Die Dekarbonisierung der Bauwirtschaft ist ein globales Thema – Beton- und Zementproduktion sind dabei entscheidend.
Drei Viertel der Infrastruktur, die weltweit bis 2050 benötigt werden, wie Tunnel, Kraftwerke, Straßen und Kläranlagen sind noch nicht gebaut und können nicht in Holz errichtet werden. Bei Gebäuden besteht zwar diese Möglichkeit, aber auch sie benötigen vielfach Beton. Jährlich werden laut International Energy Agency IEA weltweit etwa vier Milliarden Tonnen Zement und 33 Milliarden Tonnen Beton produziert, in Österreich sind es 5,2 Millionen Tonnen Zement und rund 40 Millionen Tonnen Beton.
Um die CO2-Bilanz zu optimieren, könnte weniger gebaut werden, auf jeden Fall müssen die Emissionen reduziert werden. Zement werden weltweit etwa zwischen 4,5 und acht Prozent der THG-Emissionen zugeschrieben. Der CO₂-Fußabdruck hängt überwiegend vom Klinkeranteil ab. »Zwei Drittel der CO2-Emissionen entstehen beim Entsäuern des Kalksteins. Eine gänzlich CO2-neutrale Produktion lässt sich nur durch Technologien zur CO2-Abscheidung erzielen“, erläutert Sebastian Spaun, Geschäftsführer VÖZ.
Die österreichische Zement- und Betonindustrie befindet sich laut Sebastian Spaun, VÖZ, auf einem zukunftsträchtigen Weg. »Wir emittieren am wenigsten CO2 pro Tonne Zement bei der Herstellung. Den Einsatz von Kohle, Öl und Gas haben wir im weltweiten Vergleich am meisten zurückgedrängt. Mit etwa 80 Prozent Ersatzbrennstoffen führen wir das Ranking an.«
Blick voraus
Die Forschung zu Alternativen läuft. Vor allem die Entwicklung neuer, klimafitter Zemente der Sorten CEM II/C und mittelfristig auch CEM VI soll dazu beitragen, den durchschnittlichen Klinkeranteil bis zum Jahr 2040 von derzeit 70 auf 52 Prozent zu senken. Die Reduktion der CO2-intensiven Klinkerkomponente stellt den wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung dar.
Eine Option bildet die Verwendung von Zusatzstoffen, sogenannten supplementary cementitious materials, wie getemperte Tone, die unter geeigneten Bedingungen bis zu 50 Prozent Zementklinker ersetzen können. »Im Sommer 2021 haben wir den grünen Beton ECOPact eingeführt, der einen um 30 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck gegenüber herkömmlichem Beton aufweist«, informiert Berthold Kren, CEO bei Lafarge Österreich. Unter der Dachmarke Ecoplanet bietet das Unternehmen neue, CO2-reduzierte Zemente, die zusätzlich erhöhte, variable Anteile aus Recycling und Kreislaufwirtschaft enthalten.
In Österreich werden über 90 Prozent des Altbetons einer Wiederverwertung im Straßen- und Betonbau zugeführt. Dem Recycling mineralischer Baustoffe kommt laut Kreislaufwirtschaftsstrategie künftig große Bedeutung zu. Laut Bianca Pfefferer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Energie und Innovatives Bauen bei der ÖGUT, braucht es mehr Anstrengung, denn Normung und Gesetzgebung erschweren die Kreislaufführung mehr als dass sie diese forcieren »Es braucht klare Regelwerke, man kann auch über den Preis steuern, denn die Deponierung ist derzeit noch zu günstig.«
»Dekarbonisierung fordert eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, die in der gesamten Prozesskette verankert ist«, betont Bianca Pfefferer.
