Das vor rund 15 Jahren weitgehend aus Deutschland übernommene Sicherstellungsrecht des Werkunternehmers (§ 1170b ABGB), von welchem in den ersten Jahren nach Einführung nur sehr zaghaft Gebrauch gemacht wurde, gerät zunehmend in den Fokus der österreichischen Gerichte.
Auch aus anwaltlicher Sicht ist zu beobachten, dass sich immer mehr Auseinandersetzungen auf Baustellen um diese Bestimmung drehen. Allein im letzten halben Jahr hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mehrfach mit der Bestimmung auseinandergesetzt und einige rechtliche Vorgaben gemacht.
A. Überblick: Das Sicherstellungsrecht
Nach § 1170b ABGB kann der Werkunternehmer (Bauunternehmer oder Subunternehmer) vom Werkbesteller (Bauherrn oder Auftraggeber des Subunternehmers) ab Vertragsschluss für noch ausstehende Zahlungen eine Sicherstellung bis zu 20 Prozent des vereinbarten Werklohns (bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, sogar bis 40 Prozent) verlangen. Laut dem Gesetzgeber sollten dadurch in Anlehnung an die vergleichbare »Bauhandwerkersicherung« in Deutschland gesetzliche »Vorkehrungen zur Verminderung der Insolvenzrisiken im Bau- und im Baunebengewerbe« geschaffen werden. Das Gesetz sieht damit eine zwingende, vertraglich nicht ausschließbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers vor.
Kommt der Bauherr oder Auftraggeber dem Verlangen des Bauunternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht nach, kann der Bauunternehmer seine Leistung verweigern (die Bauleistung einstellen) und unter Setzung einer Nachfrist die Vertragsaufhebung des Bauvertrages erklären. Der Werklohn ist zu bezahlen, obwohl das Bauwerk unter Umständen noch gar nicht vollendet ist oder Mängel aufweist. Der Bauunternehmer muss vom Werklohn (nur) in Abzug bringen, was er sich infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart hat. Das ist der fiktive Eigenaufwand für die Fertigstellung oder – falls die Übergabe schon erfolgt ist – der fiktive Eigenaufwand für die Mängelbehebung.
B. Neue Klarstellungen durch den OGH
Der relativ knappe Gesetzestext lässt natürlich relativ viel Raum für strittige Detailfragen. Drei davon wurden – was aus Sicht der Baupraxis natürlich zu begrüßen ist – zuletzt durch den Obersten Gerichtshof beantwortet:
1. In welcher Form sind Bankgarantien als Sicherstellung zulässig?
Als Sicherstellung für den Bauunternehmer können laut dem Gesetz Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Nach dem Gesetzeswortlaut stellt laut OGH jedenfalls eine sogenannte »abstrakte« Bankgarantie ein taugliches Sicherungsmittel iSd § 1170b ABGB dar. Dabei verspricht die garantierende Bank in aller Regel, den Garantiebetrag bereits auf erstes Anfordern des Garantiebegünstigten zu zahlen, sodass dieser nur behaupten muss, der Garantiefall sei eingetreten. Die Richtigkeit der Behauptung wird von der Bank nicht geprüft. Es kommt zur Auszahlung.
Häufig enthalten von Auftraggebern und Bauherrn bereitgestellte Garantien jedoch zusätzliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Garantie in Anspruch genommen werden kann. Mit solchen Klauseln soll aus Sicht des Auftraggebers verhindert werden, dass der Bauunternehmer die Garantie (trotz Mängelstreitigkeiten etc.) einfach zu schnellem Bargeld machen kann. Häufig findet sich daher das Erfordernis des Vorliegens eines rechtskräftigen Urteils, das Vorliegen eines Sachverständigengutachtens über die Mängelfreiheit, das Anerkenntnis des Auftraggebers oder das durch ihn unterfertigten Übernahmeprotokoll. Dieser immer häufiger zu beobachtenden Praxis hat der Oberste Gerichtshof jetzt aber einen Riegel vorgeschoben.
Eine Bankgarantie ist als Sicherungsmittel nach § 1170b ABGB ungeeignet, wenn ihre Inanspruchnahme durch den Werkunternehmer durch ein für ihren Abruf aufgestelltes Erfordernis »ungebührlich erschwert« oder gar »unmöglich gemacht« wird. Alle Erfordernisse für den Abruf, die eine Mitwirkung des Werkbestellers voraussetzen, sind unzulässig. Dazu zählt etwa die Vorlage eines vom Werkbesteller bestätigten Übernahmeprotokolls oder ein schriftliches Anerkenntnis über den Werklohn. Die vorgesehene Vorlage eines Sachverständigengutachtens über die Mangelfreiheit kann hingegen in Einzelfällen (je nach Ausgestaltung und Laufzeit) zulässig sein. Als Werkbesteller ist man wohl nur mit einer abstrakten Bankgarantie auf der »sicheren Seite«.
2. Wann stehen 20 Prozent und wann 40 Prozent Sicherstellung zu?
Sicherstellung kann nicht für das gesamte vereinbarte Entgelt verlangt werden. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit ist in zweifacher Hinsicht begrenzt: einerseits mit der Höhe des noch (ganz oder teilweise) ausstehenden Entgelts, andererseits ist eine absolute Höchstgrenze vorgesehen. Diese beträgt entweder 20 oder 40 Prozent des vereinbarten Werklohns. 40 Prozent stehen nur dann zu, wenn die Werkleistung innerhalb von drei Monaten zu erbringen ist. Die unterschiedlichen Schwellen (20, 40 Prozent) erklären sich aus der Tatsache, dass bei innerhalb von drei Monaten zu erfüllenden Verträgen üblicherweise keine Abschlagszahlungen oder Teilrechnungen vereinbart werden. Bei der über die Höhe des Sicherstellungsrechts entscheidende Dreimonatsfrist kommt es auf den Vertrag an. Nachträgliche Verzögerungen der Arbeiten haben darauf keinen Einfluss.
3. Wann darf der Bauunternehmer eine erhaltene Sicherstellung verwerten?
Neben der zuvor behandelten Frage der ordnungsgemäßen Ausgestaltung einer Sicherstellung hat sich der OGH auch mit der Frage der Zulässigkeit der Verwertung einer Sicherstellung nach § 1170b ABGB durch den Werkunternehmer auseinandergesetzt. Eine erhaltene Sicherstellung darf vom Werkunternehmer nicht verwertet werden, solange Einwendungen des Bestellers gegen den Werklohnanspruch ungeklärt sind – also vor allem solange Mängel behauptet werden.
Tipp für die Praxis
Die Streitigkeiten im Zusammenhang mit §1170b ABGB nehmen (leider) zu. Sicherstellungsbegehren müssen von beiden Vertragsparteien (Auftraggeber und Auftragnehmer) sehr ernst genommen werden. Aufgrund der häufig sehr kurzen Fristen passieren oft Fehler, die einem teuer zu stehen kommen können. Vor allem Bauherrn und Auftraggeber (in der Vertragskette) müssen sich schon bei Vertragsabschluss in ihrer Liquiditätsplanung (und auch emotional) darauf einstellen, dass der Bauunternehmer von seinem gesetzlichen Sicherstellungsrecht Gebrauch machen könnte. Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen werden.