Die Dämmstoffindustrie ist bislang deutlich besser durch die Krise gekommen als andere Branchen. Wenn die Politik nun auch längst überfällige und oftmals angekündigte Maßnahmen umsetzt, kann man sogar mit einem blauen Auge davonkommen und relativ rasch wieder das Niveau von 2019 erreichen. Denn die Investitionsbereitschaft der Kunden ist vorhanden.
Die Antwort auf die Frage, wie es der heimischen Dämmstoffindustrie vor Corona gegangen ist, hängt davon ab, wen man fragt. Laut einer im Juli 2020 von GDI 2050 – Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050 veröffentlichten Studie ist der heimische Dämmstoffmarkt im letzten Jahr geschrunpft. Demnach wurden 2019 insgesamt 6,307 Millionen Kubikmeter Dämmstoff in Österreich verkauft und verbaut. Das entspricht gegenüber 2018 einem Minus von 2,9 Prozent.
Bild oben: Manfred Wagner, Rockwool: »Seit dem Lockdown läuft das Geschäft wieder wie geplant.«
Glaubt man hingegen den Markt- und Meinungsforschern von Branchenradar.com, war 2019 ein durchaus erfreuliches Jahr, sind doch die Herstellererlöse gegenüber 2018 um robuste 4,3 % gegenüber 2018 gewachsen. Das ist gegenüber den Wachstumszahlen der Vorjahre zwar ein leichtes Minus, kann sich aber immer noch sehen lassen. Mit Preissteigerungen sind die unterschiedlichen Zahlen nicht zu erklären. Wird doch im Gegenteil von den meisten Herstellern ein Preisverfall bei gleichzeitig steigenden Rohstoffpreisen beklagt.
Interessanterweise deutlich mehr Einigkeit herrscht darüber, wie es der Branche seit dem Ausbruch der Coronakrise geht. Und zwar nicht so schlecht wie befürchtet. Zwar zeichnet sich für 2020 ein spürbarer Rückgang durch die Krise und ihre Begleiterscheinungen ab, in Summe läuft das Geschäft aber überraschend gut. »Wir sind hinsichtlich der wirtschaftlichen Erholung zuversichtlich und gehen sehr positiv in den Herbst. Die Rezession ist vorbei, wir laufen auf einem Niveau von ca. 90 % des Vorjahres. Wenn alles gut geht, können wir bis Jahresende 95 % des Vorjahres erreichen«, sagt Austrotherm-Geschäftsführer Klaus Haberfellner.
Auch Steinbacher-Geschäftsführer Roland Hebbel berichtet von einem zufriedenstellenden Geschäft und einer guten Auslastung. Bei Rockwool entwickelt sich das Geschäft seit dem Lockdown gemäß der ursprünglichen Planung und Sto-Geschäftsführer Walter Wiedenbauer spricht sogar von »Business as usual« – sofern sich die Krise nicht weiter verschärft und die Regierung weitere Maßnahmen setzt.
Bei Rockwool und Austrotherm geht man davon aus, 2022 wieder Vor-Corona-Niveau zu erreichen, Udo Klamminger, Geschäftsführer Knauf Insulation, setzt sich dieses sportliche Ziel schon für 2021.
Die Kundenstimmung
Die große Unbekannte im Spiel ist das Investitionsverhalten der privaten und öffentlichen Auftraggeber. Der Bau & Immobilien Report kann hier zumindest etwas Entwarnung geben. Wie eine groß angelegte Umfrage unter den größten Auftraggebern des Landes zeigt (siehe auch Seite 14ff), ist nicht mit einem größeren Investitionsrückgang zu rechnen. Unternehmen wie die Bundesimmobiliengesellschaft, Wiener Wohnen oder einzelne gemeinnützige Bauträger planen nicht nur ein konstantes Investitionsverhalten, sondern wollen im nächsten Jahr sogar noch die eine oder andere Million drauflegen. Dieses Geld fließt neben den Neubau auch in die für die Branche so wichtige Sanierung. Wiener Wohnen etwa erhöht das Sanierungsbudget von 83 auf 93 Millionen. Auch die Dämmstoffhersteller sprechen praktisch durch die Bank von einer positiven Kundenstimmung.
