Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Strabag-Vorstand Peter Krammer die praktische Relevanz alternativer Vertragsmodelle, woran man verlässlich eine Lean-Baustelle erkennt und wie heute mit BIM die Grundlagen für die Baustelle der Zukunft gelegt werden. Außerdem legt er offen, wie es der Strabag gelungen ist, eine EBIT-Marge von sechs Prozent zu erreichen.
Von Bernd Affenzeller
Die Strabag arbeitet schon lange mit dem Partnering-Modell teamconcept, dafür eignen sich viele verschiedene Vertragsmodelle. Echte Allianzmodelle sind bei der Strabag wie bei allen anderen noch selten. Wird das ein Nischenprodukt bleiben oder sehen Sie einen Massenmarkt? Es gibt ja durchaus entsprechende Bestrebungen mit Allianzvertrag »Hochbau« oder Allianzvertrag »light«.
Peter Krammer: Echte Allianzmodelle, wo Bauherr, Generalunternehmer, Generalplaner und die wichtigsten Lieferanten und Subunternehmen in einem gleichberechtigten Vertragsmodell zusammengeschlossen sind, werden meiner Meinung nach in Zukunft sicher häufiger zum Einsatz kommen als heute, aber kein Massenprodukt werden.
Was mir aber wichtig ist, ist der gemeinsame Gedanke hinter diesen alternativen Vertragsmodellen. Deshalb auch dieser verallgemeinernde Überbegriff. Wir nennen das seit 25 Jahren teamconcept. Die gemeinsame Philosophie ist, dass der Bauherr, der Planer und der Generalunternehmer ein gemeinsames Ziel verfolgen, das auch vertraglich abgesichert ist. Nämlich in möglichst kurzer Bauzeit, ein fehlerfreies, kostengünstiges Projekt zu realisieren. Dazu gehört eine frühzeitige Befassung der wichtigsten Beteiligten mit dem Projekt, um Probleme und Optimierungspotenziale frühzeitig zu erkennen. Das gesamte Team muss in dieselbe Richtung gehen und das gleiche Ziel verfolgen. Heute haben wir selbst bei den komplexesten Projekte ganz normale ÖNORM-Verträge, wo wir zwei Wochen nach Auftragserteilung zu bauen beginnen müssen. Das ist absurd, wird aber immer wieder wiederholt.
Wie viele Ihrer Projekte werden nach dem teamconcept-Modell abgewickelt?
Krammer: In Deutschland ist das Thema weiter verbreitet als in Österreich, aber auch hierzulande tut sich zumindest im Hochbau einiges. In diesen beiden Märkten wickeln wir ein Projektvolumen von über einer Milliarde Euro jährlich nach dem teamconcept-Modell ab.
Mit Early Contractor Involvement (ECI) hat die Strabag international schon gute Erfahrungen gemacht. Kürzlich meinten Sie im Bau & Immobilien Report, dass es kein größeres Projekt gibt, bei dem Sie als Bauunternehmen nicht Verbesserungen einbringen könnten. In Österreich scheinen eher die privaten Auftraggeber aufgeschlossen, nicht die öffentlichen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Krammer: Man versteckt sich gerne ein wenig hinter dem Vergaberecht. Aber schön langsam kommt Bewegung in die Sache. Die BIG hat ein Pilotprojekt gestartet, auch in der Asfinag tut sich etwas.
ECI wird in Zukunft noch viel stärker werden. Die frühzeitige Einbindung bringt für alle Beteiligten Vorteile, auch wenn die Prozesse natürlich komplexer sind. Ich bin überzeugt, dass sich Projekte in Zukunft in eine Pre-Construction-Phase und eine Ausführungsphase gliedern werden. In der Pre-Construction-Phase setzen sich alle Beteiligten mit dem Projekt auseinander und erfassen, was es für die bestmögliche Umsetzung braucht. Der Vorteil ist, dass ich als Bauunternehmen durch ECI genau weiß, was ich zu bauen habe und deshalb meine Risikozuschläge herabsetzen kann. Das heißt nicht, dass die Detailplanung für das 27. Obergeschoß fertig sein muss. Aber ich muss wissen, wie die Fassade im 27. Obergeschoß aussehen soll und wo die Durchbrüche sind.
Wenn Sie Ihre teamconcept-Baustellen mit herkömmlichen Baustellen vergleichen, was sind die größten Unterschiede?
Krammer: Das reicht von der Haustechnik über die Statik, also Bewehrungsgehalt oder Betonzusammensetzung bis zur Baugrundoptimierung und dem Einsatz von Fertigteillösungen. Auch die Prozesse, wann wo was gebaut wird, werden deutlich verbessert. In Summe sind teamconcept-Projekte wesentlich effizienter im Sinne des Projekts.
Ein weiteres Trendthema ist Lean Construction. Woran merkt man bei einer Strabag-Baustelle, ob sie lean ist oder nicht?
