Samstag, Dezember 21, 2024

Ein Regressanspruch besteht für Generalunternehmer nur gegenüber ihren eigenen Erfüllungsgehilfen. Ein Sprungregress gegen den Erfüllungsgehilfen des Erfüllungsgehilfen ist nach den österreichischen Gerichten nicht möglich. Der Bau & Immobilien Report zeigt gemeinsam mit der Rechtsanwaltskanzlei Toms Legal, wie man sich dennoch absichern kann und erfolgreich Schadenersatzforderungen stellt. 

Als rechtliche Regel im Zivilrecht gilt, dass im Normalfall niemand für fremdes Verhalten haftet, d. h. Schadenersatz leisten muss. Dieser Grundsatz gilt aber dann nicht, wenn sich jemand zur Erfüllung eigener Geschäfte einer fremden Person bedient (diese wird als »Erfüllungsgehilfe« bezeichnet). In diesem Fall haftet der Geschäftsherr für ein Verschulden dieses Erfüllungsgehilfen wie für sein eigenes Verschulden. Im Verhältnis zwischen Bauherr (Auftraggeber) und Generalunternehmer (Auftragnehmer) haftet der Generalunternehmer für den Subunternehmer (Erfüllungsgehilfen) genauso, als hätte er seine Vertragspflichten gegenüber dem Bauherrn schlecht, zu spät oder nicht erfüllt.

Allerdings kann, wer als Haftender für fremdes Handeln Ersatz leistet, vom Erfüllungsgehilfen Rückersatz verlangen. Dies bedeutet, dass der Generalunternehmer gegen seinen Subunternehmer eigene Ansprüche auf mängelfreie Werkerstellung und andernfalls eigene Schadenersatzansprüche gegen den Subunternehmer wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Subwerkvertrag hat. Von diesen Ansprüchen ist der Regressanspruch des Generalunternehmers gegen den Subunternehmer zu unterscheiden, der sich darauf gründet, dass der Besteller den Geschäftsherrn (Generalunternehmer) für mangelhafte Leistungen seines Erfüllungsgehilfen (Subunternehmer) in Anspruch genommen hat.

Dies bedeutet, dass falls der Generalunternehmer dem Bauherrn einen Schaden ersetzen muss, er diese Zahlung vom Subunternehmer fordern kann, wenn und soweit dieser den Schaden verschuldet hat. Der Regressanspruch entsteht allerdings nicht bevor der Generalunternehmer dem geschädigten Bauherrn den Schaden tatsächlich ersetzt hat. Der Schadenersatzanspruch und der Regressanspruch können nebeneinander bestehen und schließen sich gegenseitig nicht aus. Die Verjährung der Regressforderung beginnt grundsätzlich erst mit dem Zeitpunkt der Zahlung  oder der endgültigen Entscheidung des Vorprozesses.

Hintergrund

Das Heranziehen von Subunternehmern ist grundsätzlich als notwendig oder positiv zu bewerten, weil damit entweder fehlendes Know-how, fehlende technische oder personelle Ressourcen ausgeglichen werden, Kosten gesenkt oder Synergieeffekte erzielt werden. Das trifft aber nicht nur auf den Generalunternehmer zu, sondern auch auf dessen Subunternehmer. Aus diesem Grund hat nicht nur der Bauherr ein Absicherungsinteresse, sondern auch der Generalunternehmer. Er hat Interesse daran, dass er einen Schaden aus Schlecht­erfüllung zur Gänze vom Subunternehmer ersetzt erhält. Problematisch ist der direkte Schadenersatz dann, wenn der Subunternehmer als haftende Person wegfällt, etwa, weil über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder auch wenn ein Fonds für eine effektive Zwangsvollstreckung (Exekution) eines Gerichtsurteils (oder sonstigen Titels) faktisch nicht möglich ist, wenn mangels Vermögens die Exekution nicht durchgeführt werden kann.

In diesem Fall könnte sich der General­unternehmer die Frage stellen, ob er nicht vom Erfüllungsgehilfen seines Vertragspartners (des Subunternehmens), nämlich dem »Subsubunternehmen« direkt den Ersatz für den Schaden aus Schlechterfüllung verlangen kann. Mit dieser Frage haben sich die Gerichte bereits des Öfteren befasst und in der vor kurzem gefassten Entscheidung (erneut) nachfolgende Auslegung bestätigt. 

Schwierig wird es immer dann, wenn auf direktem Weg kein Schadenersatz möglich ist.

