Corona hat dem Thema Sicherheit und Hygiene auch auf Baustellen eine völlig neue Bedeutung gegeben. Das Arbeitsinspektorat stellt der Branche ein gutes Zeugnis aus, hat aber auch Kritikpunkte.
Die Coronakrise hat vor allem zu Beginn die Baustellenabläufe gehörig durcheinander gewirbelt. Nach einer kurzen Schockstarre inklusive ruhender Baustellen, war es vor allem dem Covid-19-Maßnahmenkatalog der Bausozialpartner zu verdanken, dass im letzten Jahr fast durchgängig gearbeitet werden konnte und der Bau einmal mehr der Konjunkturmotor für ganz Österreich war. Dabei stellten die geforderten Schutzmaßnahmen die Branche durchaus vor die eine oder andere Herausforderung. Aber nicht nur Bundesinnungsmeister Bau Robert Jägersberger ist der Überzeugung, dass die »Umsetzung auf den Baustellen sehr gut funktioniert hat«.
Auch das Arbeitsinspektorat streut der Branche im Nachhinein Rosen. »Die Vorgaben wurden weitgehend eingehalten«, heißt es. Vor allem die Umsetzung von technischen Lösungen in Zusammenhang mit den COVID-19-Maßnahmen und die Zurverfügungstellung von Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln hätten auf Baustellen gut funktioniert. Was aber gerade zu Beginn der Krise alles andere als einfach war. »Im März und April war die Beschaffung der notwendigen Schutzausrüstung sehr schwierig«, sagt Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf. Mittlerweile gäbe es aber keine Engpässe mehr und auch preislich habe sich die Situation wieder entspannt.
Wie groß die Nachfrage nach der entsprechenden Schutzausrüstung ist, zeigen ein paar Kennzahlen von Hersteller 3M. Das Technologieunternehmen stellt heute mehr Atemschutzmasken her als je zuvor. Bis Ende 2020 hat sich die weltweite Maskenproduktionskapazität auf insgesamt zwei Milliarden pro Jahr verdreifacht. Auch die Herstellung anderer Produkte, die im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie eingesetzt werden, wurde beschleunigt, darunter Biopharmafiltration und Desinfektionsmittel. Im nordrhein-westfälischen Hilden startete im Frühjahr 2021 eine hochmoderne Fertigung für die derzeit dringend benötigten FFP2-Schutzmasken. Jährlich werden hier für den europäischen Markt etwa 150 Millionen FFP2-Masken produziert. Dabei werden in einem speziell entwickelten, integrierten Produktionsverfahren sowohl das Filtervlies als auch die Maske hergestellt.
Klare Vorgaben und Eigenverantwortung
Die beste Schutzausrüstung hilft nur wenig, wenn sie nicht oder nicht richtig getragen wird. Bei Leyrer + Graf setzt man grundsätzlich stark auf Eigenverantwortung. »Diese wird auch vorbildlich von unseren Mitarbeitern gelebt«, sagt Stefan Graf. Zusätzlich gäbe es aber klare innerbetriebliche Vorgaben und die Führungskräfte würden Sorge tragen, dass diese eingehalten werden. So finden etwa regelmäßige Begehungen durch Mitarbeiter aus dem Bereich Arbeitssicherheit statt. Diese führen persönliche Gespräche mit den Verantwortlichen der jeweiligen Baustellenteams, um zum einen die Sensibilität zu erhöhen und zum anderen die Situationen vor Ort zu diskutieren bzw. Optimierungen vorzunehmen. Es hat sich laut Graf über die Dauer von über einem Jahr massiver Sicherheits- und Schutzmaßnahmen eine gewisse Normalität eingestellt, die auch eine erhöhte Achtsamkeit in Hinblick auf das Hygieneverhalten mit sich bringt.
Nachlassende Disziplin
Was überall in der Gesellschaft spürbar ist, stellt das Arbeitsinspektorat auch in Baubranche fest: eine gewisse Pandemiemüdigkeit. »Es ist zu beobachten, dass am Bau immer weniger Atemschutzmasken verwendet werden, mit der Begründung, dass in festen Teams gearbeitet wird«, heißt es beim Arbeitsinspektorat. Das ist grundsätzlich eine nach den aktuellen gesundheitsrechtlichen Vorschriften zulässige organisatorische Maßnahme. Es wird aber geprüft, ob es sich tatsächlich um feste Teams im Sinne der COVID-19-Verordnung handelt und die gesundheitsrechtlichen Vorgaben bzw. die Empfehlungen der Sozialpartner eingehalten werden.
Zudem wird laut Arbeitsinspektorat die zu Beginn der Pandemie in der Praxis sehr gut umgesetzte Vorgabe von getrennten Aufenthaltsräumen oder gestaffelten Arbeitspausen immer öfter nicht mehr in ausreichendem Maße eingehalten. »Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sitzen in den Pausen wieder relativ eng aneinander«, heißt es. Auch gegen die FFP2-Maskenpflicht wird häufig verstoßen. »In Summe werde die Maßnahmen jedoch sehr gut mitgetragen und Betriebe haben neue Ideen zum Schutze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt«, zeigt sich das Arbeitsinspektorat versöhnlich.
Für mehr Gesundheitsschutz und Produktivität
Mitten in der Coronapandemie haben die Hilti Gruppe und Ottobock eine Technologie-Partnerschaft zur Entwicklung von Exoskelett-Systemen vereinbart. »Das Potenzial für Lösungen, die die körperliche Belastung der Mitarbeitenden reduzieren, ist in der Bauindustrie sehr hoch. Dieses Standbein wollen wir in den kommenden Jahren gemeinsam ausbauen«, erklärte Sönke Rössing, Leiter von Ottobock Industrials, bei der Präsentation der Zusammenarbeit. Exoskelette können einen erheblichen Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten, insbesondere bei Arbeiten im Überkopf- und Überschulterbereich. Zudem wird die Ermüdung verringert. Dadurch lassen sich solche Arbeiten auch über längere Zeit und somit deutlich produktiver ausführen. Als erstes Ergebnis dieser Kooperation brachte Hilti das EXO-O1 auf den Markt. Dabei handelt es sich um ein passives Modell, das keine Energiezufuhr benötigt. Das Gewicht der Arme wird über die Armschalen mithilfe mechanischer Seilzugtechnik auf die Hüfte abgeleitet. Dies reduziert die Spitzen-Belastung der Muskulatur und entlastet die Schulter gemäss unabhängigen Studien und Untersuchungen von Ottobock um bis zu 47 Prozent.