soll demnächst geprüft werden, ob auch hier der CreaSolv-Prozess zum Einsatz kommen kann. Eine besondere Herausforderung stellt jedoch das Material selbst: Durch sein großes Volumen füllen allein 60 Kilogramm Styropor einen Kleintransporter. Für einen effizienten Transport muss es daher möglichst früh kompaktiert werden.
Pilotprojekt: Sammlung von EPS-Abschnitten
Das Volumen ist auch beim Sammeln von Verschnitten, die beim Anbringen neuer EPS-Platten auf Baustellen anfallen, ein Thema. Wenn diese sauber gesammelt werden, können sie direkt wieder in der EPS-Produktion eingesetzt werden - dürfen dafür allerdings nicht zerkleinert werden. Abhängig von der Gebäudegröße fallen darum mehr oder weniger viele Säcke mit EPS-Abschnitten an. „Hier legen wir besonderen Wert darauf, sowohl Lösungen für kleine als auch große Mengen zu finden. Dazu haben wir verschiedene Konzepte, beispielsweise mit direkter Abholung von der Baustelle oder die Sammlung in Hubs, entwickelt“, beschreibt Lumetzberger.
So hat das Projektteam beispielsweise Säcke mit QR-Codes entworfen. Diese können gescannt werden und führen zu einer Webapplikation, mit der die Abholung initiiert wird. Das reduziere den Aufwand auf der Baustelle und ermögliche eine koordinierte und damit effiziente Abholung. Zusätzlich sollen RFID-Tags den Weg der Säcke nachverfolgbar machen und so Transparenz schaffen. Als Logistiker gibt sich Sebastian Lumetzberger zuversichtlich: „Wir entwickeln mögliche Konzepte, bewerten diese aus der ökologischen Perspektive und prüfen diese auf ihre Wirtschaftlichkeit, denn die Kreislaufwirtschaft soll sich für die Unternehmen auch lohnen. Ich bin überzeugt, dass es uns gemeinsam mit den Projektpartnern gelingen wird, erste effiziente und praxistaugliche Lösungen in den nächsten Monaten zu finden.“
(Bilder: Fraunhofer Austria)