Sonntag, Dezember 22, 2024
»Bei BIM sind viel zu viele Emotionen im Spiel«
Stefan Graf, CEO der Unternehmensgruppe Leyrer + Graf, im Interview mit dem Bau & Immobilien Report.

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Stefan Graf, CEO der Unternehmensgruppe Leyrer + Graf, warum die vielen unterschiedlichen Ansätze bei BIM die ganze Branche lähmen, wie lange Materialmangel und Preissteigerungen noch Kopfzerbrechen bereiten werden und welche strategischen Ziele er für das Unternehmen hat.


Report: 2021 hat die Baubranche geboomt wie selten zuvor. Themen wie Materialmangel, Rohstoffknappheit und die damit verbundenen Preissteigerungen haben die Stimmung aber doch deutlich getrübt. Wie ist 2021 für Leyrer + Graf gelaufen?

Stefan Graf: Die finalen Zahlen liegen noch nicht vor, aber die Rohdaten lassen unterm Strich auf ein erfreuliches Jahr schließen. Nicht nur hinsichtlich der Produktionsleistung, auch das Ergebnis wird unter den gegebenen Randbedingungen zufriedenstellend sein.

Report: Wie wird es in Sachen Materialmangel und Preissteigerungen aus Ihrer Sicht in diesem Jahr weitergehen?

Graf: Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Preise noch eine Zeit lang hoch bleiben werden, auch die Lieferzeiten werden lang bleiben. Die Staus auf den Weltmeeren haben sich noch nicht aufgelöst. Damit sich das wieder stabilisiert, muss auch die Pandemie endgültig in den Griff gebracht werden. Daneben sorgen geopolitische Entwicklungen, Stichwort Ukraine oder Gasversorgung, für große Unsicherheiten. Auch Klimathemen wie die EU-Taxonomie oder ESG haben natürlich Auswirkungen. Jedes Element für sich wäre bewältigbar, aber in Summe ist das schon sehr viel und deshalb wird die Situation noch eine Zeit lang angespannt bleiben. 

Report: Wie hat Leyrer + Graf auf diese Entwicklungen reagiert? Ist man nur Passagier oder kann man sich vorbereiten?

Graf: Zum Teil ist man sicher Passagier. Wir sind bis zu einem gewissen Grad von den Lieferanten abhängig. Wenn sie keine Ware haben, bekommen auch wir nichts – übertrieben formuliert. Vor allem, wenn es zum ersten Mal auftritt, kann man nur reagieren. Wir haben aber zum Glück sehr gute Beziehungen zu unseren Lieferanten und deshalb blieben wir von der einen oder anderen Entwicklung verschont. Wir haben die Lagerbestände so weit als möglich aufgestockt und sind unsererseits mit unseren Kunden in Kontakt getreten, um über Termin- oder Materialanpassungen zu verhandeln. Das alles ist aber eine ziemliche Mehrbelastung, finanziell und personell.

Report: Neben dem Materialmangel ist die Branche auch immer noch stark vom Personalmangel betroffen. Das heißt, Effizienzen müssen gesteigert werden. Werden dadurch Themen wie Logistik und Digitalisierung weiter an Bedeutung gewinnen?

Graf: Gute Frage. Effizienzoptimierung liegt in unserer DNA, um eine bestmögliche Leistung anbieten zu können. Deshalb sehe ich da keinen zusätzlichen Anschub. Digitalisierung ist bei uns aber ohnehin ein so zentrales Thema, dass es dafür keine Zusatzmotivation braucht. Der Fachkräftemangel wird sicher noch zunehmen, deshalb wird es verstärkt in Richtung Automatisierung gehen müssen, um die Produktivität zu erhalten und den aktuellen Wohlstand zu wahren. 

Report: Dennoch behaupten Studien, dass nur 30 % bis 50 % der Tätigkeit auf Baustellen wertschöpfend sind?

Graf: Das muss man relativ sehen. Im Vergleich zu einer Produktionshalle mit Fließband, wo vieles automatisiert abläuft, schneiden wir als Branche sicher schlechter ab. Bauen ist aber keine Fließbandarbeit. Aber wenn es um die kontinuierliche Verbesserung der Bauabläufe geht, hat die Branche viele Instrumente und Methoden entwickelt, um die Effizienz zu verbessern. Da müssen wir uns nicht verstecken. 

Report: In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial, um die Effizienz zu steigern?

Graf: Da gibt es noch viele Themen, doch ich denke hier an Lean Construction oder BIM sowie das ganze Feld der Digitalisierung von Prozessen, Workflows und Schnittstellen, um den Informationsfluss gezielt zu verbessern.



»Von Auftraggeberseite ist das Interesse noch sehr verhalten, aber intern setzen wir BIM verstärkt ein, speziell im Hochbau«, erklärt Leyrer + Graf-CEO Stefan Graf.

