Weg vom Handwerk hin zur Industrialisierung: Die nächsten Jahre werden Technologien wie BIM, KI, 3D-Druck, Internet of Things, Drohnen, Cloud, Virtual und Augmented Reality, digitaler Zwilling und Blockchain die Baubranche prägen.
Gleich vorab etwas Positives: Laut KMU Forschung Austria schneiden österreichische Bauunternehmen bei der Digitalisierung tendenziell etwas besser ab als der europäische Durchschnitt. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Digitalisierungsprojekte zögerlich umgesetzt werden.
In einer deutschen Umfrage geben 100 Prozent der Baustoffunternehmen an, digitale Potenziale nicht ausreichend auszuschöpfen, weniger als sechs Prozent der Bauunternehmen nutzen digitale Planungstools vollständig.
»Wir haben 40.000 Bauunternehmen in Österreich. Wenn ich frage, wer weiß was BIM ist, Roboter am Bau nutzt und 3D-Druck, Erfahrung mit Augmented Reality bzw. schon einmal eine Drohne zur Vermessung verwendet hat, landen wir bei weniger als einem Prozent«, bedauert Steffen Robbi, Geschäftsführer von Digital Findet Stadt.
Vor allem kleinere Bauunternehmen sind hinsichtlich Digitalisierung zögerlich, da sie auf etablierte marktfähige Lösungen angewiesen sind. Aber selbst große Unternehmen stehen laut Robbi erst am Anfang der digitalen Zukunft.
Umfragen zufolge wollen sich die Betriebe aber doch zunehmend der Digitalisierung öffnen. 82 Prozent der KMU erwägen neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, bei Großunternehmen beträgt der Anteil sogar 96 Prozent.
Es sind Change-Prozesse im Unternehmen erforderlich; Barrieren bilden wechselnde Planungspartner, fehlendes System-Know-how bei 3D, fehlende einheitliche Ausbildung wie auch unterschiedliche BIM-Plattformen und fehlende Normungen.
Digital Findet Stadt sieht sich als Erstberater, bietet Vernetzung und Wissensaustausch, im Oktober wurde das einjährige Jubiläum gefeiert.
»Wir arbeiten mit co-kreativen Prozessen und organisieren verschiedene Eventformate für den gezielten Austausch. Unser Angebot wird sehr gut angenommen«, verweist Robbi auf 14 eigene Veranstaltungen im ersten Jahr mit 800 Teilnehmer*innen aus Politik, Stadtplanung, Planung und Bau.
Es zeigte sich bisher, dass eher größere Bauunternehmer daran interessiert sind, insbesondere hier will Digital Findet Stadt langfristig gegensteuern. Betreut wurden zudem 45 Forschungsprojekte. Der Fokus lag auf Themen wie Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung, Nachhaltige Energiesysteme, 3D-Druck und Simulationen. Nächstes Jahr wird die Schulung im Vordergrund stehen.
Umfassend betrachten
Digitalisierung erfordert Perspektiven aus Planung, Bauen und Betreiben. Diese Durchgängigkeit der Prozesse muss laut Steffen Robbi das Ziel sein. Oft werde unter Digitalisierung nur die Überführung traditioneller Prozesse in digitale verstanden.
Umfassende Digitalisierung bedeutet auch die Anwendung von BIM und dem digitalen Gebäudezwilling, Künstlicher Intelligenz, Virtual und Augmented Reality.
KI versetzt Maschinen in die Lage, Muster in Datenbeständen zu erkennen und eigenständig Lösungen für Probleme zu finden oder einen Maschinenausfall frühzeitig vorhersagen. KI bildet einen Schwerpunkt bei Digital Findet Stadt.
»Sie bietet sich dort an, wo viele Daten vorhanden sind wie z.B. bei Mikroklimaanalysen und CO2-Emissionsprognosen«, betont Robbi. Teure und aufwendige Analysen können rasch und mit wenig Aufwand erstellt werden. Im Bau finde man KI immer mehr in der Vermessung wie dem Drohnen- und Laserscanning.
AR-Technologie ermöglicht, vollständige BIM-Modelle auf der Baustelle in Echtzeit zu betrachten. Mittels Virtual Reality kann eine Baustelle besichtigt werden, ohne das eigene Büro zu verlassen. Machine-to-Machine steht für den Informationsaustausch zwischen zwei oder mehreren Maschinen, wodurch Wartungsbedarf verringert wird, Ausfälle vermieden und dadurch Kosten reduziert werden.
