Mit der DIN SPEC 91454 veröffentlichte die deutsche Normierungsstelle kürzlich eine Empfehlung zur Vereinheitlichung und Strukturierung des Informationsaustausches hinsichtlich von Massengütern im Bauwesen. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Zdravko Vassilev, Lead Product Manager bei Sequello und DIN SPEC Mitwirkender, welche Bedeutung und Potentiale diese Veröffentlichung hat und warum sie auch für Österreich relevant ist.
Report: Was waren die Beweggründe zur Erstellung der DIN SPEC 91454?
Zdravko Vassilev: Dadurch, dass Massengüter sehr regional strukturiert sind, ergab sich historisch eine heterogene Systemlandschaft bei den Lieferanten. Es war schwer möglich, den Datenfluss in standardisierte und digitale Prozesse zu transferieren. Um die dynamischen Abläufe im Bauwesen abbilden zu können, ist bis dato deshalb viel Papier und manueller Aufwand nötig. Als Konsequenz daraus resultiert, dass es hohe administrative Tätigkeiten, wie unter anderem das Sammeln und Archivieren von Papierdokumenten, das Dokumentieren der Bauprozesse und das technische und kaufmännische Controlling braucht.
Ziel der DIN-Empfehlung ist, die Vielfalt an Daten aus den diversen Systemen zu harmonisieren.
Report: Wer sind die Initiatoren dahinter und welche Rolle haben Sie dabei gespielt?
Vassilev: Die Initiatoren sind der Hauptverband der deutschen Bauindustrie, der bayrische Bauindustrieverband, die Praxis EDV, der deutsche Asphaltverband und das Karlsruher Institut für Technologie. Von Sequello waren Geschäftsführer Josef Kurz und ich als Inputgeber hinsichtlich unserer Praxiserfahrungen bei Porr beteiligt.
Report: Warum hat eine deutsche Richtlinie auch in Österreich Bedeutung?
Vassilev: In Österreich gibt es viele Bauunternehmen, die über Landesgrenzen hinweg tätig sind - etwa im Tunnelbau, bei Autobahnen oder im großvolumigen Hochbau. Die IT, wie ERP-Systeme, Materialwirtschaftssysteme oder Kalkulationssysteme mit deren Stammdaten, ist jedoch in Österreich ansässig. Die Firmen sind darauf angewiesen, die Daten auch aus den Niederlassungen im Ausland in konstanter Qualität zu erhalten, wenngleich sich Anforderungen in den Ländern unterscheiden. Die deutsche Baubranche geht mit dieser Ausarbeitung in solch hohem Detaillierungsgrad definitiv mit positivem Beispiel voran.
Report: Was kann die neue Richtlinie für die Branche leisten?
Vassilev: Eine Erleichterung in der operativen Prozesskette von der Bestellung, der Lieferung und Rechnung bis zur Rechnungskontrolle. Speziell hinsichtlich des Baustellencontrollings, der Fremdüberwachung, der Dokumentation, der Qualitätssteigerung in den baustellenrelevanten Systemen sowie in BIM-Systemen. Ein immer präsenter werdender Punkt im Bauwesen, ist die steigende Anforderung an die Dokumentation gegenüber den Bauherren und zusätzlich auch gegenüber den Behörden, wie bei der aufkommenden CO2-Steuer. Ohne einer entsprechenden Harmonisierung und automatisierten Verarbeitbarkeit in den Systemen, wäre es in naher Zukunft schwer möglich, dem nachzukommen. Durch die Richtlinie öffnen sich auch Türen für neue Systeme, die bis jetzt nur mit viel manuellem Aufwand bedient werden konnten. Auf der neuen Datenbasis können solche Systeme ihr volles Potential entfalten. Dies kann zu einer gemeinschaftlichen Gesamtlösung in der Industrie führen und Silos abbauen.
Report: Welche Hindernisse und Herausforderungen gab es im Verlauf der Erstellung?
Vassilev: Das Glossar war definitiv eine der größten Herausforderungen. Alle Baufirmen und Betonhersteller haben ihre eigene Perspektive und ihre eigene Nomenklatur zu den Prozessen. Es hat lange gedauert alle Partner auf den gleichen Nenner zu bringen, obwohl operativ die Abläufe so ähnlich sind. Das bedeutet für die IT-Systeme zum Beispiel: Wenn Unternehmen miteinander kooperieren, haben die verschiedenen Parteien ihre eigene Identifikationsnummer für das gegebene Projekt. Die Datenfelder, wo diese Nummer und weitere Informationen definiert werden, interpretieren alle für sich selbst. Dies führt dazu, dass ein Mensch den Zusammenhang meist versteht, aber ein Computer nicht. Genau hier liegt der Mehrwert des Erarbeiteten.
Report: Welchen allgemeinen Nutzen und welche Auswirkungen stellt diese Publikation für Bauunternehmen und Zulieferer in Aussicht?
Vassilev: Hinsichtlich der Tatsache, dass immer weniger Fachkräfte am Markt verfügbar sind, um die gewünschte Qualität im Bauwesen zu halten oder sogar zu steigern, wird es für die Industrie essenziell sein, alle administrativen Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit dem Bauwesen zu tun haben, zu minimieren. Eine solche Richtlinie ebnet den Weg für eine Effizienzsteigerung. In der Umsetzung kann sie den Aufwand bei den operativen Einheiten reduzieren und gleichzeitig die inhaltliche Qualität steigern.
Report: Was bedeutet die neue Richtlinie für eine Baulogistik-Plattform wie Sequello?
Vassilev: Die DIN-SPEC Richtlinie ist eine repräsentative Grundlage für die Daten, die in der Industrie benötigt werden und ermöglicht dadurch systembezogene Schnittstellen und Logiken zu harmonisieren. Die Systemanbieter der einzelnen Teilnehmer, wie auch Sequello müssen keine kundenspezifischen Insellösungen hinsichtlich der Schnittstellen entwickeln, sondern können einen branchentauglichen Datenaustausch schaffen.
Die neue DIN- SPEC ist einer der wichtigsten Schritte der letzten Jahre, davon sind wir überzeugt. Alle können davon profitieren und wir sind motiviert diesen Meilenstein gemeinsam mit unseren Partnern und Kunden in die Branche zu tragen.