Samstag, Dezember 21, 2024
Chance Bau 2021: »Kreislaufwirtschaft am Bau«
Gruppenfoto auf der Terrasse des Flemings Selection Hotel Wien-City: Danach wurde intensiv, aber in konstruktiver Atmosphäre über die verschiedenen Aspekte der Kreislaufwirtschaft in der Bau- und Immobilienbranche diskutiert.

Im Rahmen der Verlagsserie »Chance Bau« ist der Bau & Immobilien Report mit einer prominent besetzten Expert*innenrunde der Frage nachgegangen, was es braucht, um in der Bau- und Immobilienbranche eine echte Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Das Ergebnis der Diskussion sind sechs konkrete Maßnahmen und Forderungen, die einen echten Schub geben können. Kleiner Spoiler: Verpflichtende Quoten sind nicht zielführend, ein punktuelles Verwertungsgebot kann aber helfen. Gleichzeitig braucht es eine Deregulierung, um Innovation zu fördern. Warum das kein Widerspruch ist, lesen Sie hier.

Who is Who (alphabetisch)

 Thomas Kasper, Präsident des Österreichischen Baustoff Recycling Verband BRV
 Gerhard Kopeinig, Gründer und Inhaber der ARCH+MORE ZT GmbH
 Christoph Kranz, Vorsitzender des Ausschusses für Baurestmassen im Fachverband Bauindustrie & STRABAG
 Doris Österreicher, BOKU & Treberspurg & Partner Architekten ZT
 Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik
 Bernd Rießland, Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV
 Harald Schwarzschachner, Ökobilanz-Experte Stora Enso


Ein Resümee aller Teilnehmer*innen zur Diskussion finden Sie im ⇒ VIDEO ⇐

Report: Frau Österreicher, das Bauwesen ist für einen beträchtlichen Teil des Abfallaufkommens verantwortlich. Welches Potenzial für Kreislaufwirtschaft sehen Sie in der Bau- und Immobilienwirtschaft allgemein? Wo schlummert das größte Potenzial?

Doris Österreicher: Ein gibt zwei wesentliche Punkte bevor wir über Materialien und deren Wiederverwendung sprechen. Das eine ist, den Gebäudebestand zu nutzen. Wir stehen bei einer Sanierungsrate von 1 % und haben einen nicht erfassten und potentiell hohen Leerstand. Das andere ist eine vorausschauende Planung. Da geht es um Fragen von Statik und Raumhöhen, um flexibel für Umnutzungen zu sein.

Report: Herr Kopeinig, welchen Beitrag kann und muss die Architektur zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft leisten?

Gerhard Kopeinig: Wie schon angeklungen, muss man zwischen Neubau und Sanierung unterscheiden. Wir müssen auch in der Sanierung darauf schauen, ein Gebäude fit für die Kreislaufwirtschaft zu machen. Das beginnt bei Leerstandsnutzung und Nachverdichtung. Man muss aber auch die Frage stellen, was mit dem Vorhandenen gemacht werden kann.

Auch die Digitalisierung spielt eine große Rolle. Die IG Lebenszyklus arbeitet gerade mit der Stadt Wien an einem Projekt, wie ein Material-Gebäudepass aussehen muss, um das Potenzial der Ressource Stadt in Zukunft zu heben. Das geht nur, wenn man in Lebenszyklen denkt.

Report: Herr Kasper, Sie haben am Projekt KreislaufBAUwirtschaft des Umweltbundesamtes mitgearbeitet. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Erkenntnisse? Wo steht die Bauwirtschaft in Sachen Kreislaufwirtschaft?

Thomas Kasper: Ich finde die Zusammensetzung dieser Runde sehr spannend, weil von der Planung über den Bau und die Nutzung bis zum Abbruch alle Stakeholder vertreten sind, um den Kreislauf zu schließen. Das war uns auch bei der Erstellung des White Papers des Umweltbundesamt sehr wichtig, das als Anfang eines Prozesses zu sehen ist. Es war sehr schön zu sehen, dass das Thema in Grundanforderung 7 der Bauproduktenverordnung seit 2011 verankert ist, aber nicht umgesetzt wird, obwohl es eine EU-Verordnung ist. Wir haben die Grundanforderungen 1–6 in den OIB-Richtlinien umgesetzt.

