Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Knauf-Geschäftsführerin Ingrid Janker über das fünfzigjährige Jubiläum des Produktionsstandorts Weißenbach, Preissteigerungen und Lieferengpässe. Außerdem erklärt sie, wie Knauf aus bestehenden Produkten neue, intelligente Systeme macht.
Report: Das Werk in Weißenbach feiert fünfzigjähriges Jubiläum. Was waren aus Ihrer Sicht die Meilensteine in diesem halben Jahrhundert und welchen Stellenwert hat das Werk innerhalb der gesamten Knauf-Gruppe?
Ingrid Janker: Das Werk Weißenbach kann auf viele tolle Momente in diesen 50 Jahren zurückblicken. Gegründet wurde es als Einzelstandort mit einer Plattenanlage, Ende der 80er-Jahre kam eine Profilanlage hinzu. Das ist bis heute die einzige Profilanlage in Österreich. In den frühen 2000er-Jahren kam eine Putz-und Spachtelmassenanlage hinzu. Das zeigt schon, wie wichtig das Werk auf Produktionsseite ist.
Weißenbach ist aber viel mehr als ein Produktionsstandort. Seit den 80er-Jahren hat man von Weißenbach aus den Osten erobert. Weißenbach war über 20 Jahre lang das Stammhaus vieler Kolleginnen und Kollegen aus dem ehemaligen Osten. Die Vertriebstätigkeiten bis Armenien und Georgien wurden von Weißenbach aus geleitet. Natürlich waren im Umkehrschluss auch immer Kolleginnen und Kollegen aus diesen Ländern in Weißenbach.
Diese Internationalität hat den Standort und die Unternehmenskultur extrem positiv geprägt. Es floss auch viel Know-how aus Weißenbach in den Aufbau der neuen Standorte.
Report: Weißenbach fungiert also als eine Art Know-how-Hub in den Osten. Das wird sich auch im Stellenwert innerhalb der Gruppe niederschlagen, oder?
Janker: Bis vor wenigen Jahren war Weißenbach dieser Hub. Mittlerweile sind die Länder aber selbstständig. Seit 2018 gehört Knauf Österreich auch nicht mehr dieser Region an, sondern ist Teil Zentraleuropas. Das ist die DACH-Region mit Slowenien. Aber auch hier ist der Stellenwert sehr hoch, weil wir das einzige Werk außerhalb Deutschlands sind.
Report: Was waren die größten Herausforderungen bei dieser »Osterweiterung«?
Janker: Die größte Herausforderung war, die richtige Persönlichkeit für den jeweiligen Markt zu finden. Wir haben heute viele Geschäftsführer in diesen Ländern, die seit den 90er-Jahren bei Knauf sind und schon Teil dieser Expansion waren. Diese personelle Konstanz kann man gar nicht hoch genug einschätzen.
Report: Wie ist Knauf Österreich bislang durch die Krise gekommen? Wie wirken sich Corona, Preissteigerungen und Lieferengpässe auf Knauf bzw. die Knauf-Kunden aus?
Janker: Im März 2020 hat keiner von uns erwartet, mit einem blauen Auge davon zu kommen. Tatsächlich ist am Ende des Jahres sogar ein kleines Plus gestanden. Aber schon Ende des letzten Jahres haben auch wir die Lieferengpässe zu spüren bekommen. Das erste Halbjahr 2021 war davon geprägt, genügend Stahl zu bekommen.
Es ist uns zwar gelungen, die Lieferfähigkeit aufrecht zu erhalten, aber auch wir konnten uns den Preissteigerungen des Vormarktes nicht entziehen. Gerade beim Stahl musste man nehmen, was man bekommen konnte. Mittlerweile gilt das für fast jeden Rohstoff mit dem wir arbeiten. Das wird uns auch in Zukunft stark beschäftigen.
Report: War die Lieferfähigkeit zu jeder Zeit gewährleistet?
Janker: Wir hatten vielleicht mal kleinere Schwankungen von einer Woche, aber wir waren immer lieferfähig, weil wir rechtzeitig reagiert haben und deshalb gut gegensteuern konnten.
Report: Können Sie die Preissteigerungen an die Kunden weitergeben? Gibt es Verständnis dafür?
Janker: Die Anpassungen werden kommen müssen, weil wir die Preissteigerungen nicht mehr durch Effizienzen kompensieren können. Wir haben in den letzten Jahren viele Effizienzen gehoben und an den Markt weitergegeben. Aber diese Effizienzen gibt es nicht mehr. Der Markt zeigt nur bedingtes Verständnis, weil es immer schwierig ist, kurzfristige Preissteigerungen beim Endkunden unterzubringen. Wir haben aber auch nicht diese extremen Volatilitäten wie in anderen Bereichen.
