Der Bau & Immobilien Report hat bei den großen Softwarehäusern, Dienstleistern und Telkos nachgefragt, welche Branchenlösungen sie für den Bau im Portfolio haben und woran noch getüftelt wird. Außerdem: Worauf man bei der Digitalisierung achten muss und warum es auch für die Bauwirtschaft wichtig ist, den Unterschied zwischen Digitalisierung, Digitalisation und digitaler Transformation zu kennen.
Auch in der Baubranche hat sich in Sachen Digitalisierung in der letzten Zeit einiges getan. Aus dem einfachen Grund, dass »man eh nicht drum herumkommt«, wie Robert Staufer-Wierl, Geschäftsführer der ib data GmbH, im Gespräch mit dem Bau & Immobilien Report feststellt (siehe auch Seite 23). Prozesse werden zunehmend digital abgebildet, immer mehr Unternehmen arbeiten mit Drohnen und Laserscanner und auch auf der Baustelle selbst haben digitale Lösungen längst Einzug gehalten. Die Corona-Pandemie hat viele Digitalisierungsschritte beschleunigt, dennoch gibt es im Vergleich zu anderen Branchen noch Luft nach oben.
»Es gibt sicher einige herausragende Projekte, aber generell ist die Branche in Österreich noch dabei, die Hausaufgaben zu definieren und abzuarbeiten«, sagt Nicole Prieller, Geschäftsführerin und Leitung Digital Consulting bei PwC Österreich. Auch Ivan Baresic-Franjic, A1 Digital Vertical Market Solutions, teilt die Einschätzung, dass der Digitalisierungsplafond längst nicht erreicht ist. »Die Baubranche produziert in etwa dieselbe Menge an Daten wie die Finanzindustrie. Jedoch bleiben diese Daten zu großen Teilen ungenutzt, da man entweder kein einheitliches System zur Verwaltung dieser Daten hat oder man auf den ersten Blick keinen weiteren Verwendungszweck erkennt.«
A1 Digital hilft Unternehmen dabei, diese Daten zu analysieren. Das Ergebnis kann eine Erweiterung der Wertschöpfungskette sein, indem neue Services und Leistungen angeboten werden. »Vermögenswerte wie Bagger und andere Geräte können an andere Unternehmen verliehen werden, wenn diese für einen gewissen Zeitraum nicht selbst benötigt werden. Das Unternehmen hat dabei jederzeit die Daten der Maschine im Blick. Hier sprechen wir dann von Product-as-a-Service«, so Baresic-Franjic.
Die digitale Transformation
Unternehmen, die weitreichende Digitalisierungsschritte setzen wollen oder schon mitten im Change-Prozess stecken, sollten sich ganz genau darüber bewusst sein, was sie tun und wo Fallstricke lauern. »Man muss wissen , wie sich der Markt in der eigenen Branche im Bereich in der Technologie entwickelt und was der Unterschied zwischen Digitalisierung und Digitalisation ist«, sagt Prieller. Während es bei der Digitalisierung darum geht, analoge Dateien digital umzuwandeln, hat Digitalisation den Zweck, diese digitalen Dateien und Technologien zu nutzen. Die digitale Transformation schließlich benutzt die Technologie, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und neue Kunden zu gewinnen. »Ohne dieses Grundverständnis auf allen Ebenen werden in der Regel die falschen Entscheidungen getroffen«, sagt Prieller, die davor warnt, ohne Strategie neue Technologien anzuschaffen oder ein Projekt zu starten. Schließlich handle es sich um einen jahrelangen Transformationsprozess.
Menschen zuerst
Für Andreas Höllrigl, Account Manager Construction & Infrastructure Microsoft Österreich, findet Digitalisierung in zwei Silos statt. »Einmal die Technologie, also in diesem Fall das digitale Bauen an sich, und einmal die Menschen, die damit arbeiten, darüber kommunizieren und kollaborieren.« Damit die menschliche Seite gut funktioniert, müssen die Technologien viel flexibler und skalierbarer werden. Nur wenn die Mitarbeiter*innen die täglichen Werkzeuge beim Arbeiten verstehen und gezielt einsetzen können, werden sie zum Vorteil anstatt zur Last. Als Beispiel nennt Höllrigl Microsoft Teams. »Wir haben damit eine Plattform geschaffen, die nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch mobil und von unseren Partnern genutzt werden kann. Das bringt ganz neue Möglichkeiten, nicht nur bei der Sprachkommunikation, sondern auch bei der digitalen Dokumentation von Projekten in Echtzeit zum Beispiel.«
Gestiegene Nachfrage durch Corona
Die Coronakrise hat bei den meisten IT-Dienstleistern zu einer verstärkten Nachfrage geführt, auch aus der Baubranche. »Viele Unternehmen haben die Coronakrise genützt, um die diversen Digitalisierungsvorhaben weiterzubringen. Gefragt sind Lösungen, die die Prozesseffizienz und die Qualität der Leistungen der Unternehmen steigern«, erklärt Christoph Gauß, Senior Director von Avanade.