Damit fließen die Inhalte direkt in die Bauordnungen und Bautechnikverordnungen ein und landen so auch in der Ausbildung der Architekten und Baumeister. Jetzt soll auch die Grundanforderung 7 in einer OIB-Richtlinie 7 umgesetzt werden. Damit würden das Abfallrecht, das Sache des Bundes ist, und das Baurecht, das Sache der Länder ist, endlich zusammengeführt werden, um einen Kreislauf zu schließen und das Recycling an den Anfang des Bauprozesses zu stellen.

Report: Herr Kranz, ist der Trend und das Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft auf den Baustellen spürbar? Wo funktioniert die Kreislaufwirtschaft jetzt schon, wo gibt es Aufholbedarf?

Christoph Kranz: Das hängt davon ab, ob wir vom Hochbau, dem Ingenieurbau oder dem Verkehrswegebau sprechen. Es gibt aber keine Baustelle, wo keine Abfälle anfallen. Kreislaufwirtschaft liegt vor allem in den Händen der Planer und der Auftraggeber. Wir sind Dienstleister und können beratend tätig sein. Das, was wir in den 60er-Jahren – auch mit gutem Gewissen – verbaut haben, bereitet uns jetzt Kopfzerbrechen. Kreislaufwirtschaft wird nur dann funktionieren, wenn es bei der Zulassung der Baumaterialien einen vernünftigen Filter gibt. Je sorgsamer wir jetzt in der Materialfrage sind, desto einfacher wird es, eine Kreislaufwirtschaft umzusetzen.

Report: Herr Rießland, die Bauherrn wurden angesprochen. Welche Rolle spielt denn der Kreislaufgedanke bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen?

Bernd Rießland: Der Abbruch ist nicht unser vorrangiges Geschäftsfeld. Wir stellen uns andere Fragen, etwa warum wir so viele Garagen bauen müssen, die wir in 30 Jahren nicht mehr nützen werden. Das ist eine Frage der Stadt- und Siedlungsplanung. Das Pro­blem ist, Bekenntnisse gibt es viele, etwa keine Fachmarktzentren auf die grüne Wiese zu stellen. Es passiert trotzdem überall.
Im Sinne der Kreislaufwirtschaft setzen wir sehr stark auf Sanierung der Altsubstanz und Nachverdichtung. Damit kann auch die bestehende Infrastruktur genutzt werden. Auch die Nutzung regionaler Baustoffe liegt uns am Herzen.

Report: Herr Pfeiler, schon heute werden 90 % der durch Abbruch entstehenden mineralischen Baurestmassen wiederverwertet. Damit scheint eine natürliche Grenze bald erreicht zu sein. Welchen zusätzlichen Beitrag kann die Baustoffindustrie zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft am Bau leisten?

Andreas Pfeiler: Wir haben das Glück, dass wir mineralische Baustoffe endlos rezyklieren können. Das liegt in der DNA des Produkts. Durch die Langlebigkeit unseres Produkts fällt aber gar nicht so viel Abbruch an, wie genutzt werden könnte. Wir könnten noch viel mehr Sekundärrohstoffe verwenden, aber dann müssten wir mehr abreißen (lacht). Was da ist, wird wieder verwendet.
Wir dürfen uns aber auf den 90 % nicht ausruhen, das Ziel müssen 100 % sein. Dafür müssen wir das Design for Recycling forcieren. Ein Problem ist nach wie vor auch die sortenreine Trennung. Da wird es dann oft unwirtschaftlich.

Report: Herr Schwarzschachner, welchen Beitrag kann der Holzbau zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen leisten? Wo sehen Sie die größten Stärken, wo gibt es noch Verbesserungspotenzial?

