Trotz kurzfristig verschärfter Corona-Maßnahmen stellte sich das diesjährige Kolloquium „Forschung & Entwicklung für Zement und Beton“ der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, VÖZ, als Erfolg heraus: Mehr als 175 Teilnehmer*innen diskutierten vergangenen Mittwoch über das Thema Nachhaltigkeit von Zement und Beton sowie über den Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft.
Seit über 30 Jahren organsiert die VÖZ diese Expertenveranstaltung, die jeweils hochkarätig besetzt auch international für großes Interesse sorgt.
Für Sebastian Spaun, Geschäftsführer VÖZ, ein klares Signal, dass die Themen Ressourcen- und Energieeffizienz, das Zurückdrängen fossiler Energieträger, erneuerbare Energieversorgung und nachhaltige Baukonzepte ein gemeinsames Anliegen sind:
„Die Weichen für den Klimaschutz müssen jetzt gestellt werden, ich freue mich sehr, dass es in unserer Branche eine dermaßen intensive Innovationskraft gibt – die Projekte, die ganz im Sinne einer lebenszyklusorientierten Nachhaltigkeit bis zur Kreislauffähigkeit realisiert werden, sind beeindruckend.“
Konrad Bergmeister, Boku Wien, Institut für konstruktiven Ingenieurbau, eröffnete das Kolloquium mit einem Blick in den Untergrund – denn der Tiefbau punktet mit klugen Ideen in puncto Nachhaltigkeit, mit kreislauffähiger, ressourceneffizienter und klimaverträglicher Baukultur:
„Rund 80 Prozent aller mineralischen Baurestmassen werden in Österreich aufbereitet und wiederverwertet. Das Ausbruchmaterial bei Tunnelvorhaben, rund 4,3 Millionen Tonnen jährlich, kann und muss ebenso verwertet werden.“
Bergmeister betonte zudem, dass ein österreichisches Zertifikat zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Tiefbauprojekten sinnvoll wäre, bei dem die tatsächlichen Umweltauswirkungen wie auch die Nutzungsdauer berücksichtigt werden.
Denn, so Bergmeister, die EU will, dass 70 Prozent des Tunnelabbruchs wiederverwendet wird.
CO2 – der Rohstoff der Zukunft
Erfolgsversprechend sind Technologien, mit denen CO2 abgeschieden und weiterverarbeitet werden kann. „Carbon-to Product ist das Stichwort der Zukunft und ein wichtiger Schwerpunkt unserer Roadmap. Zentral sind dabei die Möglichkeiten, was man aus CO2 erzeugen kann“, erläutert Spaun. Beim Pilotprojekt „Carbon2Product Austria“ wird CO2 aus der Zementherstellung abgeschieden und zum wertvollen Rohstoff für neue Produkte.
Felix Papsch, Klima- und Umweltexperte in der VÖZ, erläuterte Details zur CO2-Roadmap, einem Fahrplan, der das CO2-Emissionen-Reduktionspotenzial in jeder Phase der Wertschöpfungskette (5 C) – Klinker, Zement, Beton, Bauwesen und (Wieder-)Karbonatisierung – beschreibt.
Reinhold Lang, JKU Linz, Institute of Polymeric Materials and Testing, lotete in seinem Vortrag die Potenziale von CO2 als Rohstoff weiter aus: „Klimakrise und Kreislaufwirtschaft müssen als verschränkte Themen und Politikfelder verstanden werden.
Ein neues, zirkulares Carbon-Management könnte Österreich und Europa zu einem weltweiten Vorreiter machen und damit auch künftig als führenden Industriestandort für hochwertige, ressourcenschonende und CO2-emissionsarme Produktion etablieren. Der Zement- und Kunststoffindustrie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.“
Potenziale in Forschung und Praxis
Zum Thema Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft präsentierte Franz Denk von Wopfinger Transportbeton neueste Erkenntnisse: „Mineralische Baurestmassen sind wertvolle Rohstoffe für neue Recyclingbetone und vermeiden unnötige Deponierungen.“
Am Beispiel von Wien erläuterte er das Potenzial der kommenden Jahre: „Jährlich werden rund 4,5 Millionen Tonnen Baumaterial benötigt – rund 1,7 Millionen Tonnen werden abgebrochen.“ Denk plädierte dafür, dass öffentliche Auftraggeber Recycling viel stärker bei Ausschreibungen einfordern – wie bereits in der Schweiz üblich.
Für die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks des Zements werden künftig neue Zumahlstoffe eine zentrale Rolle spielen sowie neue und klimafitte Zementsorten gebraucht, wie VÖZ-Expertin Cornelia Bauer – kürzlich ausgezeichnet mit dem ACR Woman Award – und VÖZ-Forschungsleiter Rupert Friedle in ihren Ausführungen zeigten.
Die Steuerung der Qualität des Zements mit der bestverfügbaren Technologie am Standort Wietersdorf war Thema von Peter Ramskogler und Christine Gröll von w&p. Durch die automatische Probenahme werden rund 1.140 Proben wöchentlich analysiert. Die Qualitätssicherung erledigt ein Roboter – oder genauer, das industrieroboterbasierte Laborsystem „Polab“.
Die Daten werden gespeichert und zur Steuerung der Prozesse eingesetzt.
Das Ziel ist klar: Umso mehr intelligente Systeme genützt werden, umso besser und kontinuierlicher die Qualität. Beeindruckend ist auch der virtuelle Rundgang durch das Zementwerk, bei dem man auch Polab kennenlernen kann: https://zement.wup.at/360/.
Die beiden Vorträge zu nachhaltigen Betonstraßen von Martin Peyerl und zu thermischer Bauteilaktivierung von Michael Moltinger rundeten die Veranstaltung ab.
Die Kurzfassungen der Vorträge können Sie in den kommenden Tagen unter www.zement.at/Kolloquium nachlesen.