Bei Microsoft war eine verstärkte Nachfrage nach einem Ausbau der IT-Infrastruktur spürbar. Weil Servicierungen und Wartungen nicht mehr persönlich vor Ort durchgeführt werden konnten, ist die Nachfrage und das Interesse für Serverless Branch Offices oder Serverless Construction Sites erheblich angestiegen. »Auch bei Unternehmen, die sich davor noch nie mit diesen Dingen beschäftigt hatten«, erklärt Höllrigl.
Bei A1 ist die Nachfrage nach Lösungen für Fleet & Asset Management deutlich gestiegen. »Unternehmen möchten heute wissen, wie und wo ihre Fahrzeuge sowie andere Vermögenswerte eingesetzt werden«, erklärt Baresic-Franjic. Für Fahrzeugflotten bietet A1 Digital einfache Telematik-Nachrüstlösungen an, die neben der Echtzeit-Position auch Betriebsdaten wie z.B. gefahrene Kilometer und Motorbetriebsstunden ermitteln. Assets können mit Predictive Maintenance möglichst effizient und möglichst lange im Einsatz bleiben. »Dank Machine Learning vergleichen wir historische Daten eines Assets mit aktuellen Daten, die über Sensoren ermittelt werden. Bei Abweichungen wird ein Trigger ausgelöst und die zuständige Abteilung informiert.«
Woran geforscht wird
Fragt man die IT-Dienstleister, an welchen Lösungen für die Baubranche aktuell gearbeitet und geforscht wird, bekommt man die ganze Bandbreite der Digitalisierung zu hören. Bei A1 geht es um beinahe schon Klassisches wie Virtual und Augmented Reality sowie den Einsatz von Drohnen, aber auch für die Branche noch relatives Neuland wie Big Data und Analytics. »Durch die Einbindung vieler verschiedener Parameter wie Wetter, Rohstoffpreise oder verfügbare Mitarbeiter kann noch effizienter gearbeitet und geplant werden«, ist Baresic-Franjic überzeugt.
Microsoft macht sich Gedanken über die Verarbeitung und Speicherung der rasant steigenden Datenmengen. Neue Datenquellen müssen angelegt und automatisiert werden, um sie in Echtzeit den richtigen Ressourcen zuzuordnen oder sie zu visualisieren. »Im Moment ist das noch Zukunftsmusik in vielen Unternehmen, aber nicht unlösbar«, ist Höllrigl überzeugt. Die Microsoft Azure Cloud bietet Kunden vorkonfigurierte Anwendungen für die Speicherung von Daten im Rohformat und weitere Analyse und Verarbeitung. »Eine eigene moderne zentrale Datenbank anzulegen ist zwar ein großes Unterfangen, aber mit dem richtigen Ansatz sehr wohl umsetzbar – und zahlt sich am Ende definitiv aus«, so Höllrigl.
Bei Magenta arbeitet man vor allem daran, den alltäglichen Problemen am Bau entgegenzuwirken, wie etwa der Lokalisierung der Betriebsmittel. »Die Anschaffung von Werkzeugen, Maschinen und Fahrzeugen wird immer kostenintensiver und es ist schwierig, den Überblick auf Baustellen zu behalten, wo diese sind. Maschinen kommen abhanden und können leicht gestohlen werden«, sagt Ewald Kiss, Vice President IoT & Immobilien bei Magenta Telekom. Dafür wurde der LowCost Tracker LITE entwickelt, der auf einer Karte den Standort der gesamten Betriebsmittel, die sich im Einsatz befinden, visualisiert.
Auktionsmodul für Preisverhandlungen
Für die Nachverhandlungen bei Ausschreibungen stellt der Onlineservice Nova AVA BIM jetzt ein Auktionsmodul als neue digitale Plattform für den Bieterwettbewerb um das beste Angebot bereit. Damit können die Ausschreibungsteilnehmer ihre Preise über das Auktionscockpit schrittweise verbessern, um den Auftrag zu erhalten. Die Ergebnisse der inversen Auktion stehen nach deren Ablauf direkt im Preisspiegel zur Verfügung. »Dieses Tool haben wir auf Wunsch eines unserer Kunden entwickelt, nun stellen wir es natürlich allen Anwendern zur Verfügung«, sagt Felix Grau, Geschäftsführer der Nova Building GmbH.
Zur Vorbereitung einer Auktion werden vom Organisator zunächst die gewünschten Parameter wie Beginn und Dauer, Mindestgebotsschritte und das individuelle Startgebot der Teilnehmer festgelegt. Zusätzlich können der Auktion rechtliche oder informative Dokumente zugeordnet und den Teilnehmern bereitgestellt werden.
Während des festgelegten Auktionszeitraums können sich die Teilnehmer im Auktionscockpit gegenseitig mit der Abgabe von Pauschalpreisangeboten für den Auftrag unterbieten, um schließlich das beste Angebot abzugeben. Eine Bestätigungsmeldung nach jeder Gebotsabgabe verhindert dabei Fehler durch unbeabsichtigte Gebote. Die Bieter erhalten sofortiges Feedback, ob ihr Gebot angenommen werden konnte und erkennen immer ihren eigenen Rang in der laufenden Auktion. Über Veränderungen im Status werden sie per Mail informiert. Die Sicht auf die jeweiligen Mitbewerbergebote ist geschützt.