Harald Schwarzschachner: Holz ist das einzige Material, das nachwächst. Bis 2060 wird sich der Wohnbedarf weltweit verdoppeln. Deshalb müssen wir unnötige Versiegelungen ebenso vermeiden wie die Verwendung fossiler Materialien. Das Ziel muss Nachverdichtung sein, durch Aufstockungen und mit Modulbau. Da kann Holz seine Stärken, leicht und flexibel zu bauen, ausspielen. Dazu kommt, dass wir in der Nutzungsphase so ressourceneffizient wie möglich agieren müssen.

Report: Was müssen die nächsten Schritte sein, um das Thema weiter voranzubringen?

Österreicher: Aus Sicht der Forschung ist das Wichtigste, Fakten zu schaffen. Wir müssen den Zustand der Gebäude kennen, ebenso wie den Leerstand. Dazu brauchen wir den Gebäudepass. Und bevor es zum Recycling kommt, muss es um Wiederverwertung gehen. Das wäre relativ einfach, hätte aber sehr positive Folgen.

Report: Welche Rolle kann dabei BIM spielen? Bei neuen Gebäuden weiß man ganz gut, was verbaut ist. Das ist bei älteren nicht immer der Fall?

Kopeinig: An BIM und der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. Aber auch im Bestand ist eine gute Analyse unumgänglich. Ich kann nichts sanieren, wenn ich nicht weiß, was verbaut ist.
Wir denken aber auch in viel zu kurzen Lebenszyklen. Wenn man vor 100 Jahren gefragt hat, für wie lange ein Haus gebaut wird, hätte die Antwort vermutlich »Für 200 Jahre« gelautet. Wir hingegen denken in Sanierungszyklen von 30 Jahren. Wenn wir so planen, dass wir Sanierungszyklen verdoppeln und im Materialeinsatz resilienter werden, hätte das enorm positive volkswirtschaftliche Auswirkungen.

Und beim Recycling müssen wir auch an Flächenrecycling denken. Selbst innerhalb der Wiener Tangente gibt es viel ungenutztes Potenzial. Wenn da Supermärkte mit Parkplätzen errichtet werden, frage ich mich schon, ob man das mit Überbauung oder Ähnlichem nicht klüger hätte lösen können. In Innsbruck ist das Vorschrift. Das müssen wir Planer mit CO2-Einsparungen auch darstellen können.

Rießland: Da gebe ich Ihnen recht. Denn viele der angesprochenen, ungenutzten Flächen in Wien haben Quadratmeterpreise von 2000 Euro. Da ist das Aufstocken auf jeden Fall billiger (lacht).

Weil vorhin der Leerstand angesprochen wurde. Das ist ein wichtiges Thema, aber es gibt in Österreich das Eigentumsrecht und das wird man nicht aufheben können.

Und wenn wir vom Gebäudepass und der Digitalisierung sprechen, um zu wissen, was in neuen Gebäuden drinnen ist, dann muss ich schon auch den Bestand verteidigen. Wir wissen von jedem Gründerzeithaus besser, was verbaut ist, als bei irgendeinem mit BIM geplanten Haus von heute. Das liegt auch an der Regionalität der Baustoffe. Da gab es eine standardisierte technische Umsetzung bei höchster gestalterischer Vielfalt. Heute produzieren wir durch Komplexität Probleme im Bereich Heizung, Lüftung, Klima, die wir früher nicht hatten. Wir haben Testprojekte am Laufen, bei denen wir in der Altsubstanz die Fassade aufschneiden, um von außen eine Bauteilaktivierung einzusetzen.

Und eines muss uns auch klar sein: Den Kreislauf zu erhalten, ist nicht billig. Das gilt für Beton ebenso wie für Holz.

