Freitag, November 22, 2024

ESG ist auch in der Immobilienbranche ein zentrales Thema. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Herwig Teufelsdorfer, Chief Investment Officer (CIO) der S Immo, wie man durch ESG verhindern kann, dass ein Objekt zum Stranded Asset wird, warum Refurbishment an Bedeutung gewinnt und wie sich Development und Investement durch ESG verändern werden. (Titelbild: Andreas Jakwerth)


Report: Die Schlagworte Environment, Social und Governance, kurz ESG, werden große Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienwirtschaft haben, heißt es. Welche Rolle spielt ESG heute schon?

Herwig Teufelsdorfer: Vor allem bei den institutionellen Investoren ist das Thema längst angekommen. Und wenn sich börsegelistete Unternehmen wie wir nicht damit beschäftigen, dann kann man den Anforderungen etwa bei der Erstellung des Geschäftsberichts gar nicht mehr gerecht werden. Das wird auch testiert, dafür braucht es eine gewisse Vorarbeit.

Report: Wie sieht diese Vorarbeit aus?

Teufelsdorfer: Das beginnt bei der Definition einer eigenen ESG-Strategie und einer Stakeholder-Analyse. Man muss sich die Frage stellen, mit wem man interagiert, von den Mietern über die Dienstleister bis zur Umwelt. 
Daraus leitet sich auch die Frage ab, woher man die relevanten Daten bekommt, die man berichten muss. Dabei spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Wir bei der S Immo verfolgen das Ziel, dass jeder im Haus das Thema versteht und in sein tägliches Handeln einbindet. Wir wollen auch keinen Datenfriedhof produzieren, sondern aus den Zahlen lernen und daraus ganz konkrete Handlungen ableiten.

Report: Wie können diese Handlungen aussehen?

Teufelsdorfer: Wir sind in sieben Ländern tätig und sehr dezentral organisiert. Alle Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft zählen, werden zugekauft. Dementsprechend autark ist die Immobilienverwaltung. Um den CO2-Abdruck unseres Portfolios ausrechnen zu können, braucht es ein einheitliches Datenverständnis. Das ist alles andere als trivial. Deshalb erarbeiten wir dafür aktuell eine digitale Strategie, um sämtliche Verbrauchswerte digital abgreifen zu können.

Diese Daten müssen genau analysiert werden und mit den Vorgaben aus dem Pariser Protokoll verglichen werden. Daran lässt sich gut ablesen, ob ein Objekt Gefahr läuft zum Stranded Asset zu werden. Nur aus der Erfahrung des Asset Management wäre das nicht möglich. Auf diese Art und Weise können wir auch interne Benchmarks erstellen und ähnliche Objekte miteinander vergleichen. Das gibt für jedes Objekt interessante Denkanstöße.

Report: Welche Rolle spielen die Bereiche Soziales und Governance?

Teufelsdorfer: Im Bereich Soziales haben wir den Fokus auf drei Gruppen: unsere Mitarbeiter, unsere Mieter sowie unsere Stakeholder und die Gesellschaft. Die Themen reichen von Diversität über Chancengleichheit und Mitarbeiterbindung bis zu Arbeitsstandards, Vergütung und Weiterbildung. Aktuell haben wir etwa das interne Projekt DDO, Data Driven Organisation, am Laufen, mit dem wir uns von der prozessorientierten Organisation zu einer datenorientierten Organisation wandeln wollen. Da gibt es einen Bereich, der sich mit digitalem Lernen beschäftigt. Damit kann jeder die Lerninhalte dann abholen, wenn es passt.

Im Bereich Governance haben wir zwei Themenfelder definiert. Das ist zum einen die verantwortungsvolle Unternehmensführung mit den Bereichen Aktionsstruktur, Demokratie und Rechte sowie Managementstruktur, Vergütung, Diversität und Unabhängigkeit des Aufsichtsrats. Der zweite große Themenbereich ist Compliance. Wir haben Anfang des Jahres ein Whistleblowing-System eingeführt, um Korruption und Vorteilsannahme vorzubeugen.

Auch die Steuerstrategie ist Teil dieses Bereiches. Natürlich könnte man als Unternehmen anstreben, so wenig Steuern wie nur irgendwie möglich zu zahlen. Wir sind aber der Meinung, dass wir als erfolgreiches börsenotiertes Unternehmen auch eine Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit haben.  Wichtig ist für uns auch, dass wir von drei verschiedenen Unternehmen gerated werden. Wir arbeiten auch in der Arbeitsgruppe »Digitalisierung« der ÖGNI mit und schauen als Bestandshalter, wie wir unseren Bestand und Bestand, den wir erwerben wollen, verbessern können.

