Wenn partnerschaftliches Verhalten im ökonomischen Interesse aller Beteiligten liegt und warum klassische Partnering-Modelle dafür nicht ausreichen.
Von Shervin Haghsheno
Die traditionellen Projektabwicklungsmodelle in der Bauwirtschaft sind geprägt von einer fragmentierten und hierarchischen Struktur in der Projektorganisation, einer sukzessiven, z.T. sehr späten Einbindung der Projektbeteiligten, einer starken Trennung von Planung und Ausführung sowie einer Vielzahl von Einzelverträgen des Bauherrn mit den Planungs- und Baubeteiligten. Auch wenn sich der Bauherr für den Einsatz von Generalplanern und Generalunternehmern entscheidet, verbleibt es bei der Vielzahl der Einzelverträge und der Fragmentierung, dann übertragen auf diese Kumulativleistungsträger über mehrere Ebenen hinweg im Verhältnis zu deren Nachunternehmern.
Diese Art der Projektabwicklung führt auf Ebene des Einzelprojekts dazu, dass die Ziele der Projektbeteiligten sehr häufig nicht im Einklang oder gar im Widerspruch zu den Zielen des Bauherrn stehen. Die sukzessive Einbindung führt dazu, dass erst sehr spät im Projektverlauf ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten für das Produkt entsteht. Die durch die vielen Einzelverträge beförderte »Silostruktur« führt dazu, dass es zu vielen, manchmal sehr weitreichenden Kommunikationsproblemen kommt. Risiken und Chancen werden z.T. nur sehr spät erkannt.
Dadurch werden Potenziale durch früh erkannte Chancen nicht gehoben und die späte Behandlung von Risiken kann zu erheblichen Termin- und Kostenüberschreitungen führen. Die mangelnde Einbindung des Know-hows von ausführenden Unternehmen in der Planungsphase führt dazu, dass erhebliche Wertschöpfungspotenziale durch die mangelnde Berücksichtigung von Erfahrungen hinsichtlich Logistik und Bauproduktion nicht genutzt werden.
Immer wieder muss bei dieser Art der Projektorganisation erhebliche Energie aufgebracht werden, um trotz der Zielwidersprüche das Verhalten der Beteiligten hin zu einem Miteinander zu lenken.
Partnering-Modelle hinter den Erwartungen
In den vergangenen 25 Jahren sind in Deutschland und Österreich als eine Antwort auf die genannten Herausforderungen – ausgehend von Entwicklungen in angelsächsischen Ländern – sog. Partnering-Modelle zum Einsatz gekommen. In diesen Modellen wird das Ziel verfolgt, durch eine frühere Einbindung eines Generalunternehmers (GU) den o.g. Herausforderungen zu begegnen. Die Einbindung erfolgt in einem Zwei-Phasen-Modell.
In der ersten Phase wird der GU üblicherweise im Verlauf der Entwurfsplanung parallel zu den Planern mit einem Beratungsauftrag eingebunden. Ziel ist es dabei, sein Know-how in dieser Phase so einzubringen, dass durch noch mögliche Optimierungen in der Planung und zugleich durch ein frühzeitiges besseres Verständnis der Chancen und Risiken eine Bestätigung eines zuvor definierten Zielpreises erfolgen kann.
Dieser Zielpreis ist dann zugleich Grundlage für die zweite Phase. Bei einer Bestätigung des Zielpreises erhält der GU den Auftrag für die Ausführung. Andernfalls kann der Bauherr die Zusammenarbeit beenden und eine Ausschreibung vornehmen. Kommt eine Zusammenarbeit zustande, wird als Vergütung typischerweise ein Garantierter Maximalpreis (GMP) mit einer Bonusregelung vereinbart. Der GU legt seine (Fremdleistungs-)Kosten offen und etwaige Einsparungen gegenüber dem GMP werden geteilt.
Nun hat die Praxis gezeigt, dass diese Partnering-Modelle in einigen Fällen zu Verbesserungen in der Zusammenarbeit geführt haben. In anderen Fällen ist die Qualität der Zusammenarbeit jedoch hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Erfolgreich sind die Modelle meist dann, wenn eine hoher Grad an Vertrauen zwischen Bauherr und GU vorliegt.
In den nicht erfolgreichen Fällen muss konstatiert werden, dass die strukturellen und vertraglichen Mechanismen nicht ausgereicht haben, dass das Verhalten der Beteiligten auch in schwierigen Umständen zu einem partnerschaftlichen Umgang miteinander im Sinne der Verfolgung der Projektziele gelenkt wird. Neben anderen Aspekten ist eine Ursache dafür die Tatsache, dass die Planungsbeteiligten nicht in die strukturellen Ansätze zur Begründung der Partnerschaft eingebunden werden.
