Ob Einfamilienhaus, Wohnanlage oder Siedlungsgebiet: Erdwärme ist eine ideale Quelle für die Versorgung von Wohngebäuden mit Wärme, Brauchwasser und Kälte – in Neubau wie Sanierung.
Die fortschreitende Erderwärmung bewirkt einen Anstieg der sommerlichen Temperaturen in den Städten, bei Tag und Nacht. Neue Konzepte für die Temperierung von Wohnräumen sind gefordert, wobei bislang Klimageräte den Markt dominieren. »In Asien hat die Vielzahl an Anlagen durch die entstehende Abwärme bereits dazu geführt, dass die Temperatur in der Stadt um zehn Grad höher ist als in der Umgebung. Damit kommt es zum Klimakonflikt in den Städten«, betont Architekt Johannes Zeininger.
Bild oben: Erdwärme muss vor Ort für Heizung und Kühlung genutzt werden. »Aufgrund der geringen Temperaturen von 30 bis 40 Grad und der entstehenden Transportverluste ist sie für die Langstrecke nicht geeignet«, informiert Thomas Menzel.
Wärmepumpensysteme in Verbindung mit Geothermie-Sondenfeldern als Massespeicher für sommerliche Sonnenenergie bilden einen Ausweg. Durch die Erderwärmung wird es leichter, im Sommer Wärme aus den Solaranlagen oder aus der Umgebungsluft in der Erde zu speichern. Die Leitungen der Fußbodenheizung werden gleichzeitig mit dem Rücklauf aus den Erdsonden mit rund 20 Grad kühlem Wasser versorgt. Im Winter wird die gespeicherte Erdwärme mit einer Wärmepumpe auf bis zu 35 Grad Celsius gebracht – der idealen Vorlauftemperatur für großflächige Fußboden-, Decken- und Wandheizungen. »Im Einfamilienhausbereich dominiert aufgrund der geringeren Investitionskosten die Luftwärmepumpe«, informiert Gregor Götzl, Vorstandsmitglied im Verein Geothermie Österreich. Bei größeren Gebäuden, vor allem im Gewerbesektor, werden erdgetriebene Lösungen zum Heizen und Kühlen bevorzugt.
Dabei werden Erdwärmesonden oft mit Grundwasserwärmetauschern kombiniert. Auch im Wohnbau nehme Geothermie zu. Als Erdspeicher wird das Erdreich unter privaten und öffentlichen Flächen wie Straßen, Parkplätzen, aber auch unter Bauwerken genutzt. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Geothermie künftig als Alternative zur Gasversorgung deutlich zunimmt«, betont Götzl. Noch gebe es einige technologische Herausforderungen wie Platzprobleme für die Bohranlagen in der dichten Stadt. Diese lassen sich aber mit Kreativität und Hartnäckigkeit lösen.
Positive Entwicklung
Bild oben: »Ich kann mir gut vorstellen, dass Geothermie künftig als Alternative zur Gasversorgung in Städten deutlich zunimmt«, betont Gregor Götzl.
Die Bauwirtschaft hat die Stärke der Wärmepumpe erkannt. »Der österreichische Wärmepumpenmarkt hat im ersten Quartal einen beeindruckenden Zuwachs erfahren«, berichtet Richard Freimüller, Verbandspräsident von Wärmepumpe Austria. Im Vergleich zum ersten Quartal 2020 gab es im Bereich der Heizungswärmepumpen im gleichen Zeitraum 2021 eine Steigerung von rund 30 Prozent.
Auch der Markt für Brauchwasser-Wärmepumpen weist ein Plus von 48 Prozent gegenüber 2020 auf. Die Verteilung der Wärmequellen ähnelt dem Vorjahr: Luftsysteme haben einen Marktanteil von 83 Prozent, gefolgt von Erdwärme inklusive Direktverdampfersystemen und Wasser mit 17 Prozent. Das Produktportfolio wächst. »Wo Grund sehr teuer ist und bei Platzproblemen wird auf Tiefenbohrung gesetzt«, betont Thomas Menzel, Produktmanager für Gebäudetechnik bei Pipelife. Dabei wird mehr als 100 Meter tief gebohrt. Flächenkollektoren werden dagegen in einer Tiefe von rund 1,50 Meter verlegt. Eine Alternative sind Ringgrabenkollektoren, die am Grundstück verlegt werden und Energiekörbe/-säulen.