»Auch hier brauche ich die entsprechende Sensorik und Vernetzung, es gibt bereits viele Lösungen, die aber ähnlich wie KI bisher wenig angewendet werden«, bedauert Robbi.
Für alle Technologien braucht es laut Kevin Bauer von Siemens BIM und Cloud als Enabler. »Die Daten müssen in der Cloud liegen, dann kann ich darauf zurückgreifen. Solange die Enabler nicht gut ausgebaut sind, muss ich händisch eingreifen. Da Fachkräfte immer teurer werden, wird der Druck auf Machine-to-Machine immer höher«, prognostiziert er.
Siemens bietet digitale Technologien für den intelligenten Baustellenbetrieb. Dazu gehören Lösungen für den Baubetrieb wie Energiemanagement, technisches Facilitymanagement, Space Analytics, Workplace Experience.
Digitalisierung für Nachhaltigkeit am Bau
Konsequent genutzt, lassen sich mit den Möglichkeiten der Digitalisierung nahezu alle Ansprüche an nachhaltige, energieeffiziente, sichere und komfortable Gebäude erfüllen. BIM ist Fundament einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft.
Die Bausoftware White ReCapture von White Arkitekter analysiert Gebäude im Bestand mittels 3D-Laserscanning, um wiederverwertbare Materialien für die Neuproduktion sowie bei Retrofit- oder Erweiterungsprojekten zu identifizieren und ist damit eine Lösung für mehr Kreislaufwirtschaft in der Architektur.
»Wir brauchen den digitalen Zwilling, um Entscheidungen für Materialien zu treffen«, betont Wolfgang Kradischnig, Sprecher der IG Lebenszyklus Bau. Denn ein niedriger Energieverbrauch, Ressourceneffizienz, etwaige Umnutzung und die Wiederverwertbarkeit verbauter Materialen setzen voraus, dass der vollständige Lebenszyklus des Gebäudes durchdacht ist.
»Aktuell sind wenige Bestandsobjekte digital erfasst, da die Digitalisierung mit Kosten verbunden ist, denen kurzfristig gesehen kein Nutzen gegenübersteht«, bedauert er.
Nichtsdestotrotz arbeiten Unternehmen und Forscher*innen aber daran, die Digitalisierung weiter voranzutreiben.
Hier stellen wir Ihnen zwei zukunftsweisende Projekte vor.
Projekt IMREA
Die FH St. Pölten und die FH Kufstein entwickeln derzeit gemeinsam mit DataScience im Projekt IMREA (Intelligent Multimodal Real Estate Analysis) multimodale maschinelle Lernverfahren, die automatisiert immobilienbezogene Eigenschaften wie die Gebäudegröße oder den Sanierungszustand abschätzen können.
»Unsere Methoden verarbeiten multimodale Datenquellen wie Vertragstexte, Makler Exposés, Satellitenbilder sowie Innen- und Außenaufnahmen«, informiert Priv.-Doz. Matthias Zeppelzauer, Leiter der Media Computing Research Group an der FH St. Pölten.
»Diese Informationen verschmelzen wir in einem kombinierten maschinellen Lernansatz, mit dem auch Korrelationen zwischen Bild und Text ausgenutzt werden können.«
Besondere Herausforderungen sind Lücken – sprich fehlende Daten – bei den Immobiliendaten, mit denen die Lernverfahren umgehen müssen.
Derzeitiger Fokus liegt auf der Informationsgewinnung aus Bildern. »Wir analysieren Innen- und Außenaufnahmen von Immobilien und versuchen daraus Gebäudeinformation zu extrahieren.«
IMREA läuft bis 31. Jänner 2024, finanziert im Rahmen des Programms Bridge der FFG.
Projekt »6D BIM Terminal«
Im Rahmen des IBO-Projekts »6D BIM Terminal« wurde ein Open-Source-Tool entwickelt, das die BIM-Planung erleichtern und eine durchgehende planungsbegleitende Lebenszyklusanalyse mit BIM unterstützen soll.
Dieser BIM-Terminal wertet die in IFC4-Dateien enthaltenen Geometrie- und alphanumerischen Daten aus und verknüpft sie mit Daten, die für Gebäudeökobilanzen und Ausschreibungen von Bauleistungen notwendig sind.