Nächster Schritt IPA
Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht eine andere Vorgehensweise gibt, bei der es gelingt, das Verhalten aller relevanten Projektbeteiligten, somit auch der Planungsbeteiligten, auf die Erreichung der Projektziele auszurichten. Parallel zu der beschriebenen Entwicklung in Deutschland und Österreich wurden in den letzten 25 Jahren international Modelle entwickelt, die genau dieses Ziel verfolgen. Integrated Project Delivery (IPD) bzw. auf Deutsch Integrierte Projektabwicklung (IPA) ist ein Ansatz, der sich international bereits als sehr vielversprechend herausgestellt hat, insbesondere für die Realisierung komplexer Bauvorhaben.
In den USA ist das Modell unter IPD bekannt und wird bereits vielfach eingesetzt. Oft wird auch der Begriff Lean IPD verwendet, um die Integration der Kultur und der Methoden des Lean Managements in diesem Modell zum Ausdruck zu bringen. In Australien und Finnland z.B. werden Modelle, die im Wesentlichen auf denselben Grundsätzen basieren, oft als »Project Alliancing« bezeichnet. Auch hier liegen bereits vielfältige Erfahrungswerte vor, die die Effektivität im Sinne der Erreichung der Projektziele untermauern.
In Deutschland haben inzwischen erste Bauherren Pilotprojekte mit diesem innovativen Projektabwicklungsmodell begonnen. Es handelt sich sowohl um private als auch um öffentliche Bauherren. Das Interesse ist sehr groß und nimmt zu, da immer mehr Bauherren sowie Planer und Bauunternehmen über die aktuellen Ergebnisse bei komplexen Projekten frustriert sind und in diesen Modellen das Potenzial erkennen, dass systemische Ursachen für die negative Zusammenarbeit behoben werden können.
Wesentliche Charakteristika der Integrierten Projektabwicklung sind:
- Frühzeitige Einbindung der für den Projekterfolg maßgeblichen Planungs- und Ausführungsbeteiligten
- Schaffen einer integrierten Projektorganisation mit allen Beteiligten durch eine integrierte Governance Struktur, integrierte Projektteams auf Ebene der Bauwerkssysteme, Strukturen für gemeinsame Optimierungen, Risikomanagement und Entscheidungen sowie Konfliktlösungsmechanismen
- Frühzeitige gemeinsame Durchdringung des Projekts als Basis für die Definition gemeinsam vereinbarter Ziele
- Ein auf der Erstattung der Kosten der Beteiligten basierendes Vergütungssystem, in dem die Beteiligten ihre Gewinnanteile bzw. ggfs. Anteile der Allgemeinen Geschäftskosten in einen gemeinsamen Topf geben, dessen Ausschüttung an die Partner vom tatsächlichen Erreichungsgrad der zuvor definierten Ziele abhängt. Dabei verlieren alle gemeinsam oder es gewinnen alle gemeinsam. Damit werden die ökonomischen Ziele aller Beteiligten auf die Gesamtprojektziele ausgerichtet, was im Ergebnis dazu führt, dass sich die Partner nach dem Grundsatz »Best for Project« verhalten (müssen), da dies auch im eigenen ökonomischen Interesse liegt.
- Weitgehende Haftungsbeschränkungen für die Planungs- und Ausführungsbeteiligten, um Innovation nicht durch Angst zu hemmen und eine positive Fehlerkultur im Projekt zu fördern und somit bei Auftreten von Problemen die Kraft und Energie der Beteiligten auf die schnelle und kreative Lösungsfindung und nicht auf die Klärung der Schuldfrage zu fokussieren.
- Ein Mehrparteienvertrag, der im Sinne eines relationalen Vertrages die genannten Strukturelemente in einem gemeinsamen Vertrag im Sinne von »Spielregeln der Zusammenarbeit« rechtlich abbildet.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit IPA die tiefliegenden Ursachen für Konflikte in traditionellen Projektabwicklungsmodellen adressiert werden. Dies erfolgt vor allem durch die sehr frühzeitige Einbeziehung aller wesentlichen Beteiligten, die Ausrichtung der ökonomischen Einzelinteressen auf die Gesamtprojektziele und die Schaffung einer integrierten Organisationsstruktur.
Zum Autor: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Shervin Haghsheno ist seit 2013 geschäftsführender Direktor des Instituts für Technologie und Management im Baubetrieb am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Vorsitzender des German Construction Institute (GLCI).
Neues Kompetenzzentrum
Um Erfahrungen mit dem Modell IPA im deutschsprachigen Raum auszutauschen und Hilfsmittel für die Praxis zu entwickeln wurde das Kompetenzzentrum für Integrierte Projektabwicklung gegründet (www.ipa-zentrum.de). Hier engagieren sich auch Unternehmen aus Österreich als Träger des IPA-Zentrums und die Österreichische Bautechnikvereinigung (ÖBV) im Beirat.