Sonntag, Dezember 22, 2024
»Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt«

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Geschäftsführer Christoph Sengstschmid, wie Otis verschiedene Mobilitätslösungen miteinander vernetzen will, welche die nächsten Digitalisierungsschritte im Servicebereich sind und wie er sich vom Mitbewerb differenzieren will.

Report: Sie haben im Juni 2020, mitten in der Pandemie, den Vorsitz der Geschäftsführung von Otis Österreich übernommen. Wie ist das erste Jahr gelaufen, was waren die prägendsten Momente?

Christoph Sengstschmid: Die Geschäftsführung zu einem Zeitpunkt zu übernehmen, an dem man keinen persönlichen Kontakt zu seinen Mitarbeitern haben kann und Gespräche virtuell über Zoom und Teams geführt werden müssen, war eine große Herausforderung. Dennoch ist uns ein hervorragendes Jahr 2020 gelungen und auch 2021 läuft wirtschaftlich gut.
Die digitale Führung beschäftigt mich aber weiterhin sehr stark, ebenso wie die Frage, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten werden. Ich denke, wir sollten das Positive aus dieser Situation mitnehmen und unsere Arbeitswelten verändern und modernisieren. Daran arbeiten wir intensiv.

Report: Lässt sich der wirtschaftliche Erfolg in der Krise darauf zurückführen, dass auch die Bauwirtschaft sehr gut durch die Pandemie kommt?

Sengstschmid: Nur zum Teil. Unser Geschäftsmodell steht ja auf mehreren Beinen. Das Servicegeschäft war sehr stabil. Wir haben erkennen dürfen, dass wir Systemerhalterleistungen liefern. Aufzüge müssen auch in der Pandemie funktionieren. Dem Neubaubereich hat die Pandemie kaum Schaden zugefügt. Und wenn es der Bauwirtschaft gut geht, geht es uns auch gut.

Report: Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, Sie wollen Ihren Fokus auf »nachhaltige Differenzierung und Kundenzentrierung sowie auf das Thema Digitalisierung« legen. Was konnten Sie im ersten Jahr schon umsetzen?

Sengstschmid: Es fällt uns allen immer schwerer, uns über Produkte zu differenzieren. Ein Großteil der Differenzierung passiert über die Menschen. Unsere Verkäufer und Servicetechniker machen den Unterschied beim Kunden aus. Wie sie kommunizieren, wie rasch sie auf Kundenwünsche eingehen, aber auch, wie wir als Unternehmen auf Kundenwünsche und Anregungen reagieren. Da sind wir, obwohl wir Teil eines großen internationalen Konzerns sind, sehr flexibel.

Report: Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?

Sengstschmid: Wir haben vor knapp zwei Jahren eine völlig neue Vertragslandschaft für unsere Kunden auf den Markt gebracht. Damit kann sich der Kunde genau jenen Vertrag zusammenstellen, der maßgeschneidert für seinen Aufzug passt. Diese flexible Vertragsgestaltung wird sehr gut angenommen.

Report: Sie haben die Digitalisierung als einen Ihrer Schwerpunkte genannt. Welche Rolle spielt Building Information Modeling für einen Aufzugshersteller wie Otis? Wie stark werden BIM-Lösungen nachgefragt und was hat Otis im Portfolio?

Sengstschmid: Wir spüren, dass BIM für die Kunden immer interessanter wird und stellen uns darauf auch ein. Was wir in der Vergangenheit als 2D Autocad-Zeichnung dem Kunden zur Verfügung gestellt haben, können wir jetzt für unsere komplette Aufzugspalette als BIM-Modell liefern.

Was uns aber viel mehr beschäftigt, ist die Digitalisierung des Servicegeschäfts. Wir digitalisieren unser Wartungsgeschäft im Sinne einer predictive maintenance. Dafür statten wir unsere Aufzüge mit Sensoren aus, spielen Daten in Echtzeit in die Cloud und lassen sie von intelligenten Algorithmen untersuchen. Damit kennen wir den Zustand unserer Aufzüge sehr genau. Wir bringen gerade den Gen360 auf den Markt, der all das schon an Bord hat (siehe Kasten).

Report: Mit dem Gen360 hat Otis im Juni die neue Aufzugsgeneration vorgestellt. Was macht den Gen360 aus?

Sengstschmid: Man hat bei der Entwicklung dieser neuen Aufzugsgeneration ganz genau auf die verschiedenen Zielgruppen geachtet, vom Architekten und Konsulenten über den Generalunternehmer bis zum Nutzer und Betreiber. Für jede dieser Zielgruppen haben wir versucht, etwas Interessantes auf die Beine zu stellen. Beispiele sind etwa ein vielfältiges Innendesign für den Architekten oder große Bildschirme mit Echtzeit­informationen und Surround Sound für die Nutzer. Den Konsulenten und Generalunternehmern geht es darum, effizient zu bauen.

Die Wartung aus der Kabine heraus macht es möglich, Schachtköpfe so auszuführen, dass der Aufzugsschacht nicht mehr die Gebäudehülle durchdringt. Ein erheblicher Vorteil nicht nur für den Generalunternehmer, auch Architekten applaudieren. Natürlich muss hier Rücksicht auf die derzeit geltenden Regulative und Gesetze Rücksicht genommen werden.

