Donnerstag, Februar 27, 2025
Ohne Sackgasse und Nebengleise

Gesetze und Normen müssen eindeutig, widerspruchsfrei und lesbar sein. Daran scheitert es aber oft. Für ein und dasselbe Projekt gibt es mitunter unterschiedliche Vorgaben. Kritik gibt es auch auch an der Zusammensetzung der Normenausschüsse.

Wir stoßen bei den Baunormen auf Verwicklungen, die letztendlich individuell teils mit dem Verfasser der Richtlinien gelöst werden müssen. Sonst geht es nicht«, informiert Siegfried Schrenk, Experte für Qualitätssicherung und Gewährleistung bei der Strabag. Paradebeispiel, das zu Unstimmigkeit unter Hochbauern und Ausführungsproblemen führt, ist für ihn die Barrierefreiheit bei Ausgängen auf Balkone und Terrassen. Der Ausgang erfolgt in der Regel mit einer sogenannten Fenstertür, die bis zum Boden hinuntergeht und dort laut Vorgabe der ÖNORM B 1600 maximal eine Schwellenhöhe von 3 cm haben darf. Stufen davor sind laut der Norm unzulässig.

Wärmedämmungen, die im Außenbereich die Regel sind, erfordern allerdings Stufen. Die Bundesinnung der Elektrotechniker kritisiert, dass die OIB 6 die Nutzung von PV-Anlagen im Baurecht verhindert. Der selbst produzierte Ökostrom wird im Energieausweis nicht gegengerechnet. Damit widerspricht sie den Zielen der RED II, wonach u.a. der Anteil der erneuerbaren Energien im Bereich der Wärme- und Kälteversorgung um jährlich 1,3 % erhöht werden soll. Andreas Ruby, Geschäftsführer der Landesinnung Bau Wien nennt wiederum Gegensätze bei den aktuellen Normen und den Anforderungen bei Sanierungen von denkmalgeschützten Gebäuden.

Das Bundesdenkmalamt geht ins Detail: Erhaltungsinteresse versus Nachrüstverpflichtung sowie fehlende Möglichkeiten zu kreativem Planen, wobei Schadensfreiheit garantiert wird und das Erscheinungsbild des Baudenkmals erhalten bleibt. Widersprüche sind für Siegfried Schrenk durchaus nachvollziehbar, da Regelungen und Normen in relativ kurzen Zeitabständen erneuert werden und Adaptierungen zeitgleich erfolgen müssen. »Man versucht, Details zu regeln, was zu Widersprüchen führen kann«, ergänzt Roman Fritz, Geschäftsführer von Rubner Holzbau.

Martin Car, Geschäftsführer des Baustoff-Recycling-Verbandes, erklärt das damit, dass jede Novelle im Rechtsbereich zu Ungereimtheiten mit einer mit Ausgabedatum versehenen, zwingend zu verwendenden Norm führt, die dann nicht mehr passt. Dazu nennt er die ÖNORM B 3151, die selbst bei Überarbeitung und Neuerscheinung keine Rechtsgültigkeit im Sinne der Recyclingbaustoffverordnung erlangt, da der statische Verweis aus der RBV weiter auf die dann alte ÖNORM verweist.

Normendschungel

In Österreich gibt es rund 3.000 Normen, die den Bau betreffen. Jedes Jahr gibt es hunderte neue Normen, die in erster Linie EU- bzw internationale Regulative sind. Wie können sich kleine Baubetriebe, die für die Normenarbeit keine/n Mitarbeiter/in abstellen können, in diesem Normendschungel zurechtfinden bzw. ist es ihnen möglich, Widersprüche zu entdecken?

»Wenn ich ein Rezept wüsste, wäre das sehr viel wert«, schmunzelt Rainer Pawlick, Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien. Der Baustoff Recycling Verband versucht, zusammenfassende Merkblätter und Richtlinien zu erstellen, um den Anwendern eine Zusammenschau von Rechtsvorgaben und technischen Standards zu geben. »Nur mehr für Spezialisten lesbare, oft bewusst durch komplizierte Verfahren zum Wohl weniger Institutionen von Lobbyisten verfasste Normen sind zu verhindern bzw. hintanzuhalten«, fordert Martin Car.

