Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklären die Vorstände der VST Building Technologies AG, Kamil Kowalewski und Bernd Ackerl, wie sich VST Fertigteile vom Mitbewerb unterscheiden, warum BIM ein europäisches Thema sein müsste und warum ein Unternehmen aus Leopoldsdorf im Großraum Stockholm ein absoluter Big Player ist.
Report: VST produziert industriell vorgefertigte Bauelemente für den großvolumigen Hochbau. Was unterscheidet VST von anderen Herstellern?
Kamil Kowalewski: Unsere Elemente bestehen aus 24 mm dicken, zementgebundenen Spanplatten mit einem hohen Holzanteil. Damit sind die Elemente deutlich leichter, können einfacher versetzt und weiter transportiert werden. Unser Werk in Nitra kann praktisch ganz Europa beliefern, weil wir bis zu 200 m² Wände bzw. 500 m² Decken auf einen LKW bekommen. Außerdem ist der Vorfertigungsgrad sehr hoch, wir können Elektro-Leerverrohrungen, Installationen und sogar Fenster einbauen. Die Elemente werden dann auf der Baustelle nur noch versetzt und ausbetoniert, wobei sich der Betonkern mit den Schalungen verbindet.
Report: Für einen hohen Vorfertigungsgrad braucht man eine gewisse Planungstiefe. Ist diese Tiefe vorhanden?
Kowalewski: BIM ist hier ein wichtiger Treiber, weil es zu einem höheren Planungsgrad vor der Bauphase zwingt und das der Vorfertigung natürlich zugute kommt. In Irland stehen wir kurz vor Beginn eines BIM-Projekts, in Österreich und Deutschland ist die Nachfrage aber überschaubar. Das liegt auch daran, dass es einfach noch zu wenige BIM-Bibliotheken gibt. Da sind vor allem auch Zulieferer wie wir in der Pflicht. Deshalb haben wir eine Datenbank mit den Attributen unserer Produkte angefertigt.
Report: Mit dem Merkmalserver und dem Merkmalservice gibt es aktuell einige parallele Bestrebungen in diese Richtung.Ein richtiger Ansatz?
Kowalewski: Das sollte eigentlich auf EU-Ebene passieren und nicht auf Ebene der Nationalstaaten. Es muss festgelegt werden, wie die Kommunikation zwischen den einzelnen Systemen aussehen soll. Das Ziel muss sein, dass in der Migration keine Daten mehr verloren gehen. Das ist aktuell nicht der Fall.
Report: Man hat den Eindruck, dass VST international eine deutlich größere Rolle spielt als national. Wie wichtig ist der österreichische Markt für VST?
Bernd Ackerl: Österreich ist als Heimmarkt natürlich wichtig, vom Umsatz her spielen aber andere Märkte eine größere Rolle. Das liegt auch daran, dass wir eine Nische besetzt haben, die es in Österreich noch nicht gegeben hat. Wir haben 2007 das erste Passivhaus mit Fertigteilen gemacht, das war damals in Österreich noch kein Thema. Da war man in den skandinavischen Ländern schon weiter, auch was die Zertifizierung von Gebäuden anbelangt. Auch in Polen wird praktisch jede Immobilie zertifiziert. Da dominiert der Wettbewerbsgedanke. In Österreich vermisse ich diesen Wettbewerb der Ideen um die beste Immobilie.
Dazu kommt, dass in Österreich immer noch viel mit Ziegel gebaut wird. Es gibt auch viele Betonfertigteillieferanten. Da ist die Konkurrenz groß. Je mehr das Pendel Richtung Ökonomie und Passivhaus ausschlägt, desto stärker ist unsere Position.
Report: Gerade der schwedische Markt scheint für VST wichtig zu sein. Welche Rolle spielt dabei die Kooperation mit Skanska?
Kowalewski: Skanska war vor rund 15 Jahren auf der Suche nach einem passivhaustauglichen System, das auf der Baustelle weniger Manpower benötigt. Dabei sind sie auf uns gekommen. Wir wurden ein Jahr lang auf Herz und Nieren geprüft, bevor es zu einer echten Zusammenarbeit gekommen ist. In gewisser Weise läuft der Test immer noch, weil wir seit 15 Jahren regelmäßige Reports bekommen, wie sich unser Produkt verhält. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Pilzfreiheit der Holzplatte. Bislang hat es aber immer gepasst (lacht).
Ackerl: Mittlerweile haben wir uns aber auch abseits von Skanska gut am Markt positioniert und realisieren vor allem Großprojekte wie Schulen oder ein Studentenheim mit über 1.000 Einheiten. In Großraum Stockholm sind wir an zehn Prozent des Neubauvolumens beteiligt.