Erkenntnis des OGH

Mit seiner Entscheidung 4 Ob 99/22w vom 30.06.2022 wies der OGH den Regressanspruch der Werkunternehmerin gegen die Subsubunternehmerin ab. Ausgangspunkt war ein Werkvertrag, welcher zwischen den Wohnungseigentümern einer Liegenschaft (Auftraggeber) und der Klägerin (Werkunternehmer) über die Sanierung eines Wohngebäudes geschlossen wurde. Die Klägerin übertrug die Bauausführung an eine Subunternehmerin, welche diese wiederum an eine Subsubunternehmerin (Beklagte) weitergab. Die Beklagte führte ihre Arbeiten jedoch mangelhaft aus, wodurch Wasserschäden entstanden. Diesen Schaden machten die Auftraggeber gegen die Werkunternehmerin (Klägerin) bereits in einem Vorverfahren erfolgreich geltend (Fall 1). In weiterer Folge begehrte die Werkunternehmerin (Klägerin) von der Subsubunternehmerin (Beklagte) Regress für den für sie geleisteten Schaden (Fall 4). Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht erachteten einen derartigen Regressanspruch im Rahmen einer Erfüllungsgehilfenkette gemäß § 1313 zweiter Satz ABGB für denkbar. Nicht so der Oberste Gerichtshof.

Der OGH verneinte dies mit der folgenden Begründung: Zwar müsse ein Werkunternehmer gegenüber dem Auftraggeber sowohl für beauftragte Subunternehmer als auch für von diesem beauftragten Subsubunternehmer im Rahmen der Gehilfenhaftung einstehen. Da aber ein Regressanspruch nicht bereits mit dem Schaden des Dritten selbst (Schaden der Auftraggeber) oder mit der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch den geschädigten Dritten (Auftraggeber) besteht, sondern – mit dem Argument, dass es sich eben nicht bloß um einen Ersatz, sondern einen Rückersatz handelt – erst dann, wenn und soweit der in Anspruch genommene Teil (Werkunternehmerin) dem Dritten (Auftraggeber) tatsächlich Ersatz geleistet hat, ist ein »Sprungregress« (also der direkte Regress des Werkunternehmers gegen den Subsubunternehmer ohne Inanspruchnahme des Subunternehmers) nicht zulässig.

Problematisch wird es in der Praxis immer dann, wenn ein Ersatz auf direktem Weg (vom Subunternehmer) nicht zu erlangen ist, wie etwa bei Insolvenz oder bei fehlendem Vermögen, wenn ein Schadenersatzanspruch beim direkten Vertragspartner nicht eingezogen werden kann (durch Zwangsvollstreckung).

Praxistipps

In der Praxis bedeutet dies allerdings ein Risiko für den Bauunternehmer, der als Generalunternehmer Subunternehmer beauftragt, welche in weitere Folge selbst Subunternehmen beauftragen. Hier stellt sich die Frage, ob eine Absicherung mir rechtlichen Mitteln möglich ist. Nach der gesetzlichen Normallage darf der Auftragnehmer einen oder mehrere Subunternehmer beschäftigen, ohne dass er verpflichtet ist, den Auftraggeber zu informieren. Der Auftraggeber kann allerdings ihm bekannt gegebene Subunternehmer aus triftigen Gründen ablehnen. Eine Ablehnung ist dem Auftragnehmer »rechtzeitig« bekanntzugeben.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund empfiehlt sich für den Auftraggeber – dies kann der Bauherr oder auch der Generalunternehmer sein –, vertraglich ein Zustimmungsrecht für eine Beschäftigung von Subunternehmern oder – bei Anwendung der ÖNORM B 2110 – eine Bekanntgabepflicht des Auftragnehmers für in Aussicht genommene Subunternehmer zu vereinbaren (wobei hier die Ablehnung an »triftige« Gründe gebunden ist). Bis zur Grenze der Zulässigkeit wird auch die Möglichkeit der Ablehnung eines Subunternehmens ohne Bindung an triftige Gründe vereinbar sein (persönliche Ausführungspflichten). Hier ist die geeignete Wortwahl in der Klausel von elementarer Bedeutung, um keine vertraglichen Auslegungsschwierigkeiten zu verursachen.

Christopher Toms: »Es empfiehlt sich, vertraglich ein Zustimmungsrecht für eine Beschäftigung von Subunternehmern oder – bei Anwendung der ÖNORM B 2110 – eine Bekanntgabepflicht des Auftragnehmers für in Aussicht genommene Subunternehmer zu vereinbaren.«

Diese Rechte sollten, um die gewünschte Wirkung der Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme der Erfüllungsgehilfen zu erzielen, mit einer direkten Haftung des Sub- bzw. Subsubunternehmers dem Auftraggeber gegenüber verbunden werden (allenfalls nur im Fall der Zustimmung), nämlich bestenfalls nicht als Ausfallshaftung, sondern solidarisch (gemeinsam und unabhängig von einer Haftung) mit dem Auftragnehmer. 
Angesichts der weitreichenden Zurechnung des Fehlverhaltens eines Gehilfen bei Erbringung von Leistungen im Rahmen einer Sonderverbindung stellt sich die Frage der Zulässigkeit eines Haftungsausschlusses, insbesondere durch allgemeine Geschäftsbedingungen. Wenn ein Haftungsausschluss vereinbart wurde, ist bei der Auslegung zu beachten, dass sich dieser im Zweifel auch auf Schädigungen durch den Gehilfen bei der Erfüllung bezieht. So kann der Generalunternehmer das Haftungsrisiko gegenüber dem Bauherrn bis zur Grenze der Zulässigkeit einschränken.