Krammer: Das merken Sie sofort. Eine Lean-Baustelle ist ruhig, sie ist nicht hektisch. Das ist das Augenscheinlichste. Auch in der Schlussphase einer Baustelle sind alle völlig entspannt, weil sie wissen, wo sie stehen. Jeder, der auf der Baustelle arbeitet, kennt sein Wochenprogramm, er weiß, was vor ihm und nach ihm gearbeitet wird. So stelle ich mir industrielle Produktion auf einer Baustelle vor. Lean ist aber nicht nur der Prozess auf der Baustelle. Lean ist eine Philosophie, Verschwendung zu reduzieren. Das in alle Köpfe zu bringen, ist unsere Aufgabe, aber ein längerer Prozess.
Wie viele Ihrer Baustellen sind lean?
Krammer: Unser Ziel für 2022 ist es, dass Baustellen über einer Million Euro in Österreich zu 100 Prozent lean-getaktet werden. Da sind wir noch nicht ganz, aber es fehlt nicht viel.
Wenn wir alle diese Themen zusammenlegen und um Themen wie BIM, Augmented & Virtual Reality, Künstliche Intelligenz oder Robotik ergänzen. Wie stellen Sie sich eine Strabag-Baustelle im Jahr 2030 oder 2035 vor?
Krammer: Augmented Reality oder Robotik wird 2035 State of the Art sein – davon bin ich überzeugt. Das ist heute noch nicht unser Thema. Aktuell sind wir dabei, die Grundlage zu schaffen, und die heißt BIM. Ohne einer umfassenden, digitalen Planung, kann ich diese Themen nicht zum Leben erwecken. Was nützt ein Roboter, wenn er nicht weiß, wo er bohren soll.
Was mir in Österreich fehlt, ist eine Vorgabe des Bundes. In anderen Ländern wie etwa in der Schweiz oder in Tschechien gibt es ganz klare Vorgaben, das erleichtert vieles. Das ist in Österreich aktuell leider nicht einmal im Gespräch. In der ÖBV versuchen wir mit dem BIM-Merkmalservice die Merkmalserver der einzelnen Unternehmen, Auftraggeber wie Auftragnehmer, miteinander zu verbinden. Da sind wir aktuell in der letzten Testphase. Darauf ruhen große Hoffnungen, dennoch würde ich mir eine klare Vorgabe wünschen. Auch der 3D-Druck ist so ein Zukunftsthema. Da passiert auch jetzt schon sehr viel. Ich glaube nicht, dass wir in Zukunft in großem Stil Häuser drucken werden, aber einzelne Elemente auf jeden Fall. Damit kann man auch Material einsparen, was uns zu einem weiteren wichtigen Thema führt, der Nachhaltigkeit. Die größte CO2-Reduktion gelingt uns, wenn wir weniger Material brauchen.
Für all das brauche ich Early Contractor Involvement und BIM, um frühzeitig zu erkennen, wo etwa Fertigteile eingesetzt werden können, die rechtzeitig produziert und zum richtigen Zeitpunkt auf die lean-getaktete Baustelle geliefert werden. Dort wollen wir hin.
Mit Sequello haben Porr und Umdasch Group Ventures eine gemeinsame Baulogistik-Plattform entwickelt. Das Ziel ist es, auch den Mitbewerb an Bord zu holen. Interesse?
Krammer: Natürlich. Wir sind für alles offen, was eine sinnvolle Optimierung der Logistik und Beschaffungsprozesse verspricht.
Die Strabag hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie im Geschäftsjahr 2021 eine EBIT-Marge von sechs Prozent erreichen wird. Umsatzsteigerungen konnten im letzten Jahr aufgrund der Rahmenbedingungen viele Unternehmen verzeichnen. Ein starkes Ergebnisplus schon deutlich weniger. Worauf führen Sie das zurück?
Krammer: Wir haben in den Kernmärkten durchschnittlich gute Ergebnisse erzielt. Da gibt es keine Ausreißer nach oben oder nach unten.
Die große Unbekannte beim Ergebnis ist immer die Volatilität bei Großprojekten. Und wenn es da keine großen, negativen Einschläge gibt, dann ergibt sich daraus die aktuelle, erfreuliche Situation. Natürlich ist auch das allgemeine Umfeld wichtig, unseren Kernmärkten wie Deutschland, Österreich, Tschechien oder Polen geht es gut. Auch in Südosteuropa läuft es immer besser.
Also auch ein Stück weit Glück, dass es diese Einschläge nicht gab?
Krammer: Sicher auch. Es liegt aber auch an der Strategie. Wir haben vor einigen Jahren die »Strategie 2022« gelauncht. Da gab es eine ganz klar Zielsetzung, nämlich nicht nur die Themen, über die wir jetzt gesprochen haben – wie BIM, Lean oder alternative Vertragsmodelle – aktiv voranzutreiben, sondern auch das Thema Risikomanagement. Wie können wir Risiken frühzeitig erkennen und managen.
Das greift ja direkt ineinander.
Krammer: Genau so ist es. Alle diese Themen greifen ineinander. Das sind die Handlungsstränge, die wir brauchen, um unsere EBIT-Marge zu heben. Alleine die Themen Materialmangel und Preissteigerungen zeigen, wie wichtig Risikomanagement ist. Wir haben frühzeitig auf Lager eingekauft und haben dort, wo wir Material nicht bekommen haben, aktiv und offen gemeinsam mit den Auftraggebern nach Alternativen und Lösungen gesucht.