Sonntag, Juni 30, 2024

Energietechnik und Gebäudetechnik sind keine getrennten Disziplinen. Sie verschmelzen für eine optimierte Gebäudeinfrastruktur.

Im Verhältnis zu Bereichen wie Mobilität und Industrie gehört der Gebäudesektor zu jenen, die vergleichsweise einfach eine weitgehende Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 erreichen können, betont der Klimafonds in seinem »Faktencheck Nachhaltiges Bauen«. Der Gebäudesektor ist für etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Heizen, Warmwasserbereitstellung und Klimatisierung benötigen in Österreich rund ein Drittel des Endenergieverbrauchs. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) ist ein zentraler Hebel für die Energiewende. Anfang November hat der Entwurf des EWG den Ministerrat passiert, nun wird es vom Parlament behandelt. 2023 sollen demnach keine fossilen Heizsysteme mehr verbaut werden, 2040 ist die letzte fossile Heizung stillzulegen.

Neu und Alt

»Den Neubau haben wir gut im Griff«, betont Heinz Buschmann, Programm-Manager beim Klima- und Energiefonds (KLIEN). »Wenn ich ein Gebäude neu errichte, kann ich am Stand der Technik operieren.« Eine größere Aufgabe sei der Gebäudebestand und da vor allem Gebäude der Gründerzeit. Viele Altbauten stammen aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Aber auch jüngere Gebäude aus den 80er- und sogar den 90er-Jahren sind immer noch wahre Energieverschwender. Buschmann verweist daher auf das neue Innovationslabor Renowave, gefördert vom BMK, das sich mit innovativer Gebäudesanierung beschäftigt.

Prefa bedauert die bislang fehlende energetische Nutzung großer Dach- und Fassadenflächen. »Wir haben sie mit unseren hochwertigen Aluminiumprodukten zwar geschützt, aber nicht direkt integriert genutzt«, betont Geschäftsführer Leopold Pasquali. »Jetzt haben wir eine gebäudeintegrierte Lösung.« Die passende Kampagne hat Prefa im Herbst gestartet. Von der Verlegeart sind die Solardachziegel wie ein klassisches Prefa-Dach zu behandeln. Am Ende der Arbeiten werden die Kabel mit eigens entwickelten Steckverbindern gekoppelt. Wärme sparen ist zum Beispiel auch mit den neuen Bosch Smart Home Heizkörper-Thermostaten möglich. Die richtige Kombination smarter Funktionen kann laut Fraunhofer Institut eine Energieeinsparung von bis zu 36 Prozent bewirken.

»Im Bestand muss alternative Energietechnik allerdings bei jedem Gebäude genau analysiert werden«, informiert Karin Sammer, Rechtsexpertin beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft. Ute Muñoz-Czerny vom IBO verweist auf einen übergeordneten Lösungsansatz. »Wenn die Wohnfläche steigt, bedeutet das auch einen erhöhten Energiebedarf.« Low-Tech-Maßnahmen reduzieren den Einsatz von Technik. Dazu gehören optimale Baukörperorientierung, Verschattungsmaßnahmen wie große Fensterleibungstiefen oder Vordächer und punktuelle Verbesserungen des Mikroklimas durch z. B. Fassadenbegrünung und Wasserflächen. Am IBO lief dazu das Forschungsprojekt »Nutzerkomfort durch low-tech Konzepte in Gebäuden«.

»Im Bestand muss alternative Energietechnik bei jedem Gebäude genau analysiert werden«, betont Karin Sammer, Rechtsexpertin beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft und nennt als ein Referenzprojekt das Zinshaus Zwölfergasse, wo Erdwärmepumpen im Hof sowie am angrenzenden Gehsteig eingesetzt werden sollen. (Bild: ÖVI)

Eine weitere Lösung liegt laut Heinz Buschmann, KLIEN, in Energiegemeinschaften. »Diese werden normalerweise mit Strom in Verbindung gebracht. Theoretisch funktionieren sie auch im Wärmebereich, dazu muss jedoch stärker vernetzt werden.«

