Donnerstag, März 28, 2024
Energiegemeinschaften – Recht und Finanzierung

Bis zum Jahr 2030 sollen in Österreich 100 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Ener­gien stammen. Einen wesentlichen Beitrag dazu können Energiegemeinschaften liefern. Die Grundlagen dafür wurden eben im Nationalrat geschaffen werden. Damit öffnen sich nicht zuletzt für die Bau- und Immobilienbranche spannende neue Geschäftsfelder. Ein Überblick über die rechtlichen Aspekte und verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten.

⇒ Energiegemeinschaften im Überblick (Tabelle als PDF)

⇒ Finanzierungsbeispiele für Energiegemeinschaften (Tabelle als PDF)


Seit 2017 bietet das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) die Möglichkeit von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen. Allerdings war es bislang nicht möglich, mehrere Mitglieder über das öffentliche Verteilernetz zu verbinden. Entsprechend überschaubar war der Erfolg. Jetzt bekommt das Thema neuen Schwung. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und einer Novelle des ElWOG wird die Grundlage für erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) und Bürgerenergiegemeinschaften (BEG) geschaffen (siehe Übersicht).

»In Zukunft kann das Verteilernetz genutzt werden und das sogar zu vergünstigten Konditionen. Damit können auch Mitglieder verbunden werden, die nicht im selben Gebäude oder Gebäudeverbund leben«, erklärt Dominik Kurzmann, Experte für Energierecht und Finanzierungen von Energieprojekten bei PHH Rechtsanwälte. Mit der Bürgerenergiegemeinschaft können sogar Bundesländergrenzen überschritten werden. Weil dafür aber höhere Netzkosten anfallen, glaubt Kurz­­mann, dass sich EEG gegenüber BEG wohl durchsetzen werden.

Großes Interesse

Bild oben: »Für eine funktionierende Energiegemeinschaft braucht es neben einer passenden Gesellschaftsform auch die richtigen Partner«, sagt Dominik Kurzmann, PHH Rechtsanwälte.

 

Österreich will bis zum Jahr 2030 100 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien produzieren. Einen wesentlichen Beitrag dazu sollen Energiemeinschaften liefern. Sie ermöglichen eine lokale und dezentrale Produktion von erneuerbarer Energie und bieten mit reduzierten Gebühren und zusätzlichen Förderungen eine preisstabile Unabhängigkeit vom Energiemarkt. Die Mitglieder können gemeinsam Energie erzeugen, verbrauchen, speichern und verkaufen.

Das Interesse an Energiegemeinschaften ist groß. »An uns treten Gemeinden, Anlagenbauer und Energieversorger heran, um gemeinsame Möglichkeiten auszuloten«, sagt Kurzmann. Die Anlagenbauer wollen Photovoltaikanlagen errichten, wofür in vielen Fällen Umwidmungen der Gemeinden nötig sind. Die Gemeinden können selbst Teil der Energiegemeinschaft sein und zusätzlich ihren Bürgern günstige Energie zur Verfügung stellen. Und die Energieversorger stellen ihre Netze zur Verfügung und bieten Dienstleistungen rund um die aus dem ElWOG entstehenden Rechte und Pflichten.

Chance für die Immobilienwirtschaft

Bild oben:  »Der CO2-Fußabdruck wird in Zukunft den Wert einen Immobilie maßgeblich mitbestimmen. Nicht nur bei der Veräußerung, sondern auch in der Bilanzierung. Entsprechend groß ist das Interesse an erneuerbaren Energiegemeinschaften«, sagen Lorena Škiljan und Peter Gönitzer, Nobile Group. 

 

Großes Interesse ortet auch Lorena Škiljan, Managing Partner der Nobile Group, die im Bereich Erneuerbarer Energien neue Geschäftsmodelle und Technologien entwickelt. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei Erneuerbare Energiegemeinschaften. Die Nachfrage kommt nicht zuletzt aus der Bau- und Immobilienbranche. »Bauträger, Architekten und Baufirmen sind sehr interessiert«, sagt Škiljan. Unter dem Stichwort der Sektorkopplung kann die Erzeugung von erneuerbarem Strom und Wärme miteinander verbunden werden.