Report: Sie haben vor mittlerweile dreieinhalb Jahren mit der Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha gemeinsam mit der Asfinag ein BIM-Pilotprojekt gestartet. Nach Projektende zeigten sich alle mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Inwiefern haben die Erfahrung aus diesem Projekt Einzug in den Alltag gehalten. Welchen Stellenwert hat BIM heute bei Leyrer + Graf?

Graf: Wir konnten bei diesem Projekt sehr viele theoretische Ansätze, die wir schon davor hatten, in der Praxis testen. Auch dank dieser Erkenntnisse konnten wir unsere BIM-Strategie deutlich ausbauen und auf alle Geschäftsfelder ausweiten. Jetzt gehen wir die nächsten Schritte in der Verknüpfung von Informationen und dem Einsatz von BIM-Werkzeugen. Das Pilotprojekt hat uns sehr gut gezeigt, was schon funktioniert und wo es noch Lücken gibt. 

Report: Welche Rolle spielt BIM in der Praxis?

Graf: Von Auftraggeberseite ist das Interesse noch sehr verhalten, aber intern setzen wir BIM verstärkt ein, speziell im Hochbau. Wenn man BIM richtig einsetzt, kann man es auch gut für den eigenen Bereich verwenden. Mit einem BIM-Modell können wir unsere Abläufe deutlich verbessern. Besonders interessant wird es, wenn wir die BIM-Daten mit der Kalkulations- und Projektsteuerungssoftware verknüpfen. Dann wird es ein großes Ganzes.

Report: Für diese Kommunikation, auch extern, braucht es Standards und passende Schnittstellen. Sehen Sie diese gemeinsame Sprache oder herrscht nach wie vor ein babylonisches Sprachgewirr?

Graf: Jedes Unternehmen hat seine eigene Lösung und das ist gut so. Aber in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Projektbeteiligten herrscht immer noch ein ziemliches Sprachgewirr, auch wenn es da viele Anstrengungen gibt, das zu ändern. 

Report: Wie zielführend sind diese Anstrengungen? Manchmal hat man ja auch den Eindruck, dass es einerseits viele Parallelentwicklungen gibt und andererseits auch viel Porzellan zerbrochen wurde.

Graf: Aus meiner Sicht sind viel zu viele Emotionen im Spiel. Das ist enorm schade, weil es die gesamte Branche lähmt. Ich bin neutral, was die einzelnen Ansätze anbelangt. Was wir brauchen, ist eine gute, gemeinsame Lösung. Aber es gibt zwischen den einzelnen Initiativen viel zu wenig Austausch. Da geht es leider auch viel um persönliche Befindlichkeiten.

Mit der sogenannten Plattform 4.0 gab es bereits vor Jahren schon Ansätze, die unterschiedlichen Strömungen unter einen Hut zu bringen. Das ist bis dato leider nicht geglückt.  Seitens der Politik fehlt auch ein klarer Auftrag. BIM steht gerade einmal mit einem Nebensatz im Regierungsprogramm. Wir brauchen auf jeden Fall einen gemeinsame Standard, damit dieser Informationsaustausch auf der Baustelle funktioniert. Dieses Ziel haben wir alle. 

Report: Braucht es dafür die Politik?

Graf: Ja, im Sinne einer Leitlinie. Denn wenn wir uns gemeinsame Standards wünschen, dann kommt beispielsweise das Wirtschaftsministerium ins Spiel, das ja über entsprechende Möglichkeiten verfügt. Deshalb braucht aus meiner Sicht den klaren Auftrag aus der Politik hier die Kräfte zu bündeln. Die Branche reibt sich auf, das finde ich sehr schade.

Report: Welche kurz-, mittel- und langfristigen strategischen Ziele verfolgen Sie? Wo soll es für Leyrer + Graf hingehen? Ist Wachstum das oberste Ziel?

Graf: Wachstum ist eine Folge von Zielerreichungen und darf nicht das Ziel selbst sein. Es war auch nie mein erklärtes Ziel, die Nummer eins in Niederösterreich zu werden, sondern ein Unternehmen gut zu gestalten und zu entwickeln. Dann hat man zufriedene Kunden und das Wachstum kommt nahezu ganz von alleine. Unser erklärtes Ziel ist eine gesunde Entwicklung. Wir haben keine Expansionspläne, aber wenn es ein passendes Unternehmen geben sollte, sagen wir auch nicht nein. Wir sind in den letzten Jahren durchschnittlich um zehn Prozent gewachsen. Das ist eine tolle Leistung aller Mitarbeiter.  

Report: Was erwarten Sie von 2022? Für die Branche aber auch speziell für Leyrer + Graf? 

Graf: Die Branche wird weiter wachsen, auch wenn das Wachstum durch Lieferprobleme und Sparzwänge etwas gedämpft sein wird. Aufgrund der extrem hohen Baukonjunktur werden sich die Auswirkungen dieser Dämpfung aber in Grenzen halten. Wir haben uns für 2022 gut vorbereitet, um auf die aktuellen Marktanforderungen bestmöglich reagieren zu können. 

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