Sonntag, November 24, 2024
Kräftiges Lebenszeichen

Nach der ordentlichen Delle im Jahr 2020 bewegen sich die österreichischen Immobilieninvestments wieder in Richtung Vorkrisenniveau. An das Rekord- und Ausnahmejahr 2019 kann der Markt zwar noch nicht anschließen, 2018 wurde aber bereits deutlich übertroffen. Besonders stark nachgefragt wurden die Assetklassen Wohnen und Büro.

Gegenüber dem absoluten Rekordjahr 2019 war der Absturz 2020 brutal. Von fast 6 Milliarden Euro brachen die Immobilieninvestitionen laut EHL auf 3,5 Milliarden Euro ein. Die Spezialisten von CBRE sahen sogar einen Rückgang auf 3,3 Milliarden. Grund zur Panik bestand laut beiden Analysten aber schon damals nicht. Schließlich war 2019 mit einem Plus von fast 50 Prozent ein absoluter Ausreißer nach oben. Dafür verantwortlich war vor allem ein starker Anstieg bei Großtransaktionen mit mehr als 100 Millionen Euro Volumen. 

2021 hat der Immobilieninvestmentmarkt noch einmal kräftig zugelegt. Laut CBRE wurden Immobilien im Wert von 4,2 Milliarden Euro gehandelt, bei EHL geht man sogar von 4,55 Milliarden aus. Das entspricht einem Plus von 30 Prozent (siehe Tabelle). »Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase und der weiterhin vergleichsweise unattraktiven Alternativanlagen haben viele Investoren ihr Immobilienengagement wieder hochgefahren und trotz der widrigen allgemeinen Rahmenbedingungen kräftig investiert«, erklärt Franz Pöltl, Geschäftsführender Gesellschafter der EHL. Ganz oben auf der Einkaufsliste der Investoren standen 2021 wieder die Segmente Wohnen (ca. 35 %) und Büro (ca. 24 %), gefolgt von Einzelhandel (ca. 17 %) und Logistik (ca. 11 %). 



Die Tabelle zeigt die rasante Entwicklung der Immobilieninvestitionen in den letzten Jahren. Von 2009 bis 2019 gab es einen Anstieg um sagenhafte 376 Prozent.

Laut CBRE hätte 2021 trotz des guten Gesamtergebnisses sogar noch besser laufen können. »Es wäre noch Luft nach oben gewesen, wenn es mehr passende Produkte – besonders in den Bereichen Core-Büro und Logistik – am österreichischen Markt gäbe«, analysiert Georg Fichtinger, Head of Investment Properties beim Marktführer CBRE. In beiden Assetklassen sei das Angebot zu gering, um die Nachfrage bedienen zu können. Das werde sich auch 2022 nicht ändern.

Obwohl die Renditen in allen Assetklassen nachgeben und die Preise weiter steigen, sind Nachfrage und Interesse ungebrochen, darin sind sich EHL und CBRE einig. »Der hohe Veranlagungsdruck in Kombination mit dem niedrigen Zinsniveau und oftmals fehlenden Alternativanlagen treibt weiter Kapital in den Immobilieninvestmentmarkt. Wir erwarten einen sehr aktiven Start in das erste Quartal 2022, das von weiterem Druck auf die Renditen gekennzeichnet sein wird«, so Pöltl.


Blick nach Europa

Auch die europäischen Immobilienmärkte könnten sich laut Einschätzung von CBRE trotz Restriktionen und Einschränkungen im abgelaufenen Jahr heuer wieder in Richtung des vorpandemischen Niveaus bewegen. CBRE geht davon aus, dass das BIP im Euroraum aufgrund des Nachholbedarfs bei Verbraucherausgaben um 4,7 Prozent wachsen wird. Die Inflation dürfte laut CBRE in der ersten Jahreshälfte 2022 auf einem hohen Niveau bleiben, bevor sie in der zweiten Jahreshälfte auf 2 Prozent zurückgeht. Außerdem wird erwartet, dass die langfristigen Zinssätze gegenüber dem sehr niedrigen Niveau auf dem Höhepunkt der Pandemie leicht ansteigen werden.

In Summe sollten die Rahmenbedingungen für den Immobilienmarkt 2022 aber günstig sein. CBRE prognostiziert, dass die Gesamtinvestitionen in europäische Gewerbeimmobilien im Jahr 2022 um bis zu fünf Prozent steigen werden, was eine Rückkehr zum Niveau vor der Pandemie bedeuten würde. Es wird erwartet, dass die Nachfrage nach Wohn- und Logistikimmobilien besonders stark bleiben wird, wobei die steigende Nachfrage der Nutzer und der begrenzte Bestand an erstklassigen Immobilien auch die Nachfrage der Investoren nach Büroimmobilien anheizen wird.

Die EU-Taxonomie wird dazu führen, dass vor allem in nachhaltige Vermögenswerte investiert werden wird. Immobilien mit entsprechendem Fokus und Zertifizierung sollten als Investitionsziele die Nase vorn haben.


Wie wird sich die Immobilienbranche in Österreich 2022 entwickeln?

Prominente Branchenvertreter im O-Ton:

»Deutliche Erholung in allen Nutzungsarten und Regionen«
Bruno Ettenauer, Vorstand S Immo AG



»Ich denke 2022 wird vor allem im Zeichen der Aufarbeitung der Pandemie stehen – und zwar auf drei Ebenen: politisch, wirtschaftlich und sozial. Gleichzeitig – und das betrifft insbesondere die Wirtschaft – wird es um die spannende Frage gehen, wie sich Zinsen und Inflation entwickeln. Aber auch wenn uns die Pandemie aktuell noch immer beschäftigt, schaue ich zuversichtlich und voller Optimismus auf die kommenden Monate – das gilt für Österreich genauso wie für alle anderen Märkte, in denen wir tätig sind. Unser Portfolio hat sich als sehr krisenfest erwiesen, wir sind weiterhin auf Wachstumskurs und gehen davon aus, dass die nächsten Monate eine deutliche Erholung in allen Nutzungs­arten und Regionen bringen werden.«


»Wohnungen wurden zu Büros, Büros werden zu Wohnungen«
Thomas G. Winkler, CEO UBM Development



»Corona ist gekommen, um zu bleiben – so wie eine höhere Inflation und steigende Zinsen. Keine guten Nachrichten für Immobilien, aber auch kein Grund für Pessimismus. Die letzten zwei Jahre haben zu einer enormen Angebotslücke geführt, deren Auswirkungen noch nicht abschätzbar sind. Es gibt noch immer viel zu wenig Wohnungen in attraktiven Städten. Es gibt auch zu wenig Büroraum, der den neuen Anforderungen gerecht wird. Nachdem die Wohnung in der Pandemie zum Büro geworden ist, wird nun das Büro zur neuen Wohnung. Nachhaltig, vernetzt und intelligent muss es sowieso sein. Wer diese hohen Anforderungen nicht erfüllt, wird auf seinen Büros bei der Wiedervermietung sitzen bleiben oder sie erst gar nicht verkaufen. Das alles ist nicht spezifisch für Österreich, trifft uns aber auch hier mit voller Wucht.«



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