Situation in Österreich
»Die österreichische Zementindustrie ist Teil einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, sie setzt im internationalen Vergleich die höchsten Anteile an alternativen Rohstoffen, Zumahlstoffen und Brennstoffen ein«, erläutert Spaun. Zwischen 1990 und 2020 konnten im Vergleich zum europäischen Durchschnitt bei der Zementerzeugung neun Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Derzeit läuft das Forschungsvorhaben CEM II/C der VÖZ mit Smart Minerals. Laut Klaus Reisinger, Vorstand in der IG Lebenszyklus Bau und Partner bei iC consulenten, müssen Zementhersteller zu mehr Einsatz von erneuerbarer Energie motiviert werden, z. B. von biogenen Brennstoffen. Baumit setzt bereits mehr als 80 Prozent alternative Brennstoffe ein, ein neuer Klinkerkühler erlaubt Energieeinsparungen von knapp 20 Millionen kWh pro Jahr.
Technische Möglichkeiten für eine klimafreundlichere Produktion von Zement bilden neben der Minimierung des Energieverbrauchs bzw. erneuerbaren Quellen eine geänderte Zusammensetzung von Zementen durch Reduktion des Klinkeranteils und neue Zumahlstoffe.
Mobilität entscheidet
Entscheidend für eine positive CO2-Bilanz ist für Klaus Reisinger in jedem Fall die Mobilität, die durch die Lage der Gebäude bestimmt wird. »Errichtet man ein Plusenergiehaus an einem Standort, der fußläufig nicht erreichbar ist, kann ein Gründerzeithaus in der Stadt mit einem schlechten U-Wert in der Gesamtbetrachtung besser abschneiden.«
Entscheidend ist auch die Transportstrecke. Durch Verkürzung der Transportwege im Steinbruch durch die Versetzung der Primärbrecher reduziert etwa Baumit den Dieselverbrauch seiner Muldenkipper bis 2040 um rund 1,6 Mio. Liter. Die Rohrdorfer Zementwerke setzen verstärkt auf den Schienentransport. Die VÖZ warnt davor, Nachhaltigkeit von Baustoffen einseitig anhand der CO2-Emissionen bei der Herstellung zu beurteilen.
Über den Lebenszyklus betrachtet tragen Technologien wie die Bauteilaktivierung dazu bei, Gebäude effizient und unter größtmöglicher Einbeziehung von erneuerbarer Energie ressourcenschonend zu heizen bzw zu kühlen und ermöglichen so, im Gebäudebetrieb Emissionen einzusparen.
Im Kreis führen
»Der Kohlenstoffkreislauf muss geschlossen werden«, fordert Berthold Kren. Als wichtigste Technologie nennt er dazu Carbon Capture and Usage, CCU. »Gemeinsam mit unseren Partnern OMV, Verbund und Borealis arbeiten wir derzeit am Projekt Carbon2ProductAustria. Wir sehen breite Unterstützung und hoffen auf eine Umsetzung der C2PAT Pilotanlage bis 2030.« Laut ÖGUT muss der Fokus auf hochwertiges Re- statt Downcyclingg gelegt werden.
»Die spezifischen CO2-Emissionen der Zementindustrie zeigen, dass Österreich mit 549 kg CO2/Tonne Zement im Vergleich zur EU mit 619 und den USA mit 751 führend ist«, informiert Berthold Kren.
»Es wird bereits viel wiederverwertet, aber Bauschutt und Betonbruch werden überwiegend im Straßenbau und zur Verschüttung eingesetzt«, kritisiert Bianca Pfefferer. Als Positivbeispiel nennt sie die Salzburg Wohnbau, die mit einer Volksschule in Anif bereits das vierte Bauvorhaben umsetzt, bei dem hochwertiger Recycling-Beton zum Einsatz kommt. Bei Wopfinger Transportbeton können Betonabbruch und Baurestmassen bis zu 100 Prozent bei der Herstellung von Beton wiederverwendet werden.
Neue Zemente
Die heutigen Zementsorten erfordern einen mittleren Klinkeranteil von 70 Prozent, neue Zemente wie CEM II/C und CEM VI sollen ihn bis 2040 auf 52 Prozent reduzieren.