Pfeiler: Man muss die Frage stellen: Was heißt Lebenszyklus? Was heißt Kreislaufwirtschaft? Theoretisch kann man alles im Kreislauf halten. Die Frage ist, ob es auch immer sinnvoll ist. Deshalb bin ich auch gegen Recyclingquoten. Wenn ich in Wien den Massenstrom habe, kann ich nicht in Schrems, wo es keinen Massenstrom gibt, eine Quote von 40 % vorschreiben. Da erzeuge ich nur Verkehr.
Ich bin auch skeptisch, wenn es um die absolute Vermeidung fossiler Materialien geht.

Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Wenn ich etwa durch Dämmung die Betriebsenergie über den Lebenszyklus deutlich reduzieren kann, dann ist das sinnvoll. Man darf da keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben. Und wenn wir von der Dekarbonisierung sprechen, dann brauchen wir eine Dekarbonisierung über den Lebenszyklus, das inkludiert auch das Recycling. Weil die Versiegelung angesprochen wurde: Das hängt man gerne der Bauwirtschaft um. Das ist aber ein rein politisches Thema. Wir machen, was gewünscht wird.

Österreicher: Da sind wir wieder stark im Thema Raumordnung. Wir haben neun Bundesländer und zig Gemeinden und jeder ist Raumordnungsexperte und darf entscheiden. Das ist ein großes Manko.

Kasper: Ich denke auch, dass viele Grundsteine für das, was wir hier diskutieren, in der Raumordnung und Raumplanung gelegt werden. Nicht nur hinsichtlich Versiegelung und Verbauung sondern auch in Bezug auf den Verkehr. Das können wir aktiv gestalten.
Zum Thema Recycling: Wir beschäftigen uns seit 30 Jahren mit dem Recycling von mineralischen Baustoffen. Das funktioniert, das können wir. Aber ein Gebäude besteht nicht nur aus Beton und Ziegel, sondern aus Holz, Gipskartonplatten, EPS, XPS und Haustechnik. Das sind echte Herausforderungen.

Dafür entwickeln wir Anlagen, die Mineralwolle aufbereiten und recyclen können. Die dafür benötigte Energie ist auch deutlich geringer als man für den Primärrohstoff braucht. Aber bei den mineralischen Baustoffen haben wir das Verhältnis 1:10. Wir benötigen jährlich 150 Millionen Tonnen Material, davon 100 Millionen mineralischen Baustoff. Wir haben aber nur zehn Millionen Tonnen Abbruchmaterial.

Es wird neue Geschäfts- und Nutzungsmodelle brauchen. Schnittstellen müssen optimiert werden. Wenn ich für mich selber baue und selber betreibe, wird anders gebaut, als wenn man für jemand anderen baut. Wir haben eine Kläranlage gebaut, die wir auch betreiben. Natürlich haben wir uns bei der Errichtung für den besseren Beton entschieden, weil wir frühzeitige Sanierungen verhindern wollten.

Im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist es am wichtigsten, dass ein Gebäude dauerhaft ist. Ein nicht abgebrochenes Gebäude ist nachhaltig.

Kranz: Kreislaufwirtschaft ist ein Überbegriff dafür, was man mit Materialien machen kann. Da muss man dann von Fall zu Fall differenzieren, was das Sinnvollste ist – ob Wiederverwendung, Wiederverwertung oder Recycling. Da geht es auch oft um Downcycling. Für viele ist Kreislaufwirtschaft nur willhaben.at. Auch das Baukarussell ist sinnvoll, aber wie viele Architekten bauen in ein Foyer eine Skulptur aus 20 alten Heizkörpern. Dafür braucht man auch enorme Flächen für die Zwischenlagerung. Eigentlich müsste man schon in der Planung festlegen, wie man ein Gebäude nach 30 oder 40 Jahren adaptieren und einer neuen Nutzung zuführen kann. Das ist genau so wichtig wie der sensible Materialeinsatz.

Report: Herr Kopeinig, wird die Umnutzung in der Planung mitgedacht?