Hilfe der Politik
Die Reaktion der Politik angesichts der Krise wird von den meisten Unternehmen positiv bewertet. »Die Regierung hat schon zu Beginn der Pandemie schnell gehandelt und richtige Maßnahmen gesetzt, sodass Österreich gut durch die erste Phase gekommen ist. Ich gehe davon aus, dass dieser positive Kurs beibehalten wird und auch im weiteren Krisenverlauf zielgerichtete, konjunkturelle Impulse gesetzt werden, die einen wirtschaftlichen Abschwung abfedern«, sagt etwa Roland Hebbel. Die (wiederholte) Ankündigung, die Sanierungsrate auf 3 % anzuheben, wird wohlwollend, aufgrund der schönen Regelmäßigkeit mit der die Ankündigung kommt, aber auch kritisch zur Kenntnis genommen. Hoffnung machen die angekündigten 750 Millionen Euro, die dafür zur Verfügung gestellt werden solle.
Weil aber Papier bekanntermaßen geduldig ist, meldet sich die Branche mit einigen Forderungen zu Wort. »Es muss sichergestellt werden, dass das Geld auch ankommt«, sagt Klaus Haberfellner und fordert eine Vereinfachung des Förderablaufs. Weiters kann er sich auch die Einführung einer rechtlichen Verpflichtung von wirtschaftlich sinnvoller Bauteilsanierungen beim Verkauf oder der Vermietung von besonders schlecht gedämmten Häusern vorstellen.
Auch Manfred Wagner wünscht sich in erster Linie, dass die angekündigten Maßnahmen auch umgesetzt werden und, dass »bremsende Faktoren aus dem Weg geräumt werden, wie etwa verzögerte Baugenehmigungen, überbordender Bürokratismus oder zu lange Reaktionszeiten auf auftretende Besonderheiten«.
Udo Klamminger vermisst weiterhin konkrete Maßnahmen für die thermische Sanierung und wünscht sich von der Politik, »klare und auch handhabbare Förderrichtlinien und Anreize«. Auch Roland Hebbel fordert eine umfassende Sanierungsstrategie: »Wir brauchen eine massive Ankurbelung der thermisch-energetischen Sanierung. Finanzielle Anreize würde eine steuerliche Absetzbarkeit bringen – ein Konzept, das international bereits sehr erfolgreich funktioniert. Man blicke nur nach Italien und Frankreich.« Und Walter Wiedenbauer schließlich mahnt die Regierung, kühlen Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen. »Die Gefahren müssen richtig eingeschätzt und es muss richtige darauf reagiert werden.« Etwa mit einer Infrastrukturoffensive, die nicht nur der Bauwirtschaft, sondern der Wirtschaft insgesamt zugute käme.
Eine Banche investiert
Im Gegensatz zu anderen Branchen, wo gerne einmal antizyklisches Investment der Kunden eingefordert wird, die eigene Brieftasche aber fest verschlossen bleibt, gehen die Dämmstoffhersteller mit gutem Beispiel voran. »Wir haben allen Corona-Widrigkeiten zum Trotz ein großes Investitionsprogramm gestartet, um unsere Standort im Burgenland zukunftsfit zu machen«, erklärt Austrotherm-Geschäftsführer Klaus Haberfellner. Rund zehn Millionen Euro fließen in die Modernisierung der Infrastruktur und in die Optimierung der Abläufe der Standorte.
Auch bei Rockwool wird weiter investiert. »Wir haben gerade eine der modernsten Produktionslinien Europas im Werk Neuburg a.d. Donau in Betrieb genommen. Das Unternehmen investiert permanent, um die CO2-Emissionen aller Gebäude im Konzern zu reduzieren. Auch an der Modernisierung der bestehenden Produktionsanlagen wird laufend gearbeitet«, so Geschäftsführer Manfred Wagner. Auch Knauf Insulation setzt bei langfristig ausgerichteten Projekten nicht den Rotstift an, sondern hält am Investitionsplan fest. Ebenso Sto: »Auch bei uns hat sich nichts geändert. Wir führen das Unternehmen weiter wie geplant. Die Zinslage ist außerdem niedrig und wird es wohl auch längere Zeit bleiben, was für Investitionen spricht«, sagt Geschäftsführer Walter Wiedenbauer. Und für Steinbacher ist »das Glas halb voll und halb leer«, weswegen man weiter investieren und Schlüsselprojekte beschleunigt angehen will.