»Das ist eine logische Erweiterung der Wertschöpfung. Rund um das Gebäude entsteht ein eigenes Ökosystem«, ergänzt Geschäftsführer und Co-Founder Peter Gönitzer, CEO der Nobile Group. Während bislang die Erlöse vor allem aus der Vermietung oder dem Verkauf der Immobilie gekommen ist, können Energiegemeinschaften eine neue Erlössäule bilden. Photovoltaikanlagen auf Dachflächen können an Energiegemeinschaften verpachtet werden, Bauträger und Immobilieneigentümer können aber auch selbst Teil der Energiegemeinschaft werden.

»Mit den Eigentümern oder Mietern hat man fixe Abnehmer und man schafft einen kalkulierbaren Mehrumsatz ohne konjunkturelle Schwankung«, so Gönitzer. Wird die überschüssige Energie lediglich ins Netz eingespeist, ist mit bescheidenen Renditen von 1-3 % zu rechnen. »Versorgt man aber die Umgebung mit, steigen die Renditen auf 5-6 %«, erklärt Gönitzer.

Die Finanzierung der Infrastruktur für Erneuerbare Energiegewinnung stellt laut Gönitzer aufgrund des aktuellen Zinsniveaus und den attraktiven Fördermöglichkeiten aktuell kein Problem dar. Allerdings wäre es wichtig, dass zukünftig auch die Planungsphase gefördert wird. »Wenn man hier in Vorleistung gehen muss, könnte das zu einem echten Hemmschuh werden«, ist Škiljan überzeugt.

Gesellschaftsform & Partner

Eine zentrale Herausforderung für Energiegemeinschaften wird es sein, die richtige Gesellschaftsform zu finden. Während viele in erster Linie an die Vereinsform denken, ist Kurzmann skeptisch. »Es braucht klare Strukturen und eine Corporate Governance, die Haftungsfragen müssen geklärt sein«, sagt Kurzmann, der die Genossenschaft favorisiert. Wie Energiegemeinschaften verfolgen auch Genossenschaften einen Förderzweck. Ähnlich wie bei einem Verein, aber anders als bei Kapitalgesellschaften können auch die Mitglieder leicht wechseln und neue Mitglieder aufgenommen werden. Da wird sich laut Kurzmann in absehbarer Zeit ein Standard durchsetzen.

Eine weitere Herausforderung werden die richtigen Partner sein. »Für alles, was ich nicht selbst abdecken kann, muss ich externe Experten ins Boot holen«, so Kurzmann.

Letzte Schritte

Das für Energiegemeinschaften nötige EAG und die Novelle des ElWOG wurde in der letzten Sitzung des Nationalrats vor der Sommerpause verabschiedet. »Das Interesse ist groß. Gemeinden, Anlagenbauer, Energieversorger und die Wohnbaugenossenschaften – alle wollen loslegen«, sagt Kurzmann, der vom Erfolg des Konzepts überzeugt ist – ebenso wie Gönitzer und Škiljan, die davon ausgehen, dass es in drei bis fünf Jahren in Österreich mehrere tausend Energiegemeinschaften geben wird. »Den Anfang wird der Strom machen, dann werden Wärme und Elektromobilität dazukommen.«


Über Nobile Group

Nobilegroup, ein Beratungsunternehmen und Projektentwickler für erneuerbare Energielösungen, wurde 2019 von Lorena Škiljan und Peter Gönitzer gegründet. Die beiden vereint eine langjährige Expertise im Energie- und Infrastruktursektor. Nobilegroup entwickelt gemeinsam mit kommunalen Kunden und Unternehmen Energiegemeinschaften und individuelle Energielösungen.

Info: www.nobile-group.com


Über PHH Rechtsanwälte

PHH Rechtsanwälte ist eine der führenden Wirtschaftskanzleien Österreichs und wurde national und international mehrfach ausgezeichnet. Im Energiebereich bietet die Kanzlei langjährige Expertise bei der Entwicklung, Errichtung, Akquisition und Finanzierung von Energie- und Infrastrukturprojekten sowie im Umwelt-, Vergabe- und Gesellschaftsrecht.

Info: www.phh.at

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