Kopeinig: Alles, was wir bisher besprochen haben, ist eigentlich Baukultur. Recycling und Kreislaufwirtschaft kann nur gemeinsam mit allen Beteiligten funktionieren. Immer dort, wo ich Brüche im Bauprozess habe, wird die baukulturelle Voraussetzung nicht erfüllbar sein. Man muss von Anfang an gemeinsam antreten und gemeinsam mit dem Auftraggeber die Ziele festlegen, dass ein Gebäude möglichst lange in der Nutzung bleibt oder einfach umnutzbar ist. Und man muss durch eine einfache Trennbarkeit der Materialien dafür sorgen, dass Recycling möglich ist.

Kranz: Schrauben statt kleben.

Kopeinig: Absolut richtig.

Schwarzschachner: Die sortenreine Trennung ist ein Thema, mit dem wir uns auch in der Holzwirtschaft intensiv beschäftigen. Zur Kreislaufwirtschaft allgemein ist zu sagen, dass das, worüber wir hier reden, noch vor wenigen Jahren absolute Zukunftsmusik war. Es passiert schon einiges. Es geht langsam, aber es geht voran.

Da ist auch Fantasie gefragt, etwa beim Upcycling. Wir bereiten etwa alte Gerüstplatten in einem unserer Werke auf und verkaufen sie an Baumärkte für den DIY-Markt. Das funktioniert. Es spricht aber auch nichts gegen Downcycling, wenn etwa das Holz in die Spanplattenindustrie geht und daraus ein neuer Werkstoff - Stichwort kaskadische Nutzung - entsteht. Ein weiteres gutes Beispiel sind nicht mehr gebrauchte Möbel, die zurückgegeben und so im Kreislauf gehalten werden können.

Pfeiler: Mir gefallen die Begriffe Down- und Upcycling nicht so gut. Denn im Endeffekt geht es doch darum, das Material in irgendeiner Form im Kreislauf zu halten. Da stellt sich auch die Frage: Wo ist der Stoffstrom vorhanden und wie kann ich ihn bestmöglich nutzen? Es ist sinnvoll, aus Asphalt wieder Asphalt zu machen. Denn das Gute im Asphalt ist nicht der Schotter sondern das Bitumen. Beim Betonrecycling ist das anders. Da macht es keinen Unterschied, ob ich aus Betongranulat neuen Beton mache oder eine ungebundene Schicht. Bei Gesteinen mit seltenen Erzen wäre das natürlich etwas anders. Es können mit der richtigen Behandlung auch aus Schadstoffen Wertstoffe werden.

Kranz: Vielleicht habe ich das unscharf formuliert. Es geht um die richtige Variante für das vorhandene Material. Ein weiteres wichtiges Thema wäre ein Verwertungsgebot, etwa bei erdölhaltigen Produkten wie Bitumen. Damit müssten etwa die zwei Millionen Tonnen Alt- und Ausbauasphalt in Österreich zwingend wiederverwertet werden und Teil der jährlich benötigten acht Millionen Tonnen Neuasphalt werden. Damit hätten wir eine echte Kreislaufwirtschaft und die bestmögliche Verwertung, wir könnten Einsparungen erzielen und bräuchten weniger Anlagen. Aber das ist Thema des Gesetzgebers.

Österreicher: Die Komplexität kommt mit dem Kontext. Wenn man etwas vor Ort wiederverwenden kann, ist das ideal. Sobald es einen Transportbedarf gibt, muss dieser mit einkalkuliert werden. Was an Punkt A sehr sinnvoll ist, muss es nicht zwingend auch bei Punkt B sein. Das ist auch das Problem mit den unzähligen Verordnungen, die genau vorschreiben, was zu tun ist, aber nicht berücksichtigen, dass das nicht überall sinnvoll ist. Die Freiheit, das Richtige und Sinnvolle zu tun, fehlt mir. Das ist rechtlich nicht einfach.

Rießland: Danke für diese Wortmeldung, denn wertende Argumente führen immer in die Irre und verschließen den Kopf für weiteres Nachdenken.

