Die Information war trocken. Zu trocken, um den Sprung in die Mainstream-Medien zu schaffen. Das dritte »EU-Bahngesetzpaket« stellt seit 1. Jänner die Weichen für eine weitere Liberalisierung im europäischen Zugverkehr. Maßnahmen wie die Öffnung der Bahnnetze für grenzüberschreitenden Passagierverkehr oder ein einheitlicher EU-Lokführerschein sollen Interoperabilitätsbarrieren beseitigen und die Attraktivität der Bahn insgesamt steigern. Weitere Trippelschritte auf dem endlos langen Weg zur Liberalisierung, den Brüssel vor nunmehr 19 Jahren eingeschlagen hat.
Der heimische Bahnmarkt ist bereits heute bunter denn je. Bei Rail-Regulator Schienen-Control GmbH sind derzeit knapp 40 Unternehmen gelistet, die den ÖBB Konkurrenz machen. Der Wettbewerb spielt sich im Wesentlichen bei Ganzzugstransporten und Werksverkehren ab. Zumindest der Wettbewerb, den die ÖBB auch richtig spüren. LogServ und CargoServ, zwei Spin-offs aus dem Stall der Voest, wickeln werkseigene Inlandsverkehre für Eisenerz oder Kalk ab und organisieren Gütertransporte nach Deutschland oder Italien.
Dass der potente Industriekunde Voest auch gleich noch zum Mitbewerber mutiert ist, »tut richtig weh«, wie ein ÖBB-Manager unter der Hand einmal bekannte. Im Personenverkehr sind die Claims der ÖBB noch weitgehend abgesteckt. Die Frage ist, wie lange noch. Denn mit dem Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner und dem Ex-ÖBB-Personenverkehrsboss Stefan Wehinger steht ein starkes Team in den Startlöchern, das ab Dezember nächsten Jahres den ÖBB auch im Personenverkehr einheizen will. Haselsteiner und Wehinger ließen nichts anbrennen. Der Ex-ÖBB-Vorstand wartete lediglich die Schamfrist bis zum Auslaufen seines Konsulentenvertrages ab, den er nach seinem Abgang bei der Bundesbahn noch abdiente.
Vollgas
Dann folgte innerhalb von Tagen und Wochen Ende 2008 ein regelrechtes Feuerwerk von Firmengründungen. Wehinger gründete eine Beteiligungsgesellschaft, diese mit Haselsteiners Familien-Privatstiftung die Rail Holding AG, deren operativer Arm wiederum die Westbahn Management GmbH ist. Zu den Eigentümern der Holding gesellte sich in der Folge die Schweizer Oldro AG mit Sitz in Zug, die auf bahnaffine Beteiligungen spezialisiert ist. Die Westbahn – nomen est omen – soll ihren Betrieb auf der attraktiven Strecke Wien–Salzburg im Dezember 2011 beginnen. Dass der Termin hält, ist nach dem Tempo, das die Gesellschafter bislang hingelegt haben, kaum zu bezweifeln. Im Frühsommer letzten Jahres erfolgte die Erteilung der Eisenbahnkonzession durch das Infrastrukturministerium, kurz darauf ein Rahmenvertrag mit der ÖBB-Infrastruktur und der Kauf von sieben Garnituren Doppelstock-Triebzügen um rund 110 Millionen Euro.
Die »Wiener Lokalbahn«, ein erfolgreicher privater Platzhirsch in der Personenbeförderung in Wien und Umland, liebäugelte ebenfalls mit einer Konzession auf der Strecke Wien–Salzburg. Die zu erwartende geballte Konkurrenz mit ÖBB und Haselsteiner/Wehinger dürfte die Wiener jedoch ernüchtert haben. Zu groß schien wohl die Gefahr, zwischen diesen beiden Blöcken zerrieben zu werden. Der Antrag auf Konzessionserteilung wurde zurückgezogen. Das Rezept der Westbahn ist einfach – und vielleicht gerade deswegen bestechend. Business-Reisende werden ab Ende 2011 auf der Strecke Wien–Salzburg im Stundentakt bedient, den Komfort der ersten Klasse gibt es zum Preis der zweiten Klasse.
Benefit für Business-Kunden
Der Kartenkauf ist höchst simpel gestaltet – Buchungen gibt es über Internet oder beim obligatorischen Zugbegleiter. Letzteres ohne Strafaufschlag, wie ihn die ÖBB verrechnen, was eine Einladung für spontane Business-Reisen ist. Damit begibt sich die Westbahn Management voll auf Konfrontationskurs mit den ÖBB, auch wenn das offiziell niemand so sagen will. Auf der Strecke Wien-Salzburg transportierten die ÖBB 2009 rund 7,6 Millionen Fahrgäste – ein Kuchen, an dem es sich zu knabbern lohnt. ÖBB-Personenverkehrschefin Gabi Luther gibt sich ob der neuen Konkurrenz vorerst entspannt. Offiziell zumindest. Dass die Westbahn Management als »Rosinenpicker« agiert, die vorerst nur eine der lukrativsten ÖBB-Strecken anknabbert, bestreitet nicht einmal Wehinger selbst. Aber irgendwo muss der Wettbewerb anfangen. Noch lange vor Markteintritt der Westbahn haben die ÖBB ihr Business-Angebot mehrfach verbessert.
Der Hochgeschwindigkeitszug »Railjet« der Bundesbahn wurde etwa um eine tägliche Verbindung nach Budapest, München und Innsbruck aufgestockt. Seit Fahrplanwechsel im Dezember gibt es einen 2-Stunden-Takt, Zürich kam als Destination dazu. Weitere Städte-Schnellverbindungen sind bis 2011 geplant.
Der komfortable Railjet richtet sich ausdrücklich auch an »Business-Nomaden«. »Zeit ist Geld. Im Railjet geben wir den Reisenden Zeit zurück, die sie für Arbeit, Unterhaltung oder Entspannung nutzen können. Kein anderes Verkehrsmittel kann diesen Mehrwert bieten«, sagt ÖBB-Personenverkehrschefin Gabi Lutter.
Dem Markteintritt der Westbahn sieht die ÖBB gelassen entgegen. Das sorge nur für mehr Wettbewerb – und somit auch für mehr Kunden. Als Erster in Europa nützen die ÖBB auch die grenzüberschreitende Liberalisierung seit Anfang des Jahres und bedienen – in Kooperation mit der Deutschen Bahn und der italienischen Ferrovie Nord Milano – die Brennerstrecke nach Italien. Momentan noch ohne Railjet. Aber das soll noch folgen.