Report: Sie haben bereits angesprochen, dass das Thema bei Institutionellen längst angekommen ist. Gibt es auch generell schon eine verstärkte Nachfrage von Mietern und Käufern nach ESG-konformen Immobilien?

Teufelsdorfer: Wenn wir selbst als Käufer auftreten, merkt man schon, dass eine gewisse Nachfrage nach ESG-konformen Objekten gegeben ist. Da muss man auch ehrlich zugeben, dass uns die deutschen Institutionellen gut ein Jahr voraus sind. Da werden nur noch ESG-konforme Objekte gekauft. Man merkt schon, dass sich der Markt hier verändert. ESG-konforme Objekte werden deutlich stärker nachgefragt, das kompensiert zum Teil sogar Standortnachteile. Da wird die Schere in Zukunft immer weiter auseinandergehen.

Report: Wie wird sich durch ESG die Arbeit der S Immo in Zukunft verändern?

Teufelsdorfer: Im Development wird es darauf ankommen, erfolgreich in die Zukunft zu blicken. Zwischen der Idee und der Realisierung eines Gebäudes liegen mehrere Jahre, da muss man zukünftige Entwicklungen und Anforderungen antizipieren können. Das musste man in der Vergangenheit auch schon, hat sich aber verschärft. 

Report: Das Risiko am Markt vorbei zu entwickeln wird also größer?

Teufelsdorfer: Wenn man sich nicht intensiv mit der Materie auseinandersetzt, auf jeden Fall. Sich auf eine Gasleitung zu verlassen und die Photvoltaikanlagen den Mietern zu überlassen, wird nicht mehr gehen. Da braucht es eine völlig neue Herangehensweise, sei es über Bauteilaktivierung oder ähnliche Themen. Das ist ja auch im Sinne der Bestandshalter. In Deutschland haben wir aktuell in der Assetklasse Wohnen das Thema, dass bis zu 90 Prozent der CO2-Abgaben vom Eigentümer zu tragen sind. Es gilt, den gesamten Lebenszyklus zu betrachten bis hin zum Rückbau, Stichwort Urban Mining.

Report: Was wird sich beim Immobilieninvestment ändern?

Teufelsdorfer: Wir kommen aus einer Phase, wo man am Objekt selbst nicht viel machen musste, weil der Wert der Objekte ganz automatisch über den Markt gehoben wurde. Diese Zeit ist vorbei. Während die Rendite bei Grade A- und Grade B-Objekten in der Vergangenheit recht ähnlich war, geht die Schere jetzt weiter auf, weil Objekte, die nicht mehr den Standards entsprechen, weniger gekauft und auch weniger gemietet werden.

Auch der Fachkräftemangel trägt seinen Teil zum Run auf ESG-konforme Objekte bei, weil Arbeitgeber den Mitarbeitern etwas bieten müssen. Da geht es auch um die Qualität des Raumes. Bei auslaufenden Mietverträgen sehen wir aktuell eine sehr hohe Bereitschaft in neue, bessere Immobilien zu wechseln. 

Report: Wie steht es um den Bestand der S Immo. Da ist ja sicher auch einiges im Portfolio, das nicht ESG-konform ist.

Teufelsdorfer: Natürlich, das ist denke ich in jedem Portfolio der Fall. Aktuell haben wir rund ein Viertel des Bestandes zertifiziert. Gerade in Deutschland haben wir einen sehr hohen Anteil an Wohnimmobilien aus der Jahrhundertwende. Im Altbau sind gewisse Dinge technisch einfach nicht möglich. Das ist so, es wird immer einen gewissen Anteil geben, der nicht ESG-tauglich gemacht werden kann. Das muss man akzeptieren.

Wir können als Branche nicht hergehen und sagen, ESG ist das goldene Kalb, um das alle tanzen. Das wäre der falsche Ansatz. Aber dort, wo es geht, soll und muss man es machen. Bei den anderen Objekten muss man sich überlegen, was sinnvoll ist. Wir haben etwa in Wien ein älteres Bürogebäude, für das die Mietverträge in den nächsten Jahren auslaufen. Da überlegen wir jetzt schon ein umfassendes Refurbishment, um vom Tragwerk ausgehend komplett neu und ESG-konform aufzubauen. Das wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Der Fokus wird nicht mehr nur auf dem Betrieb liegen, sondern am gesamten Lebenszyklus. Damit ist der CO2-Abdruck eines Gründerzeithauses automatisch viel besser als bei vielen modernen Gebäuden. 

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