Auf den ersten Blick hat der heimische Immobilienmarkt im Krisenjahr 2020 eine ordentliche Delle abbekommen. Verglichen mit 2019 gingen die Immobilieninvestitionen um über 40 Prozent zurück. Einzelne Segmente sind bislang aber ganz gut durch die Krise gekommen. Am stärksten nachgefragt wurden Wohn- und Logistikunternehmen und allen Unkenrufen zum Trotz auch Büroimmobilien. 2021 könnte es zur Rückkehr einiger im letzten Jahr vernachlässigten Assetklassen kommen.
Gegenüber dem absoluten Rekordjahr 2019 war der Absturz 2020 brutal. Von fast 6 Milliarden Euro brachen die Investitionen laut Immobiliendienstleister EHL auf 3,5 Milliarden Euro ein. Die Spezialisten von CBRE sehen sogar einen Rückgang auf 3,3 Milliarden. Grund zur Panik besteht aber laut beiden Analysten nicht.
Schließlich war 2019 mit einem Plus von fast 50 Prozent ein absoluter Ausreißer nach oben. Dafür verantwortlich war vor allem ein starker Anstieg bei Großtransaktionen mit mehr als 100 Millionen Euro Volumen. Der Anteil dieses Segments am Gesamtmarkt wuchs von gut einem Drittel 2018 auf etwa die Hälfte im Jahr 2019. Lässt man diesen Peak außen vor und vergleicht 2020 mit 2018 beträgt der Rückgang »nur« rund 14 Prozent (siehe Tabelle).
Besonders gefragt waren 2020 wenig überraschend die eher sicheren Investments. »Im Krisenjahr haben wir gesehen, dass Investoren schnell reagieren und verstärkt auf Assetklassen mit hoher Resilienz und stabilen Erträgen setzen – wie Wohn-, Logistik- und Gesundheitsimmobilien«, erklärt Georg Fichtinger, Head of Investment Properties bei CBRE.
Stabile Büros
Ganz oben auf der Liste der Investoren standen 2020 auch laut EHL die Assetklassen Wohnen mit 38,1 Prozent und Büro mit 36,3 Prozent. Damit waren Wohninvestments erstmals überhaupt die stärkste Assetklasse. Das liegt vor allem am stark gestiegenen Anteil an institutionellen Wohninvestests. Auch bei den Büroimmobilien waren die institutionellen Anleger die treibende Kraft. Die investierten laut Ehl vor allem in Objekte in guten Lagen, die langfristig an bonitätsstarke Mieter vermietet sind. Kleinere Büroimmobilien mit kurz- bis mittelfristigen Mietverträgen und einem entsprechenden Managementbedarf wurden zunehmend auch von Privatinvestoren und Family Offices erworben.
Interessant ist, dass der Büromarkt in Wien beinahe das Vorjahresniveau erreicht und die Nachfrage in Linz und Graz sogar gestiegen ist. »Angesichts der Krise und des geringen Neuflächenangebotes war die Performance am Wiener Büromarkt im Jahr 2020 sehr gut«, erklärt Patrick Schild, Head of Agency bei CBRE. Mit rund 210.000 m² vermieteter Fläche lag der Wert im Jahr 2020 nur ca. 7 % unter jenem des Jahres 2019. Der Wiener Büromarkt ist laut Schild damit einer der stabilsten Büromärkte in Europa, im Durchschnitt ist die Nachfrage in Europa um mehr als 40 % zurückgegangen. Noch besser ist es in Graz und Linz gelaufen, hier steigt der Bedarf an Büroflächen sogar.
»Wir gehen davon aus, dass allein in Graz, wo die bürobasierte Arbeit so schnell wächst wie in keiner anderen Landeshauptstadt Österreichs, bis 2025 rund 75.000 m² mehr Büroflächen benötigt werden – die Nachfrage an modernen Büroflächen könnte aufgrund der rapiden Veränderungen in der Arbeitswelt noch höher ausfallen«, so Schild, der in Linz im selben Zeitraum einen zusätzlichen Bedarf von ca. 50.000 m² sieht, der allerdings bereits teilweise durch einige Projekte in der Pipeline abgedeckt werden dürfte.
Boomende Logistiker
Der Immobilieninvestmentmarkt ist ein Spiegel der allgemeinen wirtschaftlichen Situation: Das Investmentvolumen bei Hotels lag 2020 rund 86 % unter jenem des Jahres 2019, bei Investments in Retailimmobilien wurde ein Rückgang von ca. 80 % verzeichnet. Davon profitierte wiederum der Logistiksektor, wo das Investmentvolumen 2020 sogar noch höher ausfallen hätte können, allerdings übersteigt hier die Nachfrage das Angebot. »Im Logistiksektor haben wir einen Boom und eine korrespondierende Preisrallye gesehen, wo bei Spitzenobjekten Renditen und Quadratmeterpreise aufgerufen werden, die so manche Büroobjekte in den Schatten stellen.
Ein Grund dafür ist, neben dem äußerst beschränkten Angebot an Top-Logistikimmobilien insbesondere im Bereich der ›last mile‹, auch die enorme Expansion der Lieferbetriebe und deren Bereitschaft, langfristige und gut besicherte Mietverträge abzuschließen, die von Investoren entsprechend honoriert werden«, erklärt Markus Mendel, Geschäftsführer der EHL Investment Consulting.
Ausblick 2021
»Am Investmentmarkt dürfte sich in den kommenden Monaten der Trend von 2020 weiter fortsetzen und resiliente Assetklassen gefragt sein. Allerdings ist auch in den Bereichen Hotel und Retail mit interessanten Optionen zu rechnen, wenn Redevelopments und Value Add Immobilien mit höheren Leerstandsraten auf den Markt kommen«, glaubt Andreas Ridder, Managing Director CBRE Österreich & CEE. 2021 würden voraussichtlich weniger neue Büroflächen in Wien angemietet werden als im Jahr 2020 und davor.
»Die Auswirkungen der Krise werden bei den Büros im Jahr 2021 deutlich zu spüren sein und durch die üblichen Vorlaufzeiten bei Anmietungsprozessen nach der Krise wird die Vermietungsleistungen vermutlich frühestens im zweiten Halbjahr ein gewohntes Niveau erreichen«, analysiert Ridder.
Am Logistikmarkt wird die Nachfrage – sowohl in Bezug auf Vermietungen als auch Investments – hoch bleiben, während sich bei den Retailimmobilien einiges verändern wird. »Wir gehen von einem höheren Leerstand sowie sinkenden Mieten und damit auch niedrigeren Immobilienwerten bei einem großen Teil der Einzelhandelsimmobilien im Jahr 2021 aus. Diese Kombination schafft allerdings auch neue Möglichkeiten und innovative Nutzungen wie Pop-Up, Co-Working und Hybrid Stores.
Weiters werden Retailer und Betreiber verstärkt daran arbeiten, den Konsumenten an ihren Standorten ein ausgeklügeltes Omnichannel-Erlebnis anzubieten«, so Ridder. Generell sei davon auszugehen, dass die Mietverhältnisse im Bereich Handel in Zukunft kürzer und flexibler gestaltet werden.