Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht der neue Vorstandsvorsitzende der S Immo, Bruno Ettenauer, über das aus seiner Sicht unattraktive Übernahmeangebot der Immofinanz, seine Pläne für ein Stand-alone-Szenario und die Regionen und Assetklassen mit dem größten Potenzial.
Report: Sie sind seit Mitte März Vorstandsvorsitzender der S Immo. Damit stehen wir knapp vor der berühmten 100-Tage-Frist, die Politikern zugestanden wird, um eine eigene Handschrift erkennen zu lassen. Wie würden Sie Ihre ersten 100 Tage bei der S Immo beschreiben, mit Corona und den Übernahmeambitionen der Immofinanz war ja einiges los?
Bruno Ettenauer: Aus meiner früheren Tätigkeit bei der CA Immo war mir die S Immo natürlich gut bekannt. Man hat sich als Peer verglichen und genau verfolgt, was die Kollegen machen. Das Verständnis für das Unternehmen und die DNA war also von Anfang an vorhanden. Das hat vieles erleichtert. Dafür hat die ganze Thematik rund um Corona, Stichwort Homeoffice, das Einarbeiten und Kennenlernen erschwert. Das wurde aber kompensiert durch die Übernahmeambitionen der Immofinanz, die in kürzester Zeit zu einer sehr intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit allen Kollegen geführt haben. Ein großer Vorteil war auch, dass es keinen Änderungsbedarf in der Führung der S Immo gab. Das hat sich auch in den Zahlen ausgedrückt, die trotz Corona gut waren, auch wenn es in einzelnen Segmenten wie den Hotels Einbrüche gab. Natürlich habe ich auch eigene Ideen und strategische Vorstellungen. Die wollte ich ursprünglich im Sommer dem Aufsichtsrat vorlegen und für die nächsten zwei, drei Jahre festlegen. Das verzögert sich jetzt etwas.
Report: Sie haben dem Übernahmeangebot der Immofinanz eine klare Absage erteilt. Was wäre aus Ihrer Sicht ein angemessenes Angebot gewesen? Anders gefragt: Was muss passieren, dass Sie einer Übernahme zustimmen?
Ettenauer: Unsere Aufgabe war es, den Aktionären eine Basis zu liefern, damit sie eine Entscheidung treffen können. Wir haben das Angebot aus mehreren Gründen für nicht angemessen gehalten. Das hat natürlich beim Preis begonnen, der den inneren Wert der S Immo in keiner Weise widerspiegelte. Dazu kamen Schwächen des Angebots etwa bei geforderter Abschaffung des Höchststimmrechts. Dafür müsste zumindest eine Prämie gezahlt werden. Das hat die Immofinanz auch schon gemacht, hat die Prämie aber einem Einzelaktionär gezahlt. Und das ist nicht korrekt. Wäre das Angebot attraktiv gewesen, hätten wir die Annahme empfohlen. Aber das war es aus unserer Sicht nicht.
Report: Wie sehen Ihre konkreten Pläne für ein Stand-alone-Szenario aus, wenn aus der Übernahme nichts wird?
Ettenauer: Der Kapitalmarkt sieht es in der Regel nicht gerne, wenn man Aktien von Mitbewerbern hält. Die Idee dahinter war die berühmte große österreichische Lösung. Außerdem waren beide Aktien deutlich unterbewertet. Von der gemeinsamen Lösung sind wir im Moment aber weit entfernt. Deshalb wollen wir diese Aktien verkaufen, um in Immobilien zu investieren. Das ist für uns sehr attraktiv, weil die Finanzbeteiligungen – vorsichtig ausgedrückt – sehr geringe Renditen erzielen.
In Deutschland war die S Immo in der Vergangenheit vor allem auf Wertsteigerung aus. Man hat Wohnobjekte mit niedrigen Mieten gekauft oder Grundstücke rund um Berlin, um Widmungserfolge zu erzielen. Das ist eine sehr langfristige Strategie. Es braucht aber auch eine zweite Säule, die unmittelbar Mieten bringt. Damit habe ich schon bei der CA Immo gute Erfahrungen gemacht und denke, dass das auch hier die richtige Strategie ist, wenn es zu keiner Übernahme kommt.
Report: Ihr Vorgänger hat stark auf den deutschen Markt gesetzt, in den letzten Jahren lag der Fokus auf Sekundarstädten und dem Umfeld von Berlin. Auch mit dem von Ihnen angesprochen Fokus der Wertsteigerung. Ist die Säule der unmittelbaren Mietgenerierung eine Abkehr dieser Strategie?
Ettenauer: Nein, das sehe ich nicht so. Das hat man ja auch früher schon gemacht. Wir wollen aber eine Balance zwischen Mietgenerierung und Wertsteigerung schaffen. Wir wollen auch eine Balance in den Regionen. Aktuell haben wir rund zwei Drittel der Immobilien in Österreich und Deutschland, der Rest entfällt auf CEE. Gerade das dynamische Income-Producing sehe ich eher in CEE, die Wertsteigerung eher in Deutschland und Österreich.
Bei der Asset-Allokation sehe ich aktuell keinen Änderungsbedarf. Es ist im Moment auch nicht der richtige Zeitpunkt, sich von Immobilien zu trennen, die vielleicht aufgrund der Coronakrise im Moment weniger abwerfen.