Report: Der Service-Bereich wird immer wichtiger. Man liefert nicht mehr nur ein Produkt, sondern steht in ständigem Kontakt mit den Kunden. Dazu kommen Themen wie predictive maintenance. Damit fischt man auch im Teich der FM-Dienstleister. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Sengstschmid: Das ist ein guter Punkt. In der Regel ist die Zusammenarbeit mit dem Facility Management sehr partnerschaftlich. Sie greifen auch gerne auf die Fachexpertise der Aufzugswartungsunternehmen zurück. Denn nur die wenigsten FM-Dienstleister verstehen Aufzüge bis ins letzte Detail. Wir brauchen uns gegenseitig, um den Aufzug sicher und betriebsbereit zu halten. Ich sehe den Facility Manager eher als Koordinator zwischen den einzelnen Gewerken.

Report: Wäre es möglich mit Fernwartung und Augmented Reality-Lösungen nicht gelernte Techniker vor Ort anzuleiten, um die Effizienz zu erhöhen?

Sengstschmid: Wir beschäftigen uns natürlich mit Themen wie Augmented Reality, wir haben auch bereits Feldversuche gemacht. Unsere eigenen Techniker sind auch mit einer entsprechenden App ausgestattet. Einen ungelernten Techniker mit Augmented Reality anzuleiten, halte ich aber nicht für sinnvoll. Das ist doch sehr komplex. Aber remote maintenance und remote services sind wichtige Themen, um effizienter zu werden und für den Kunden eine noch raschere Störungsbehebung zu ermöglichen.

Report: Welche Trends sehen Sie am Aufzugsmarkt?

Sengstschmid: Ganz wichtig ist die Vernetzung, und zwar die Vernetzung aller Sensoren in einem Gebäude. Damit schafft man eine große Datenmenge, die analysiert und zur Gebäudeoptimierung genutzt werden. Das beginnt beim Personenfluss im Gebäude und kann bis zu einer Anpassung der U-Bahn-Frequenz an die Stoßzeiten in einzelnen Immobilien reichen. Wichtig ist, die Daten zu sammeln und so darzustellen, dass man sie gemeinsam nutzen kann und gute Algorithmen kluge Dinge damit anstellen. Der Phantasie sind da kaum Grenzen gesetzt.

Report: Dafür braucht es aber nicht nur Daten, sondern auch die Vernetzung der verschiedenen Player. Laufen da bereits Gespräche oder sind das noch Themen aus dem Elfenbeinturm?

Sengstschmid: Wir befinden uns irgendwo in der Mitte. Aus dem Elfenbeinturm sind wir raus. Ich bin in sehr konkreten Gesprächen mit Providern, um erste Showcases auf die Beine zustellen. Als Otis sind wir schon sehr weit. Wir sammeln Unmengen an Daten in unserer Cloud und bereiten sie für unsere predictive maintenance auf. Wir stellen unseren Kunden auch programmierbare Schnittstellen zur Verfügung, um an uns andocken und sich die Daten rausziehen zu können, die sie brauchen. Im Sinne eines agilen Ansatzes bringen wir keine fertigen Lösungen auf den Markt, sondern versuchen gemeinsam mit Partnern uns einem Thema zu nähern.

Report: Wie sehr können vernetzte Lösungen den Personenfluss verbessern. Wie hoch sind die Effizienzsteigerungen?

Sengstschmid: Alleine durch die richtige Zuteilung von Aufzügen zu den Personen lassen sich Effizienzsteigerungen von rund 20 % realisieren. Das heißt, man braucht etwa statt fünf Aufzügen nur noch vier.

Report: Damit schneidet Ihr Euch also ins eigene Fleisch.

Sengstschmid: (lacht) Ja, vielleicht. Aber ich denke, es ist wichtig, dem Kunden die bestmögliche, technische Lösung anzubieten und nicht einen Aufzug mehr zu verkaufen. Aus diesen nachhaltigen, intelligenten Lösungen ist es natürlich auch einfacher Zusatzgeschäfte zu lukrieren, die dem Kunden einen echten Mehrwert bringen.

Report: Was sind Ihre kurz-, mittel- und langfristigen Pläne für Otis Österreich?

Sengstschmid: Ich will weiterhin die Mitarbeiter und Kunden in den Mittelpunkt stellen. Das ist mir extrem wichtig. Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen, bringen auch eine bessere Leistung. Mir geht es auch ganz klar um das Thema Differenzierung. Wir wollen anders sein als der Mitbewerb. Auch da geht es um die Menschen und die Dienstleistung. Ich bin zwar überzeugt, dass wir die besten Produkte haben, aber in einer globalisierten Welt wird die Differenzierung über das Produkt zunehmend schwierig.


Otis Gen360: der vernetzte Aufzug

Der Gen360 ist der erste Aufzug von Otis, der nativ mit der IoT-Plattform Otis ONETM ausgestattet ist. Durch die Erfassung und Auswertung großer Datenmengen durch Aufzugssensoren ermöglicht Otis ONETM die Gewinnung wichtiger Informationen in Echtzeit sowie proaktive Kommunikation.

Zusätzlich können Störungen per Fernzugriff bearbeitet werden. Dank cloudbasierter APIs (Application Programming Interface) lassen sich die gewonnenen Daten und Informationen leicht in andere Programme und Anwendungen integrieren, was einen wichtigen Mehrwert für Gebäudemanager, Hausverwaltungen und Facility Manager darstellt.
Auch beim Design hat sich einiges getan. Zusätzlich zur bestehenden Ausstattung setzt Otis beim Gen360 künftig mit der Lounge Aesthetic auf neue Oberflächen und Materialien. Dies ermöglicht es Architekten und Planern, noch genauer auf die Designwünsche ihrer Kunden einzugehen.

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