Aufzüge und Rolltreppen sind heute deutlich mehr als reine Beförderungsmittel. Mit digitalen, smarten und vernetzten Lösungen liefern Hersteller spannende Innovationen für Betreiber und Endkund*innen. Der Bau & Immobilien Report hat sich in der Branche umgehört.
Titelbild: Die Produktfamile Agile von TK Elevator umfasst hochmoderne Lösungen, die Aufzüge und Fahrtreppen intelligenter und effizienter machen. Mit der Agile Mobile App können Fahrgäste am Handy ihre Zieletagen speichern und zu jeder gewünschten Zeit von überall im Gebäude einen Aufzug rufen. (Credit: TK)
2021 war auch für die Aufzugsbranche ein herausforderndes, aber nicht unerfolgreiches Jahr. TK Elevator, seit August 2020 unabhängig von thyssenkrupp, konnte trotz Coronapandemie, Materialkosteninflation und Engpässen in der Lieferkette »alle relevanten Kennzahlen deutlich steigern«. Otis konnte laut Geschäftsführer Christoph Sengstschmid den Marktanteil im Neuanlagengeschäft steigern und auch mit der Geschäftsentwicklung in anderen Geschäftssparten wie Modernisierung, Wartung und Reparatur zeigt sich Sengstschmid zufrieden. Auch Wolfgang Hofmann, Direktor Verkauf Neuanlagen bei Kone, spricht angesichts der Rahmenbedingungen von einem »guten Jahr, mit dem wir zufrieden sind.«
Generell lässt sich festhalten, dass die aktuellen Lieferengpässe und Preissteigerungen die Aufzughersteller weniger hart treffen als andere Industriezweige. Zwar sei die Planbarkeit schwieriger geworden und Pläne müssten oft täglich evaluiert werden, aber die Tatsache, dass Hersteller wie Otis einen Großteil ihrer Produkte aus firmeneigenen Produktionsstätten beziehen, mildert die Folgen doch deutlich. »Damit können wir vieles abfangen und die Preissteigerungen für den Kunden so gering wie möglich halten«, sagt Sengstschmid.
Auch Kone fertigt nahezu alle Kernkomponenten selbst und ist daher laut Hofmann »nur« von Zulieferungen bei Grundmaterialien abhängig. »Dank weltweiter, langfristiger Verträge und gemeinsamer Abstimmung unserer Logistikabteilung mit dem Lieferanten kommt es nur zu geringfügigen Verzögerungen. Wir arbeiten intensiv daran, gemeinsam mit unseren Lieferanten die Lieferketten aufrecht zu erhalten bzw. die normalen Durchlaufzeiten ohne Verzögerungen zu erreichen«, sagt Hofmann.
Am anderen Ende der Fahnenstange sind die Auswirkungen aber sehr wohl spürbar. »Am Markt merkt man speziell im Neuanlagenbereich die Auswirkungen von unvorhersehbaren Kostenentwicklungen bei Baumaterialien und deren Verfügbarkeit, indem es zu Zeitverzögerungen oder Aufschub geplanter Projekte kommt und im Moment auch merkbar weniger Auftragsvergaben gibt«, sagt Sengstschmid.
Auch bei Kone spürt man die Verunsicherung der Kunden durch die aktuellen Krisen; und einzelne Projekte werden verschoben. Eine echte Herausforderung sei zudem, dass lokale Zukäufe oft nur noch mit Tagespreisen möglich sind, womit sich das Risiko der Aufzugshersteller bei der Abwicklung bestehender bzw. zukünftiger Aufträge deutlich erhöht. »Wir sind gezwungen unser Angebotsfristen und auch unsere Festpreisbindungen zu verkürzen«, so Kone-Verkaufsdirektor Hofmann. An der generellen Verfügbarkeit der eigenen Produkte zweifelt nach aktuellem Stand aber keiner der Hersteller.
Was die Kunden wollen
Auch wenn es teilweise schon Projektverschiebungen gibt, hat sich an der aktuellen Nachfrage laut TK Elevator noch wenig geändert. Welche Produkte der Kunde will, hängt natürlich stark vom konkreten Projekt ab. Im sozialen Wohnbau wird vor allem auf die funktionale, kostengünstige Lösung zurückgegriffen. Im Premium-Wohnbau ist höchste Qualität gepaart mit exklusiver Ausstattung erwünscht. Ähnlich verhält es sich bei den anderen Marktsegmenten wie Hotellerie oder Bürobau.
