Als Vorstandsmitglied der ÖBB-Infrastruktur ist Judith Engel für Weiterentwicklung, Planung, Bau und laufende Instandhaltung der Anlagen verantwortlich.
Für Infrastruktur braucht es Weitblick. Diesen hat Judith Engel bereits in ihrer Ausbildungszeit bewiesen. Nach der Matura an einem neusprachlichen Gymnasium entschied sie sich für das Bauingenieur-Studium. »Ausgehend vom grundsätzlichen Interesse für die Naturwissenschaften erschien mir das Bauingenieurwesen als sehr breitgefächertes Studium, bei dem im Berufsleben für mich schon etwas dabei sein würde«, erinnert sich die 44-jährige.
Und so war es dann auch, heute profitiert sie nahezu täglich. »Allen voran kann ich die Fächer aus meinem Studienschwerpunkt der Verkehrsplanung und Verkehrswirtschaft einbringen, aber auch sehr vieles von den sogenannten Grundlagenfächern. Es sind oftmals mehr die gelernten Methoden, die ich in verschiedenen Problemstellungen verwenden kann.« Hilfreich sei auch die ergänzende Ausbildung in den Bereichen Finanzen, Coaching, Personal- und Organisationsentwicklung und zuletzt Mediation.
Technik begeistert
Ihre Zukunft hätte aber auch ganz anders verlaufen können. »Mein Vater hat mir zunächst vom technischen Bereich als Berufswahl abgeraten. Er fand die Technik zu schwer, zu langwierig und für eine Familienplanung ungeeignet.« Die Technik hat Judith Engel aber nicht losgelassen. Sie begeistert, dass oft mit einfachen Mitteln große Komplexität lösbar ist und vor allem auch die Tatsache, dass man in technischen Berufen die Zukunft gestalten kann. Die Technik stehe niemals still und habe oft als Erstes Antworten auf neue Probleme. »Wir können das Ergebnis unserer Arbeit sprichwörtlich anschauen«, betont Engel. Im Privaten begeistern sie Geige, Garten, Lesen und Sport. Vor allem die Komponisten der Romantik schätzt die Technikerin, die verheiratet und Mutter von drei Kinder ist. Sie engagiert sich u. a. auch für das Austrian Aviation Orchestra Project.
Technik in Frauenhand
Die Steigerung des Frauenanteils im technischen Bereich erfolgt laut Judith Engel zumindest gefühlt noch sehr langsam. »Es muss aufhören, dass Frauen in technischen Berufen Seltenheitscharakter haben und teilweise kritisch beäugt werden«, fordert die Technikerin, deren Karriereverlauf beeindruckt. Vor der Vorstandstätigkeit bei der ÖBB Infrastruktur war sie u. a. Leiterin des Ressorts Verkehr im BMK, Bereichsleiterin am Flughafen Wien, Projektleiterin vom Wiener Hauptbahnhof sowie im Bereich Verkehr/Verkehrsplanung bei ÖBB-Postbus und Planerin im Bereich Eisenbahn- und Straßenbau im Zivilingenieurbüro Werner Consult.
Mittlerweile sei vielen klar, dass gemischte Teams generell bessere Leistungen bringen. Auch die Knappheit an gut qualifiziertem Personal führt zu einer Erhöhung des Frauenanteils in der Technik. »Meine persönlichen Erfahrungen sind sehr gute. Gerade in der Technik wird sehr schnell nach sachlichen Kriterien und der tatsächlichen Leistung geurteilt.« Die ÖBB haben zahlreiche Initiativen zur Steigerung des Frauenanteils gesetzt und nehmen an Programmen wie dem AMS FiT und dem Töchtertag teil.
Künftig wird es auch wieder das GirlsTechCamp geben. »Viele Mädchen haben schlicht keine Vorstellung davon, wie ein technischer Beruf aussieht, wie spannend und abwechslungsreich er ist«, erkennt Engel ein Problem. »In der ÖBB Infrastruktur wollen wir daher z. B. mit unserer Kampagne JoboffenSIEve Mädchen und Frauen für technische und digitale Berufe bei uns begeistern.« Erfolgreiche Role Models wie Baumanagerinnen und Projektkoordinatorinnen sollen beweisen: Vor der Technik sind Frauen und Männer gleich.
Info: In der nächsten Ausgabe: Susanne Kallinger, Geschäftsführerin Kallinger Projekte, im Porträt.