Die Energiesäulen werden ca. zwölf Meter in den Boden eingebohrt und verbinden damit die Vorteile der Witterungsunabhängigkeit einer konventionellen Tiefenbohrung mit der guten Regeneration oberflächennaher Kollektoren. Pipelife setzt im Bereich mehrgeschoßiger Bauten vor allem auf kombinierte Anlagen. »Das bisher größte Projekt zur Nutzung von Erdwärme betrifft eine Wohnhausanlage in Wien mit über 300 Wohnungen. Die Kollektoranlage wurde 2020 errichtet, das komplette Projekt soll im Laufe des heurigen Jahres fertiggestellt werden«, informiert Menzel. Das System liefert eine Heizleistung von ca. 890 kW, es umfasst einen Fundamentplattenabsorber, d.h. einen Flächenkollektor, der unter der Fundamentplatte liegt, sowie Tiefenbohrungen.
Geothermie für die bestehende Stadt
Das Europäische Klimagesetz fordert eine Reduktion der Emissionen, Stand 1990, um mindestens 55 Prozent bis 2030, Klimaneutralität bis 2050. »Wir werden diese Ziele nur erreichen, wenn die bestehende Stadt einen Turn Around schafft«, betont Architekt Johannes Zeininger. Man könne noch so viele neue tolle Projekte bauen – über das Erreichen der nationalen Ziele werde in der bestehenden Stadt entschieden.
In Forschungsarbeiten mit ÖGUT, TU Wien, Bereich Raumplanung und der Geologischen Bundesanstalt wurde bereits nachgewiesen, dass die Stadt über Solar und Massespeicher vollständig mit Wärme bzw. Kälte versorgt werden kann. Das 2018 gestartete Pilotprojekt Smart Block Geblergasse in Wien beweist das. Mittlerweile wurden zwei Gebäude des gründerzeitlichen Wohnbaus, erbaut um 1865, als Starteinheit mit Erdsonden und Hybridsolarkollektoren ausgestattet und ein Anergienetz durch einen zugezogenen Contractor errichtet. Mit anderen Gebäuden laufen Verhandlungen über einen weiteren Ausbau.
»Im Innenhof wurden dafür 18 Bohrungen mit bis zu 110 Metern Tiefe durchgeführt«, berichtet Zeininger. Mittlerweile würden Fachleute von Helsinki bis Paris anreisen, um das Energiesystem zu begutachten. Ausgezeichnet wurde der Smart Block Geblergasse u.a. mit dem Wiener Stadterneuerungspreis 2021. »2030 ist nicht einmal mehr ein Jahrzehnt entfernt. Wenn man bedenkt, wie die Zeitabläufe in der Bauwirtschaft sind, braucht es prompte Handlung,« fordert Johannes Zeininger.
Bäume als Schwamm
Kühlung über Geothermie ist eine Möglichkeit, im urbanen Raum für eine lebenswerte Umgebung zu sorgen. Tiroler Rohre setzt auf eine weitere Maßnahme. »Das Schwammstadt-Prinzip steht für Hitzevorsorge und naturnahes Regenwassermanagement in Städten«, informiert Christoph Aigner, Geschäftsbereichsleiter Rohrsysteme. Die Schwammwirkung entsteht durch den Wurzelraum großer Bäume. Vielfach steht sie in Konflikt mit technischen Infrastrukturen wie Leitungen und im Boden verlegten Systemen.
»Mit unseren robusten und wurzelfesten Rohren können bislang ungenutzte Volumina im Leitungsgraben aktiviert werden. Unsere Gussrohre haben eine spezielle Verbindung, Wurzeln können nicht eindringen«, beschreibt Aigner. Tiroler Rohre unterstützt Gemeinden bei entsprechenden Projekten. Realisiert wurde die Schwammstadt beispielsweise in Mödling, St. Pölten und Graz. In der Seestadt Aspern in Wien wird das Prinzip der Schwammstadt bereits in ganzen Straßenzügen umgesetzt. Tiroler Rohre ist laufend auf der Suche nach weiteren Projektpartnern, derzeit laufen Gespräche mit der Gemeinde Rum und der Stadt Hall. »Ziel der Gemeinde muss sein, durch Stadtbäume das Stadt- bzw. Mikroklima zu verbessern«, stellt Aigner klar.
Termin
Großwärmepumpenkongress 2021: Einige Innovationen erwartet sich Gregor Götzl vom diesjährigen Großwärmepumpenkongress, 15. bis 16. September 2021 in Linz. »Ein neuer Trend sind Wärmepumpen, die nicht nur eine Wärmequelle haben, also z.B. Grundwasser oder Luft, sondern multivalent arbeiten.« Dies ist vor allem für größere Leistungsbereiche über 30 kW interessant. Laut Wärmepumpe Austria wird auch eine 160°C Wärmepumpe für den industriellen Einsatz präsentiert.