Mittwoch, November 20, 2024

2022 hat der Verein für Wohnbauförderung (VWBF) in die französische Rhône-Alpes-Region geladen. In Lyon informierte der VWBF über die Stadtentwicklung vor dem Hintergrund der klimapolitischen Herausforderungen und über die Entwicklung des sozialen Wohnbaus.

Titelbild: In Frankreich müssen in Gemeinden mit über 10.000 Einwohner*innen mindestens 25 % der neu errichteten Unterkünfte als sogenannte HLM-Wohnungen mit moderaten Mieten konzipiert sein. 

In den vergangenen Jahren wurden in Frankreich jährlich zwischen 350.000 und 440.000 Wohnungen fertiggestellt, davon 80.000 bis 100.000 HLM-Mietwohnungen (»Habitation à loyer modéré« – Wohnungen mit moderaten Mieten, die mit den heimischen geförderten Wohnungen vergleichbar sind). Der soziale Wohnbau in der Region Rhône-Alpes liegt bei 13 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes. In Lyon liegt er deutlich höher.

Der Anteil des sozialen Wohnbaus an der Neubauproduktion in Österreich beträgt ca. ein Drittel, in Frankreich etwas weniger. Soziale Mietwohnungen werden von etwa 600 Akteuren, davon 202 öffentliche, 175 private non-profit, 162 Genossenschaften und 54 AGs, errichtet.

Wohnriegel adieu

Angesichts sozialer Probleme im großvolumigen Wohnbau wurde in den letzten Jahren ein Aufholprozess in Lyon gestartet. »Anfang der 2000er-Jahre hat man begonnen, die riesigen Wohnanlagen, die bis zu 300 Meter lang waren, 20 bis 25 Geschoße und 330 Wohnungen pro Einheit umfassten, abzureißen und durch einen menschlicheren Städtebau zu ersetzen«, berichtete Exkursionsleiter Michael Koller und nannte das Gebiet »La Duchère« als Beispiel. Bei gleichbleibender Wohnungsanzahl wurde der soziale Wohnbauanteil von 80 auf 60 Prozent reduziert und das Stadtgebiet diversifiziert, mit einer bunten Durchmischung von Firmen- und Wohngebäuden, wodurch auch andere Bevölkerungsschichten angezogen wurden. Drei noch bestehenden Riegelbauten wurden saniert, wobei die Entwicklungsprojekte sicher noch zehn bis 20 Jahre dauern werden.

Um private Bauträger zu gewinnen, hat die Stadt bei entsprechendem Engagement Projekte und Kooperationen in attraktiven Stadtteilen in Aussicht gestellt. Einen Unterschied zu Österreich erkennt man in Lyon auch im Verhältnis Kauf zu Miete. Fast zwei Drittel der Bevölkerung sind Haus- oder Wohnungseigentümer, der Anteil der gemeinnützigen Wohnungsbestände liegt bei 16 Prozent, in Österreich bei 24. »Es ist unsere Aufgabe, langfristig leistbares Wohnen in Miete zu sichern, nicht für Profit und Gewinne durch Verkauf von Wohnungen zu sorgen«, erklärt Michael Gehbauer, Obmann des Vereins für Wohnbauförderung VWBF, den österreichischen Weg.

Klimavorteil für Mehrgeschoß

Zur Sprache kam bei den Spaziergängen durch Lyon die Bedeutung des mehrgeschoßigen Wohnbaus für die Energiewende. »Miet­objekte sind bei der aktuell nötigen Umrüstung der Energiesysteme im Vorteil, weil diese rascher und einfacher umgesetzt werden kann«, betont Petra Neuherz, Obmann-Stellvertreterin im VWBF. Es sei nicht leicht, in einer Eigentümergemeinschaft den Beschluss zu erreichen, ein Haus thermisch zu sanieren und z. B. an die Fernwärme anzuschließen. Im eigenen Bestand kann ohne Beschluss umgesetzt werden.

Grüne Maßnahmen gibt es in Lyon einige: mehr Grünzonen werden integriert, es wird weniger versiegelt und nachhaltige Baumaterialien werden verwendet. Allerdings besteht hier das große Problem, die seit Beginn 2022 in Kraft befindlichen neuen ökologischen Vorschriften umzusetzen. Die dafür notwendigen Technologien seien nicht vorhanden, man würde die benötigten Materialien nicht erhalten, der Recyclingkreislauf existiere großteils noch nicht, bemängeln Wohnbauvertreter. In Frankreich seien Wärmeisolierungen an der Außenseite von Gebäuden nicht Pflicht. Trotz alledem – und vor allem bezogen auf Österreich: »Wenn wir das Thema Klimawandel ernst nehmen, müssen wir uns besonders auf den Mehrgeschoßwohnbau konzentrieren«, fordert Klaus Baringer, Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV. 

Die Finanzierung von Wohnbauten ist in Frankreich völlig frei, solange das vorgegebene Programm, die Anzahl der zu errichteten Wohnungen, eingehalten wird. 

Energie im heimischen Sozialbau

Das Energiekostenthema können die Gemeinnützigen nicht allein lösen, aber man kann Beiträge leisten, z. B. über die Zurverfügungstellung alternativer Heizsysteme, so Verbandsobmann Baringer weiter. Der gemeinnützige Wohnungsbestand weist die höchste Quote an thermisch sanierten Wohnungen auf und kann auf den größten Fortschritt im Ersatz fossiler Energieträger verweisen. Aktuell sind rund 68 Prozent der Wohnungen im GBV-Sektor an die Fernwärme oder ein erneuerbares Energiesystem angeschlossen.

Im Neubau sind die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen Vorreiter beim Einsatz neuer Technologien in der Gebäude- und Heizungstechnik. Sie errichten Wohnhausanlagen auf Niedrigstenergieniveau mit Fernwärmeanschlüssen und setzen verstärkt Tiefensonden und Wärmepumpen ein. In der gemeinnützigen Wohnbaubranche gibt es daher vergleichsweise nur mehr geringes Einsparungspotenzial durch Heizungsumrüstungen bzw. den Einsatz erneuerbarer Energiequellen. Die Treibhausgasemissionen haben sich seit 1990 trotz eines starken Zuwachses an Haushalten um beinahe 40 Prozent reduziert. Die Mietbauten der GBVs weisen die höchste Quote an thermisch sanierten Wohnungen auf, ebenso wie die höchsten Raten an ersetzten fossilen Heizungssystemen.

(Bilder: Pressebüro Legat)

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