Report: Sie sind auch in China und den USA aktiv. In welchen Märkten sehen Sie die größten Wachstumschancen?
Ackerl: Langfristig schon in Skandinavien. In Ländern wie China und USA geht es in erster Linie um Werksanlagenbau und Lizenzvergaben. Das haben wir auch in Russland und Weißrussland so gemacht. Da hängt viel davon ab, den richtigen Partner zu finden. Auch die Benelux-Staaten sind spannend, ebenso Irland. Dort ist eine Zeit lang alles stillgestanden, jetzt wird aber wieder richtig viel gebaut.
Report: Wird auch in Zukunft alles von Ihrem Werk in Nitra beliefert oder sind auch neue Werke geplant, etwa in Skandinavien?
Kowalewski: Skandinavien kommt als Standort für eine Werksanlage aus mehreren Gründen derzeit nicht in Betracht: Das Preisniveau ist hoch, es gibt relativ wenige Förderungen für Industrieprojekte und es gibt kaum geeignete Industrieparks. Interessanter ist da der polnische Markt. Da sieht man auch bei anderen Industrieunternehmen, die ihre Werke im Norden Polens errichten und von dort aus den skandinavischen Markt bedienen. Wir haben auch vor Corona schon eine Standortanalyse in Polen durchgeführt und sind auch durchaus fündig geworden. Mit der Pandemie haben wir dieses Thema aber vorerst nach hinten gestellt. Derzeit sind die Kapazitäten in Nitra ausreichend. Wir könnten aber in Polen jederzeit innerhalb von zwölf Monaten ein kleines Werk hochziehen.
Report: Die Bauwirtschaft ist eine der wenigen Branchen, die relativ gut durch die Coronakrise gekommen ist. Welche Auswirkungen hatte Corona auf VST?
Ackerl: Bei den Lizenzvergaben war das Geschäft rückläufig, weil während der Pandemie keine Werksbesichtigungen möglich waren und niemand viel Geld in die Hand nimmt, wenn er nicht vorher gesehen hat, was er kauft. Das restliche Geschäft war von Markt zu Markt unterschiedlich. Nach der kurzen Schockstarre konnten wir mit wenigen Ausnahmen unsere Baustellen weiter bearbeiten. Teilweise musste aber die Taktung angepasst werden.
In Summe konnten wir den Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr von 41,9 Mio. Euro auf 58,6 Mio. Euro steigern. Die Betriebsleistung kletterte von 42,1 Mio. Euro auf 64,2 Mio. Euro. Das EBITDA lag bei 0,1 Mio. Euro im Vergleich zu –3,8 Mio. Euro im Jahr davor. Das Betriebsergebnis belief sich auf –1,4 Mio. Euro nach –4,6 Mio. Euro im Vorjahr. Für 2021 rechnen wir bedingt durch die Entkonsolidierung von Premiumverbund Deutschland mit entsprechend rückläufigen Umsatzerlösen.
Report: Wie sehen Ihre kurz- und mittelfristigen Pläne aus?
Kowalewski: Kurzfristig geht es vor allem darum, das Thema BIM zu pushen. Wir werden einen Katalog mit all unseren Produkten und Attributen erstellen, um die Architekten, Entwickler und Baustoffhändler damit zu füttern. Wenn jemand ein Gebäude mit VST errichten will, soll das mit Drag & Drop gehen.
Parallel dazu steigern wir laufend den Automatisierungsgrad in Nitra. Gemeinsam mit den technischen Universitäten in Wien und Bratislava oder dem Fraunhofer Institut wird laufend evaluiert, was machbar und sinnvoll ist. Da bekommen wir sehr wertvollen Input.
Außerdem wollen wir den Nachhaltigkeitsgedanken noch stärker leben und gehen in Richtung grüner Beton. Da gibt es jetzt glücklicherweise wieder Anbieter und wir können beginnen, zu kalkulieren. Damit wäre es möglich, im Rohbau bis zu 30 % CO2 einzusparen. Mittelfristig geht es darum, Marktanteile zu gewinnen. Da bin ich auch optimistisch, weil die Branche die Vorteile der Vorfertigung immer mehr erkennt.
Auch der Trend zu mehr Ökologie kommt uns entgegen. Wir realisieren seit vielen Jahren das, was der Markt jetzt verlangt.
Ackerl: Dank unserem Betonkern können wir auch Bauteilaktivierung anbieten. Vor allem Deckenkühlung wird immer beliebter. Da wird die Nachfrage deutlich steigen. Wir sind auf jeden Fall gerüstet.