Rundum-Lösung
Wärmepumpe

Wärmepumpen bieten sich als energetische Lösung sowohl für Neubau als auch für den Bestand an. Hier ist auf eine gute Dämmung des Gebäudes sowie auf großflächige Heizsysteme wie Fußboden-, Wand- oder Deckenheizungen zu setzen, da Wärmepumpen bei einer niedrigeren Vorlauftemperatur am effizientesten arbeiten. Buderus nennt Luft-,Wasser- sowie Sole-Wasser-Wärmepumpen als passende Lösungen. Für den Neubau verweist Andreas Pischulti, Geschäftsführer von Pischulti, auf Eisspeicheranlagen und nennt als Referenzprojekt die Ikea-Logistikzentrale in Wien. »Dem Wasser wird Wärme entzogen, mittels Wärmepumpe wird diese auf ein höheres Niveau gehoben.« Das könnte ein Ansatz für Wohnbauten in Städten sein, wo oft bei Luftwärmepumpen das Problem der hohen Lautstärke entsteht und Erdwärmepumpen nicht umsetzbar sind, weil Tiefenbohrungen z. B. wegen U-Bahn-Röhren unter dem Haus nicht möglich sind. Karin Sammer nennt als Referenzprojekt das Zinshaus Zwölfergasse, bei dem Erdwärmepumpen im Hof und zusätzlich am angrenzenden öffentlichen Gehsteig eingesetzt werden sollen.

Mit seinen Solardachplatten hat Prefa eine gebäudeintegrierte Lösung, mit der Dachflächen ohne Aufdachmodule als Energieträger genutzt werden können. (Bild: Prefa)

Ein weiteres Beispiel: SoulHeat, ein thermochemisches Speichersystem, das Luftwärmepumpen unterstützt oder als Gesamtheizsystem verwendet werden kann. »SoulHeat kann sowohl Photovoltaik als auch Solarthermieanlagen als Energiequelle verwenden«, informiert Bernhard König, Founder von Green Soul Technologies. SoulHeat ist frei skalierbar von 100 kWh bis zu mehreren MWh und derzeit noch für Einfamilienhäuser ausgelegt. »Wir hätten kein Problem mit dem mehrgeschoßigen Wohnbau«, hält er fest. Allerdings seien die Gebäude sehr hoch, die Dachfläche eher begrenzt und so die Energiesammelfläche oft zu gering. Bei Mehrfamilienbauten müsse man SoulHeat genau durchrechnen.

Vom Verbraucher zum Erzeuger

Die Funktion des Gebäudes ändert sich hin zum Energieproduzenten – ebenfalls eine Herausforderung für die Gebäudetechnik. »Wir verfügen grundsätzlich über ausreichend gute und innovative Technologien, um das Ziel des klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 zu bewerkstelligen«, betont Heinz Buschmann. Dafür muss aber die Sanierung von Bestandsgebäuden deutlich gesteigert werden. 

(Titelbild: iStock)


Klimaneutrale Stadt

Mit dem Start der nationalen Mission »Klimaneutrale Stadt« setzt das BMK einen urbanen Schwerpunkt, um Klima- und Energieziele schneller zu erreichen. Gebäudetechnologie ist dabei eine Schnittstelle. Man muss überlegen, wie Städte im Bereich Energie, Wohnen und Mobilität umzubauen sind. »Mit unseren Programmen ist der KLIEN mit dabei«, erklärt Heinz Buschmann. Das Thema Energieeffizienz im Gebäude ist nicht isoliert zu betrachten. Man muss sowohl die Energieeffizienz- als auch die Energiebereitstellungs­seite berücksichtigen. Im Bereich Sektorkopplung gibt es noch viel Potenzial. Viele österreichische Städte und Gemeinden haben in den letzten Jahren eine »Smart City Strategie« entwickelt.


Low-Tech

Ein Low-Tech-Gebäude besticht durch sehr geringen Energiebedarf sowie hohen Anteil erneuerbarer Energien in der Wärme- und Stromversorgung. Die Gebäudetechnik im Low-Tech-Gebäude ist auf unbedingt notwendige Komponenten beschränkt. Im Vordergrund stehen einfache Wartung und Unterhalt der technischen Komponenten. Die Haustechnik muss mit kürzeren Erneuerungszyklen auf Wirtschaftlichkeit geprüft werden. 


Veranstaltungstipp: Fernwärme, Erdwärme oder Luftwärmepumpe?

Welche Möglichkeiten und technischen Alternativen kommen im Einzelfall in Betracht? Welche Begleitinvestitionen sind zu berücksichtigen? Können bestehende Radiatoren weiterverwendet werden? Wie ist es um die Warmwasserversorgung oder Kühlung des Gebäudes bestellt? Einige Punkte des ÖVI-Lehrgangs »Nachhaltige Gebäudesanierung und Heizungstausch«, nächster Start: 13.02.2023 - 20.04.2023, Wien (in Kooperation mit RenoWave.at).

Mehr Informationen: www.immobilienakademie.at

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