»Dazu kommen natürlich Themen wie Nachhaltigkeit und Flexibilität sowie Smart-Home-Lösungen«, sagt Hofmann. Laut Otis-Geschäftsführer Sengstschmid legen Kunden auch immer mehr Wert auf Leistungstransparenz. »Der Echtzeit-Zugriff auf alle Daten rund um den Aufzug und sämtlichen Anlagen ist heute sehr wichtig. Über unsere IoT-Lösung Otis One decken wir das gut ab.«
»Die Aufzüge der Zukunft werden über immer mehr Sensorik verfügen. Die Sensordaten werden in der Cloud ausgewertet und verschaffen dem Kunden über ein Kundenportal größere Transparenz über seine Anlagen«, ist Otis-Geschäftsführer Christoph Sengstschmid überzeugt. (Bild:Otis)
Woran die Hersteller arbeiten
Keine Zweifel herrschen darüber, dass die Zukunft des Aufzug »digital«, »smart« und »vernetzt« ist. »Die Aufzüge der Zukunft werden über immer mehr Sensorik verfügen. Die Sensordaten werden in der Cloud ausgewertet und verschaffen dem Kunden über ein Kundenportal größere Transparenz über seine Anlagen«, ist Sengstschmid überzeugt.
Darüber hinaus werden ungeplante Stillstände durch vorausschauende Wartung mit Hilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz reduziert. Die Wartungseinsätze werden sich immer mehr von »präventiv« zu »prädiktiv« entwickeln. In dem Sinne, dass eine potenzielle Störung »behoben« wird, bevor sie überhaupt auftritt. Je größer die Datenmenge wird, desto besser wird diese Vorhersagequalität. Stark vereinfacht könnte man auch sagen, dass unsere Aufzüge mit jedem Tag intelligenter werden.
Umgesetzt wird dies bei Otis sowohl bei bereits am Markt eingeführten, neuen Produkten wie der neuesten Aufzugsgeneration Gen360, die mit allen Facetten eines »intelligenten Aufzugs« ausgestattet sind. »Mit Otis One, dem Kernstück unserer IoT-Lösungen, ist aber auch eine Nachrüstung bei einem großen Teil der Bestandsaufzüge möglich«, so Sengstschmid, der Otis One als Basis für vielfältige, kombinierbare Anwendungen beschreibt, beispielsweise als bidirektionales Notrufkommunikationssystem mit hoher Sprach- und Bildqualität oder als individuell bespielbare Informationsplattform im Kabinentableau. Darüber hinaus ist Otis One auch die Schnittstelle zu den am Aufzug installierten Sensoren in die Cloud und damit zu den Analysetools, die zukünftig sogar sogenannte Remote Interventionen ermöglichen werden.
Auch für Kone ist das Schlagwort der Aufzugszukunft »Konnektivität«. »Alle unsere Aufzugsanlagen und Rolltreppen sind permanent mit der Kone-Cloud verbunden und werden 24/7 überwacht«, erklärt Hofmann. »Entgegen der normalen Wartungstätigkeiten senden unsere Anlagen permanent Anlagendaten in die Kone-Cloud, wo sie analysiert werden und bei Bedarf Schritte eingeleitet werden.« Damit soll die Verfügbarkeit der Anlagen weiter erhöht werden, weil auch hier präventiv mögliche Störungsursachen im Vorfeld erkannt und diese vor dem Eintreten einer Störung behoben werden können.
Erlaubt ist, was gefällt: Über die Kone-Cloud sind in einem Wiener Hotel die Aufzüge mit Robotern verbunden, die anstelle der Minibar Snacks und Erfrischungen liefern. (Bild: Philipp Lipiarsk)
Die Kone-Cloud ist zudem die Schnittstelle, mit der jeder Aufzug und jede Rolltreppe mit anderen im Gebäude verwendeten Applikationen verbunden werden kann. »Die Möglichkeiten sind unendlich. Vor kurzem haben wir in Wien in einem neuen Hotel die Aufzüge mit Robotern verbunden, die anstatt der Minibar im Zimmer Bestellungen der Gäste annehmen und diese über die Aufzüge ausliefern. Die Lieferroboter erfreuen sich großer Beliebtheit in dem Hotel und werden stark gebucht, um Getränke, Snacks oder Hygieneartikel zu bestellen«, so Hofmann.
Auch bei TK Elevator arbeitet man ständig an der Verbesserung der Produkte. Ein wichtiger Aspekt dabei sind Kooperationen mit Dritten. Ein aktuelles Beispiel ist die mit der Expertenorganisation Dekra entwickelte Lift Check App. Dabei wird das Smartphone auf dem Kabinenboden abgelegt. Die Sensoren des Telefons sammeln während der Fahrt mit dem Aufzug z. B. Vibrationsdaten. Der Servicetechniker kann so schneller als durch herkömmliche Inspektionen den Wartungsbedarf definieren. Mit Agile Mobile gibt es auch eine App für den Endkunden, mit der die Aufzugsfahrt individualisiert werden soll. Mit der App können Fahrgäste ihre Zieletagen speichern und zu jeder gewünschten Zeit von überall im Gebäude einen Aufzug rufen.