Anfang November lud der Fachverband Steine-Keramik in der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel zu einer Podiumsdiskussion über die »Zukunft des europäischen Bausektors zwischen Energiekrise und industrieller Transformation«.
Titelbild: Das Podium - Berthold Kren, Lafarge, Christian Egenhofer, CEPS, Gwenole Cozigou, DG Grow, Antonia Krische-Reitmayer, Wienerberger, Botschafter Gregor Schusterschitz, Stefan Schleicher, Universität Graz & Projektleiter Reconstruct, und Xavier Le Den, Ramboll Group. (Credit: Fachverband Steine-Keramik)
Der Gebäudesektor ist in Europa für zirka 36 % der direkten und indirekten CO2-Emissionen verantwortlich. Daher hat die Europäische Kommission in ihrem letzten Strategiepapier »Fit for 55« eine Reduktion der Emissionen der Bauindustrie um 60 % bis 2030 verglichen mit dem Niveau von 2015 vorgeschlagen. Zugleich sorgt die geopolitische Lage speziell im Bereich der Energiemärkte für massive Preisanstiege was zu einer Art Überlebenskampf in der europäischen Bauindustrie führt. Gleichzeitig werden die Bestrebungen zur Dekarbonisierung des Bausektors durch steigende Inflation und sinkende Nachfrage gebremst. Auf Einladung des österreichischen Botschafters Gregor Schusterschitz wurde aus diesem Anlass mit prominenten Vertretern der europäischen Baustoffindustrie darüber diskutiert, welche Innovationen und Potenziale der europäischen Bauindustrie zur Verfügung stehen, um die derzeitige Energieabhängigkeit verringern zu können und wie die vorgeschriebenen Ziele zur CO2-Neutralität erreicht werden können.
Projekt Reconstruct
Stefan Schleicher von der Universität Graz und Projektleiter von Reconstruct präsentierte dabei das vom Fachverband Steine-Keramik ins Leben gerufene Projekt, das die Potenziale der Baustoffindustrie entlang der Wertschöpfungskette aufzeigen soll. Schleicher verwies dabei auf innovative Quartiersprojekte wie Surstoffi und Papieri in der Schweiz, wo mit sogenannten Anergie-Netzen alle Komponenten des Energiesystems verbunden werden.
Green Deal
Gwenole Cozigou Direktor der DG Grow und zuständig für Industrial Transition und den EU Green Deal erläuterte die Komplexität der oben aufgezeigten Thematik insbesondere im Zusammenhang mit den legistischen Ausformungen der Intentionen des European Green Deal von der Bauproduktenrichtlinie bis hin zum Green Procurement und der EU-Taxonomie.
Projekt C2PAT
Berthold Kren, CEO von der Lafarge GmbH, erläuterte seinerseits die massiven Forschungsanstrengungen der österreichischen Zementindustrie in dem Bereich, der die Abscheidung von CO2 aus der Zementherstellung sowie die Fertigung von hochwertigen Kunststoffen, Olefinen und Kraftstoffen auf Basis erneuerbarer Rohstoffe ermöglichen soll. Durch die Schaffung einer sektorübergreifenden Wertschöpfungskette werden Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft und Innovation in Österreich vorangetrieben. Mit diesem innovativen Projekt (C2PAT) würden auch die Emissionen in der Zementproduktion signifikant verringert und das Treibhausgas CO2 als wertvolle Ressource für die industrielle Weiterverwendung etabliert, so Kren.
Projekt Kortemark
Auch Antonia Krische-Reitmayer, Senior Public Affairs Manager der Wienerberger AG, präsentierte anhand des Projekts Kortemark, wie mit der Umstellung von Gasöfen auf Elektroöfen im Produktionsprozess der Ziegelindustrie CO2-neutrale und innovative Produktionswege beschritten werden. Die dafür in Kortemark benötigte Elektrizität ist 100 % grün und stammt zu 25 % aus Photovoltaikanlagen am Produktionsstandort. Auf fossile Energie kann daher gänzlich verzichtet werden. Ein Ausrollen der neuartigen Technologien mit grüner Eigenstromversorgung Richtung Energieunabhängigkeit ist an weiteren Standorten der Wienerberger AG geplant. Die in dieser Produktionslinie in Kortemark hergestellten Ziegelprodukte sind wiederverwendbar und entsprechen mit ihrer Lebensdauer von über 100 Jahren dem Anspruch CO2-neutraler Gebäude der Zukunft. Mit den von Wienerberger hergestellten Solardachziegeln können so Gebäude auch als integrierte Bestandteile der Energiesysteme der Zukunft angesehen werden. »Dringend benötigt wird eine grüne Energiewende in Europa, finanzielle Unterstützung der Kommission und der Mitgliedsstaaten für die nachhaltige und grüne Transformation der einzelnen Produktionsstandorte sowie weniger an Bürokratie für die dafür notwendigen Genehmigungsprozesse«, sagt Krische-Reitmayer.