Saint-Gobain Rigips hat mit dem Merkblatt »Unser Badezimmer« eine gewerkübergreifende Richtlinie erstellt, die für Thomas Huber, Leiter Anwendungstechnik, beispielgebend ist. »Wir arbeiten in diversen Ausschüssen intensiv mit. Es ist natürlich zielführend, darüber hinaus aktiv zu werden.« Für Elisabeth Stampfl-Blaha, Geschäftsführerin von Austrian Standards, braucht es mehr Koordination zwischen den Regelerstellern. Roman Fritz sieht das etwas anders. »Wir sind in allen möglichen Ausschüssen aktiv, erleben aber operativ keine Widersprüche. Wenn eine vernünftige Beauftragung vorhanden ist, dann ist im deutschsprachigen Raum das Leistungsbild sehr klar.« Angesprochen auf den Normendschungel gibt Architekt Thomas Romm, Gründer des BauKarussells, zu bedenken, dass es schwierig sei, zu kürzen. Im Bereich Gebäuderückbau würden Norm und Recyclingbaustoffverordnung noch dieselbe Sprache sprechen.

»Die nationalen Vorgaben, RVS und ÖNORM, basieren meist auf gewachsenen Strukturen und sind in den meisten Betrieben seit Jahrzehnten implementiert«, bestätigt Martin Car. Unübersichtlich werde es, wenn europäische Prüfvorschriften und EN-Normen Systemumstellungen bewirken, die neue Abläufe und Organisationsschritte benötigen. »Viele Prozesse sind in Österreich und Deutschland genau und gut geregelt, auf EU-Ebene können sie aber nicht umgesetzt werden. Sie werden aufgeweicht«, kritisiert Roman Fritz.

Meistgelesene BLOGS

Alfons A. Flatscher
06. November 2024
Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus zeichnet sich ein neues Kapitel der Handelspolitik der USA ab – und für europäische Unternehmen könnten die nächsten Jahre herausfordernd werden. Trump, bekan...
Nicole Mayer
25. November 2024
Globalisierung, Digitalisierung, New Work, Kriege: Die Kette der Herausforderungen, die Unternehmen zu stemmen haben, reißt nicht ab. Um in diesen unsicheren Zeiten nicht nur zu überleben, sondern sog...
Marlene Buchinger
31. Oktober 2024
Beim Thema Nachhaltigkeit stellt sich oft die Frage, für wen machen wir das überhaupt? Im vierten Teil der REPORT-Serie geht es um die Anspruchsgruppen, auch Interessensträger oder Stakeholder genannt...
Andreas Pfeiler
04. November 2024
Naturereignis wie ein Hochwasser zeigen uns immer wieder auf, wie verwundbar unsere Gesellschaft ist und wie hilflos wir gegenüber solchen Naturgewalten sind. Ohne mineralische Rohstoffe sind wir auch...
Firmen | News
30. Oktober 2024
In der heutigen Arbeitswelt sind die richtigen Werkzeuge und Ausrüstungen entscheidend für den Erfolg. Von der passenden Berufskleidung bis zu unverzichtbaren Geräten – alles spielt eine Rolle. Entdec...
Andreas Pfeiler
19. Dezember 2024
Unlängst mit der Frage »Was sind die Gründe für die sinkende Produktivität in der Baustoffindustrie?« konfrontiert, begab sich der Autor dieser Zeilen auf die Suche nach Antworten. Und wurde rasch fün...
Nicole Mayer
16. Jänner 2025
Gründe für das neue Excellence Framework EuropeDas aktuelle gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Umfeld in Europa stellt Organisationen vor immer größere Herausforderungen. Exzellente Organisat...
AWS (Amazon Web Services)
05. Dezember 2024
Vor zehn Jahren eröffnete mit der AWS Europa (Frankfurt) Region die erste AWS-Region in Deutschland, die es Unternehmen aus dem DACH-Raum ermöglicht, ihre Rechenleistung und Speicher flexibel und kost...

Log in or Sign up