Report: Wie sehr ist Knauf vom Fachkräftemangel betroffen?
Janker: Wir sind wie alle anderen auch vom Fachkräftemangel betroffen und haben entsprechende Schritte gesetzt. Wir haben etwa die Anzahl der Lehrstellen verdoppelt, fördern bei Industriekaufleuten die Lehre mit Matura und forcieren die betriebliche Weiterbildung. Dennoch ist es immer wieder überraschend für mich, dass wir wirklich gute und spannende Positionen nicht besetzen können, etwa einen Elektroingenieur, der auch international tätig ist.
Report: Digitalisierung und Automatisierung beschäftigen die Branche sehr stark. Mit welchen Auswirkungen auf Knauf und das Werk in Weißenbach? Wie haben sich Produktion, Logistik und Vertrieb in den letzten Jahren verändert?
Janker: Digitalisierung und Automatisierung sind ganz wesentliche Mittel zur Effizienzsteigerung und unterstützen uns dabei, nachhaltig zu wirtschaften. Allerdings muss man diese neuen Möglichkeiten intelligent einsetzen, von neuen Warehouse-Lösungen bis zu Alltagsthemen des Vertriebs. Es ist ein Thema, das uns laufend beschäftigt und auch besser macht.
So bieten wir heute etwa eine App, mit der wir Bauleitern einen 24-Stunden-Zugang zu unseren Produkten ermöglichen. Man kann Kräne reservieren, Warenbestellungen machen und Dokumente abrufen. Das wird von einer bestimmten Zielgruppe sehr gut angenommen, weil die Technologie auch Teil des privaten Alltags ist. Durch die bessere Datenqualität wird der Aufwand auf beiden Seiten deutlich reduziert. Um die Handhabung der Knauf App zu erleichtern, haben wir auch ein eigenes Erklärvideo erstellt, das auf unserem YouTube-Channel zu finden ist.
Report: Knauf hat seit einiger Zeit BIM-fähige Lösungen im Angebot. Ist die Nachfrage gestiegen?
Janker: Österreich ist definitiv kein Vorreiter bei BIM, aber ich bin überzeugt, dass das Thema auch bei uns an Fahrt aufnimmt. Wir sind aktuell auch dabei unsere BIM-Plug-In-Lösung zu erneuern und werden damit im zweiten Quartal 2022 in Österreich auf den Markt gehen.
Report: An welchen Produkten, Lösungen, Innovationen wird derzeit sonst noch gearbeitet?
Janker: Wir beschäftigen uns seit einigen Jahren sehr intensiv mit visuell ansprechenden Akustiklösungen. Das verfolgen wir intensiv weiter.
Einen weiteren Fokus legen wir darauf, aus existierenden Einzelprodukten intelligente, neue Systemlösungen mit Zusatznutzen zu entwickeln. Da ist uns in den letzten Jahren mit der schlanken Wohnungstrennwand wirklich Großes gelungen. Diese Wohnungstrennwand ist um 5 cm dünner als eine herkömmliche Wand. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße gewinnt man da schnell ein bis zwei Quadratmeter.
Das ist auch eine Frage der Nachhaltigkeit. Neue Produkte und neue Systeme bedeuten viel Aufwand und Ressourcenverbrauch. Ich glaube, dass es der Markt honoriert, wenn man ein bisschen Lego spielen kann und existierende, intelligente Produkte neu zusammenfügt und neue Lösungen findet.
Report: Mit welchen Erwartungen geht man in das Jahr 2022?
Janker: Das neue Jahr sehe ich marktseitig weiter positiv. Ich glaube aber, dass uns die Herausforderungen von 2021, wie enorme Preissteigerungen bei Vormaterialien, lange Lieferzeiten und Schwierigkeiten in der Beschaffungslogistik, weiter begleiten werden.
Das Werk Weißenbach
Am 1. Mai 1970 erfolgte die Firmengründung von Knauf Österreich in Weißenbach bei Liezen. Die Inbetriebnahme der Bandstraße erfolgte am 16. Mai 1972 und wurde im 1-Schicht-Betrieb gefahren. Von 1972 bis 1990 wurde die Anlage mehrmals aufgestockt und 1991 erfolgte eine Erweiterung.
Die Profilanlage, zur Erzeugung verschiedener Profiltypen, wurde in einem eigenen Gebäude installiert und 1989 in Betrieb genommen. In diesem Jahr entstand auch ein eigenes Büro- und Schulungsgebäude. Ein Jahr später wurde eine Recyclinganlage errichtet. Im Jahr 2008 wurde der Betrieb der neuen Spachtelmassenanlage gestartet.