Kasper: Diese Gefahr sehe ich auch, dass in den aktuellen Diskussionen vor allem Recyclingquoten gefordert werden. Aber das ist einfach nicht überall sinnvoll. Denn dafür brauche ich die entsprechenden Qualitäten, was vielleicht mit einem sehr hohen Energieeinsatz verbunden ist. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich als Präsident des Baustoff-Recycling-Verbands hier einmal als Mahner auftreten werde (lacht).

Report: Wie könnten die regulatorischen Maßnahmen aussehen? Man kann nicht für jeden Einzelfall eine eigene Richtlinie haben.

Kasper: Richtlinie nicht, aber man kann die Ausschreibungen offener gestalten und dem Bieter überlassen, was er versprechen und umsetzen kann.

Kranz: Die Kreislaufwirtschaft auf den Baustellen funktioniert ja auch jetzt recht gut. Für alles, was auf die Deponie kommt, muss Alsag bezahlt werden, und das will keiner. Damit wurde ein guter Anreiz für Kreislaufsysteme geschaffen. Jeder Auftragnehmer wird versuchen, vorhandene Ressourcen zu nutzen und Benefits für den Auftraggeber zu erzielen, um so den Zuschlag zu erhalten. Wenn es diese Benefits gibt, wird die Kreislaufwirtschaft zum Selbstläufer.

Rießland: Wir haben in den Ausschreibungen den Standardsatz »Ein Produkt, oder gleichwertiges«. Damit wird vor allem die Haftung hin und her geschoben.

Kopeinig: Wir haben in Österreich die gute Tradition der Rahmengesetzgebung. Wie stark der Rahmen geformt ist, ist auch eine Frage des gesellschaftlichen Konsenses. Ich plädiere für »Fördern« und »Fordern«. Die Forderung wird über die EU-Taxonomie kommen. Aber gefördert wird noch wenig, weil die Lebenszyklusbewertung fehlt. Das Ziel muss deshalb sein, die Kreislauffähigkeit bewertbar zu machen. Wir hatten ein Krankenhausprojekt, bei dem der Bauherr im Innenausbau die Bauteile nicht mehr kauft, sondern mit dem Trockenbauer einen Vertrag über den Lebenszyklus abschließt inklusive Rücknahmeverpflichtung. Vielleicht wird sich das bauwirtschaftliche System in diese Richtung verändern.

Report: Herr Schwarzschachner, aus Ihrer Sicht ein realistische Möglichkeit?

Schwarzschachner: Das ist auf jeden Fall denkbar und daran wird in unserem Bereich auch schon gearbeitet. Vor allem rechtliche Fragen sind zu klären, da solche Verträge über so lange Zeiträume eine echte Herausforderung sind.

Österreicher: Wir bewegen uns auf jeden Fall in eine Richtung, dass wir weniger ein Produkt als vielmehr eine Leistung kaufen. Das sieht man bei der Mobilität, Stichwort Carsharing, und jetzt auch im Energiebereich. Das ist ein gesellschaftliches Umdenken. Ich kaufe das Licht, nicht die Lampe, die Wärme und nicht die Heizung. Da werden sich spannende neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Pfeiler: Dafür braucht es aber wie beim Carsharing Anreize. Auch bei der Kreislaufwirtschaft muss man auf die Innovationskraft der Gesellschaft setzen. Wenn das Deponieren zu teuer wird, wird man sich Alternativen überlegen. 


Conclusio

Am Ende einigte sich die Expertenrunde auf folgende konkrete Maßnahmen und Forderungen:

- Kreislauffähigkeit von Produkten muss bewertbar gemacht werden
- Dort, wo es möglich und sinnvoll ist, braucht es ein Verwertungsgebot. ABER: Gesetze dürfen Kreislauf nicht verhindern, dafür braucht es Deregulierung; Priorisierung der Rechtsmaterien
- Deponieren teurer machen, Innovationen fördern
- Niederschwelliges Abfallende, um Kreislauf zu befördern
- Baukulturelle Strukturen schaffen, die die Nutzungsdauer von Bauwerken erhöhen
- Daten schaffen und nutzen (verarbeitete Materialien; Leerstände); digitaler Gebäudepass

 

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