Teil 3 der Serie »Außergerichtliche Streitbeilegung«
Konfliktbereinigung durch Entscheidung eines Dritten im summarischen Schnellverfahren
Beim Adjudikationsverfahren entscheidet ein unabhängiger und sachkundiger Dritter über den Konflikt in einem summarischen Schnellverfahren. Dieses Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung spielt in Österreich noch eine untergeordnete Rolle, hat sich international aber schon bei vielen Großprojekten bewährt.
Voraussetzungen und Begriff
Das Adjudikationsverfahren wurde in Großbritannien 1998 durch gesetzliche Regelung verbindlich eingeführt. Hierzulande bedarf es zu seiner Durchführung einer Vereinbarung der Parteien, einen oder mehrere Konflikte in einem Adjudikationsverfahren abzuhandeln. Die Abrede kann bereits im Grundvertrag, wie dies etwa in den Musterbüchern der FIDIC für internationale Bauprojekte vorgesehen ist, enthalten sein oder ad hoc getroffen werden.
Im Anlassfall wird dem/den von den Parteien gemeinsam beauftragten Adjudikator/en der Auftrag erteilt, nach Einbringung des Antrags auf Durchführung des Verfahrens durch eine der Parteien, binnen kurzer Fristen die Erwiderung der jeweils anderen Partei sowie allenfalls weitere Unterlagen anzufordern, ein summarisches – also auf das Wesentliche beschränktes – Beweisverfahren durchzuführen sowie auf dessen Basis eine Entscheidung zu treffen. Wesentlich ist, dass der Adjudikator innerhalb eines zeitlich begrenzten Rahmens den für den Konflikt wesentlichen Sachverhalt unter Mitwirkung der Parteien zu erheben hat und unter Anwendung seines Fachwissens innerhalb kurzer Zeit zu einer Entscheidung über den Konflikt kommt.
Verfahrensvorschriften
Das Adjudikationsverfahren unterliegt in Österreich keinen Form- oder Verfahrensvorschriften. Die Parteien können daher insbesondere die Person des Adjudikators, den Verfahrensablauf und die Ablaufdauer frei wählen, wobei hier auf standardisierte Verfahrensordnungen (außerhalb von Österreich) zurückgegriffen werden kann (etwa die deutsche DIS-AVO oder die FIDIC-Verträge). Die gemäß ZPO für das Schiedsverfahren geltenden Verfahrensgrundsätze (insbesondere die Unabhängigkeit des/r Adjudikators/en sowie die Wahrung des rechtlichen Gehörs) sind aber auch für das Adjudikationsverfahren beachtlich.
Es empfiehlt sich, insbesondere den Verfahrensablauf, die Fristen für die einzelnen Verfahrensschritte, die Mitwirkungsobliegenheiten der Parteien, den Umfang des Beweisverfahrens, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Hemmung der Verjährung, die Tragung der Verfahrenskosten, die Entscheidungskompetenzen des/r Adjudikators/en sowie allenfalls die Verfügung vorläufiger Anordnungen zu regeln.
Das Adjudikationsverfahren endet mit der Entscheidung des/r Adjudikators/en oder der Zurückziehung des Antrags durch die verfahrenseinleitende Partei. Letztlich ist es denkbar, dass die Parteien während des Verfahrens (allenfalls unter Anleitung des/r Adjudikators/en) zu einer einvernehmlichen Lösung kommen.
Bindungswirkung und Durchsetzung
Die Entscheidung im Adjudikationsverfahren ist grundsätzlich bis zum Vorliegen einer anderslautenden Vereinbarung oder eines (Schieds-)Gerichtsurteils vorläufig materiell-rechtlich bindend. Die vorläufige Bindungswirkung besteht grundsätzlich auch bei groben tatsächlichen oder rechtlichen Fehlern. Die Adjudikationsentscheidung ist zwar kein Exekutionstitel, sie ist aber gesondert einklagbar.
Sofern eine der Parteien mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, hat sie jenen Anspruch, der Gegenstand des Adjudikationsverfahrens war, binnen einer meist kurzen Frist (schieds-)gerichtlich geltend zu machen, andernfalls die Entscheidung endgültig bindend wird. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied des Adjudikationsverfahrens zum Schiedsgutachterverfahren, das einer uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist. Zweck und Sinn des Adjudikationsverfahrens ist es, letztlich eine für beide Parteien verbindliche Entscheidung innerhalb kurzer Zeit zu erhalten, um noch während der Ausführung verbindliche Festlegungen bei Streitfällen zu haben.
Fazit
Das Adjudikationsverfahren eignet sich in Bausachen vor allem zur Bereinigung von Konflikten über die Bauabwicklung selbst, um möglichst rasch eine verbindliche Festlegung zu strittigen Themen zu erhalten, die den Bauablauf erheblich verzögern können oder für das Gelingen des Gesamtprojekts von Bedeutung sind.
Die Gestaltung des Verfahrens unterliegt weitgehend der Parteiendisposition. Wesentlich ist wohl insbesondere die Wahl eines oder mehrerer Adjudikatoren, die das Bauvorhaben laufend begleiten. Zudem müssen die Adjudikatoren über die zeitlichen Ressourcen und fachlichen Kompetenzen verfügen, die für die Angelegenheit wesentlichen Umstände verfahrensökonomisch zu erheben und eine den wesentlichen Umständen entsprechende Entscheidung zu treffen. Diese kann nämlich nicht nur innerhalb kurzer Frist angefochten werden, sondern bleibt auch vorläufig so lange verbindlich und ist damit umzusetzen, bis eine anderslautende Entscheidung durch ein (Schieds-)Gericht vorliegt.
Die Autoren
Katharina Müller ist Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte mit den Beratungsschwerpunkten Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
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Mathias Ilg ist Juniorpartner bei Müller Partner Rechtsanwälte spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
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www.mplaw.at