Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Alfred Leitner, Branchenmanager Bau bei Quality Austria, über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache zur Steigerung der Prozess- und Projektqualität und die Tücken der Digitalisierung.
Titelbild: Zur besseren Kommunikation zwischen Unternehmen setzt Alfred Leitner, Branchenmanager Bau bei Quality Austria, auf kompatible Softwaresysteme statt Schnittstellen. (Credit: Quality Austria)
Report: Digitalisierung soll auch im Bau Prozesse verbessern. Gelingt das aus Sicht des Qualitätsmanagements?
Alfred Leitner: Auf Ebene der Unternehmen funktioniert das durchaus. Da werden viele Prozesse durch die Digitalisierung unterstützt und auch gefördert, die zu einer höheren Prozessqualität führen. Schwierig wird es dort, wo es um die Zusammenarbeit der Unternehmen geht, Stichwort BIM. Da gibt es nach wie vor große Probleme mit den Schnittstellen beim Datenaustausch. Das kann zu einer echten Unqualität führen, indem man sich auf Daten verlässt, die fehlerhaft sind.
Report: Wo müsste man den Hebel ansetzen?
Leitner: Es muss endlich eine einheitliche Sprache geschaffen werden. Jedes Unternehmen hat seine eigenen Applikationen und Softwarelösungen. Man versucht dann, über Schnittstellen zu kommunizieren. Das funktioniert aber nur bedingt, denn was für ein Unternehmen passt, muss nicht auch bei einem anderen funktionieren. Die Kommunikation bleibt gestört. Statt Schnittstellen zu schaffen, sollte man die Softwarelösungen kompatibel machen.
Report: Gerade beim Thema BIM gibt es viele Initiativen, die sich dieser Problematik annehmen und versuchen, gemeinsame Standards zu schaffen, damit sich die Unternehmen »unterhalten« können: etwa das Merkmalservice oder den Merkmalserver. Sind das aus Ihrer Sicht die richtigen Maßnahmen?
Leitner: Auf jeden Fall, das sind definitiv die richtigen Ansätze.
Report: Sehen Sie auch schon relevante Fortschritte?
Leitner: Leider noch keine, die im Tagesgeschäft angekommen wären. Es gibt vielversprechende Pilotprojekte, aber das hilft in der Praxis aktuell noch wenig. Man kann heute bei der Auftragsvergabe nicht seriös darauf vertrauen, dass Unternehmen auch wirklich zusammenarbeiten können.
Report: Die Digitalisierung wird seit vielen Jahren als eine zentrale Herausforderung und eine zentrale Aufgabe für Unternehmen gesehen. Haben Sie das Gefühl, dass das Thema einige Unternehmen auch überrollt? Dass Unternehmen »koste es was es wolle« digitalisieren, ohne die Prozesse, die digitalisiert werden, zu optimieren?
Leitner: Absolut. Diese Gefahr ist riesengroß. Da ist eine Eigendynamik entstanden, die auch viel Schaden anrichten kann. Es werden fleißig Pflichtenhefte geschrieben, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Eine digitale Lösung sollte aber immer eine unternehmerische Wirkung in mehreren Dimensionen zeigen. Neben der Wirtschaftlichkeit, Effektivität und Effizienz geht es auch um soziale und emotionale Aspekte, die jegliche Digitalisierung begleiten, die aber oft ignoriert oder vergessen werden. Da werden in vielen Fällen ganze Kommunikationsstrukturen zerschnitten und zerstört. Da fehlen dann die Rückkoppelungseffekte zwischen den Beteiligten, weil ganze Arbeitsschritte gekappt werden.
Report: Sehen die Unternehmen das Risiko, das durch diese Störung der Kommunikation, auch viel Schaden angerichtet werden kann?
Leitner: Das ist sehr unterschiedlich. Auf der operativen Ebene wird das nicht nur wahrgenommen, sondern oftmals auch aufgezeigt. In den Führungsebenen werden Digitalisierungsziele festgelegt, die von den operativen Ebenen nur schwer umgesetzt werden können. Wird das entsprechend kommuniziert, wird das oft missverstanden und als »bremsen« wahrgenommen.
Report: Wie hat sich der Krisenmodus der letzten zwei Jahre auf die Unternehmens- und Prozessquaualität der Branche ausgewirkt? Auch wenn die Baubranche gut durch die Krise gekommen ist, waren doch alle Unternehmen gezwungen, Optimierungen vorzunehmen.
Leitner: Da hat sich auf jeden Fall etwas geändert, speziell in der Personalqualifikation. Da sieht man sehr gut, dass die Unternehmen schnell reagiert haben und virtuelle Fortbildungen angeboten haben. Gerade die Bauindustrie hat da große Sprünge gemacht. Allerdings muss man noch abwarten, wie nachhaltig und effektiv diese Fortbildungen und Prüfungen tatsächlich sind. Oftmals lässt man diese Fortbildungen auch nur über sich ergehen und klickt die Arbeitsblätter emotionslos durch. Es gibt sicher Bereiche, etwa wiederkehrende Unterweisungen, wo diese Form ausreichend ist. Aber gerade in der Wissensvermittlung muss man sehr aufpassen. Da sehen wir auch, dass es zu einem Qualitätsrückgang in der Qualifikation kommt. Deshalb würden wir vor allem in diesem Bereich angesichts des aktuellen Fachkräftemangels zumindest eine Hybridvariante empfehlen.