Report: Gerade die vor einigen Jahren gekauften Grundstücksflächen rund um Berlin sind eine klassische Wette auf die Zukunft?
Ettenauer: Jein. Wenn man sich andere Metropolen ansieht, dann hat es immer diese Entwicklungen gegeben, dass die Regionen um das Zentrum immer weiter nach außen wachsen. Das ist in Wien nicht anders. Da war erst der Süden interessant, dann der Norden und entlang der Donau und jetzt reden wir schon von Mistelbach, Wolkersdorf und im nächsten Schritt vom Marchfeld. Ähnliches erwarte ich mir auch in Berlin. Da ist jetzt Potsdam ganz stark, aber das neue Tesla-Werk wird auch in Grünheide für einen enormen Schub sorgen. Wir haben im Berliner Umfeld um knapp 15 Euro pro Quadratmeter eingekauft. Da ist das Risiko überschaubar. Man wird teilweise aber Geduld brauchen.
Man hat auf einen sehr klugen Streuungseffekt gesetzt und frühzeitig erkannt, welche Liegenschaften man eintauschen kann. Das kann auch bei der Widmungsfrage eine zentrale Rolle spielen. Im Unterschied zu Berlin sind die Kommunen im Umfeld sehr stark an gemeinsamen Entwicklungen interessiert – und zwar unabhängig von der politischen Ausrichtungen.
Report: Im Bereich CEE hatte ich in den letzten Jahren den Eindruck, dass es vor allem Einzelprojekte gab, allen voran The Mark in Bukarest. Werden Sie die Aktivitäten verstärken?
Ettenauer: Wir wollen natürlich eine gewisse Größe erreichen. Damit wurde auch schon im letzten Jahr etwa mit dem Kauf der Büroimmobilie Campus 6 in Bukarest begonnen. Da kann man dann mit prominenten Mietern wie etwa Microsoft auch schöne Mieten erzielen. Wir werden uns auch in Zukunft auf die Hauptstädte konzentrieren und auch neue Immobilien zukaufen.
Report: Wie wichtig sind eigene Entwicklungen?
Ettenauer: Eigenentwicklungen haben natürlich den Nachteil, dass sie viel Kapital binden und nicht unmittelbar Mieteinnahmen generieren. Wir haben aktuell ein Projekt in Budapest, aber Eigenentwicklungen werden auch in Zukunft nicht unser Schwerpunkt sein.
Report: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in der von Corona besonders arg gebeutelten Assetklasse Hotel?
Ettenauer: Im Gegensatz zu Wohnen oder Büro spürt der Hotelmarkt wirtschaftliche Veränderungen sofort. Die Gäste bleiben sofort aus, sie kommen aber auch gleich wieder. Der Freizeittourismus wird schnell wieder anziehen. Deshalb würden wir jetzt auch nie Hotels verkaufen.
Report: Denken Sie im Umkehrschluss daran, zu kaufen?
Ettenauer: Nein, der Markt gibt das auch nicht her. Außerdem verfolgen wir nicht kurz-, sondern mittel- und langfristige Ziele.
Schwierig wird sicher der Städtetourismus. Da wird es deutliche Rückgänge geben. Es wird aber auch das Angebot geringer werden. Hotels, die jetzt einen größeren Investitionsbedarf haben, werden kaum Fremdmittel bekommen. Da wird es sicher zu einigen Nutzungsänderungen kommen.
Report: Ihr Vorgänger hat seine Unternehmensstrategie als »bewusst konservativ« bezeichnet. Welches Attribut würde Sie sich zuschreiben?
Ettenauer: Ich sehe mir gerne an, wie warm das Wasser ist, in das ich reinspringen will. Wenn wir in neue Märkte gehen, wollen wir nicht dieselben Fehler begehen wie andere, sondern davon lernen. Deshalb arbeiten wir auch immer mit Menschen vor Ort.
Report: Wo sehen Sie kurz-, mittel- und langfristig das größte Potenzial – sowohl geografisch als auch inhaltlich?
Ettenauer: Ich denke, dass Deutschland allwettertauglich ist, mit allen Höhen und Tiefen. Aber natürlich trifft man in Städten wie Hamburg auf Mitbewerber, die Zugang zu billigerem Geld haben. Damit ist man schnell zweiter Sieger. Deshalb setzen wir weiter auf den Großraum Berlin und Sekundarstädte wie Halle oder Erfurt.
Perspektivisch bin aber auch fest von Rumänien überzeugt, vor allem von Bukarest. Wir wollen uns geografisch auch nicht erweitern. Jetzt geht es darum, die Potenziale dort zu realisieren, wo man ist.
Report: Wenn wir uns Mitte März wiedersehen sollten: Was muss passiert sein, dass Sie von einem erfolgreichen ersten Jahr als CEO der S Immo sprechen würden?
Ettenauer: Am wichtigsten wäre eine erfolgreiche De-Investition der Aktien und eine Re-Investition in Immobilien. Großen Wert lege ich auch auf eine Kontinuität in der Mannschaft. Das würde nämlich bedeuten, dass alle mitgezogen haben. Davon bin ich aber auch überzeugt. Denn meine Erwartung an die S Immo waren zwar hoch, sind aber noch deutlich übertroffen worden.