Fraglich ist, wie der Bauherr sein Risiko bei Insolvenz des Generalunternehmers und bei Schlechterfüllung durch einen Subunternehmer oder in gleicher Weise der Generalunternehmer sein Risiko bei Insolvenz des Subunternehmers und bei Schlechterfüllung durch einen Subsubunternehmer minimieren kann. In Frage kommen Sicherheitsleistungen des ausführenden Unternehmens (Subunternehmen oder Subsubunternehmen). Hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche kann auch eine entsprechend formulierte Bank- oder Versicherungsgarantie für den Haft­rücklass das Risiko beschränken. Hier ist jedenfalls darauf zu achten, dass der damit Begünstigte diese auch im Fall der mangelnden Inanspruchnahme des Vertragspartners ab Eintritt des Schadens ziehen kann. Das sicherste Mittel für den Auftraggeber wäre wohl der Vertragsbeitritt des Subunternehmens (oder Subsubunternehmens) zum Werkvertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, der die Möglichkeit des direkten Schadenersatzes gegen den – als weitere Partei beigetretenen – Vertragspartner ermöglicht. 

Zusammenfassung

Erleidet der Auftraggeber einen Schaden, welcher auf das Verschulden des Sub(sub)unternehmers zurückzuführen ist, stellt das Ausfallen eines »Sprungregresses« grundsätzlich kein Problem dar, da der Auftraggeber vom Werkunternehmer Schadenersatz verlangen kann und der Werkunternehmer sich in weiterer Folge beim Subunternehmer (und dieser wiederum beim Subsubunternehmer) regressieren kann. Ob der Werkunternehmer also seinen Anspruch beim Subunternehmer geltend macht oder beim Subsubunternehmer geltend machen könnte, macht keinen Unterschied, da er in beiden Fällen den entsprechenden Ausgleich erhält. Problematisch wird es für den Werkunternehmer aber dann, wenn der Subunternehmer vermögenslos wird, sei dies aufgrund einer Insolvenz oder eines bereits aufgelösten Unternehmens, denn in einem solchen Fall würde der Regressanspruch des Werkunternehmers ins Leere gehen und er würde keinen Ersatz für den erlittenen Schaden erhalten.

Damit der Werkunternehmer für entsprechende Vorfälle abgesichert ist, kann dieser mit dem Subunternehmer vereinbaren, sollte sich dieser eines Subsubunternehmers bedienen, dass dieser Subsubunternehmer dem Subunternehmervertrag (Fall 2) mit all seinen Rechten und Pflichten beizutreten hat. Dadurch würde eine vertragliche Beziehung zwischen Werkunternehmer und Subsubunternehmer entstehen und somit die Möglichkeit eines vertraglichen Regressanspruches geschaffen werden. Sollte es zu einem derartigen Vertrag nicht kommen, will sich der Werkunternehmer aber dennoch gegenüber einer möglichen Insolvenz des Subunternehmers absichern, könnte der Werkunternehmer von diesem, bei Abschluss des Vertrages, eine Garantie (z. B. Bank- oder Versicherungsgarantie) oder einen Bürgschaftsvertrag verlangen, sich eine Kaution als Sicherheitsleistung übergeben lassen etc.

Eine übersichtliche Zusammenfassung von Vertragsverhältnissen und Anspruch ist im vollständigen Artikel unter folgendem Link abrufbar: Sprungregress im Überblick

(Bilder: iStock, Toms Legal)


Über die Kanzlei

Toms Legal ist eine Rechtsanwaltskanzlei im Zentrum Wiens mit Anwaltszulassung für sowohl die österreichische als auch die englische Rechtsordnung. Der Fokus liegt auf Zivil-, Gesellschaftsrecht und M&A, mit besonderer Spezialisierung im Bau- Planungs- und Energierecht. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in gerichtlichen Streitigkeiten und alternativer Streitbeilegung sowie in der Entwicklung umfassender Vertragsgesamtlösungen legt die Kanzlei großen Wert auf eine kompetente und individuelle Beratung ihrer Mandant*innen. 
Info: www.tomslegal.eu

 

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