Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Christoph Weber von der Managementberatung Horvath & Partners über die optimale Organisationsstruktur für die Zeit nach Corona, den Mittelweg zwischen Kostenanpassung und Investitionen und die neuen Anforderungen an Baustellen.
Report: Die Bauwirtschaft gilt als sehr traditionelle Branche. Viele Unternehmensprozesse, aber auch Abläufe auf den Baustellen sind seit Jahrzehnten unverändert. Bei der Digitalisierung oder Produktivitätssteigerung etwa hinkt man anderen Branchen weit hinterher. Wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für Unternehmen, ihre Strukturen und Prozesse zu hinterfragen und zu optimieren?
Christoph Weber: Grundsätzlich gilt, dass man organisatorische und prozessuale Verbesserungen in wirtschaftlich guten Zeiten durchführen sollte, um in einer Marktsättigung oder Rezession den Wettbewerbsvorteil voll ausspielen zu können.
Das haben in der Bauwirtschaft nicht alle gemacht. Die aktuelle Situation zwingt nun alle, sich über die Optimierung ihrer Prozesse Gedanken zu machen. Digitalisierung spielt dabei ein zentrale Rolle. Die Konzepte sind mittlerweile sehr erprobt.
Report: Welche konkreten Schritte sollten Unternehmen jetzt setzen?
Weber: Es gilt, ein Prozessmanagement zu etablieren und die Digitalisierung in agiler Projektsteuerung schnell zu erarbeiten und zu implementieren. Weit aus schwieriger ist die Frage der optimalen Organisationsstruktur und -größe in der Post-Corona-Zeit. Da aus heutiger Sicht die wirtschaftliche Entwicklung schwer einschätzbar ist, erarbeiten wir mit unseren Kunden Maßnahmen, um unterschiedlichste Szenarien wie Umsatzrückgänge, Liefer- und Ressourcenengpässe bestmöglich zu steuern. Wenn eines dieser Szenarien eintritt, können die Unternehmen schnell reagieren und ihre Kosten-, Lieferanten- und Organisationsstruktur entsprechend anpassen.
Report: Was können Unternehmen jetzt tun, um nach der Krise bestmöglich aus den Startlöchern zu kommen und vielleicht sogar Wettbewerbsvorteile zu erzielen?
Weber: Es gilt einen sauberen Mittelweg zu finden zwischen der Anpassung der Kostenstruktur in jenen Bereichen, wo ein Abschwung erwartet wird und den Investitionen in die Lieferfähigkeit, um Engpässe von Personal und Material zu kompensieren. Flexibilität und Vorausschaubarkeit spielen dabei die größte Rolle.
Report: Wird es aus Ihrer Sicht durch die Coronakrise nachhaltige Veränderungen in Unternehmensprozessen und Organisationsstrukturen geben?
Weber: Das hängt wohl von jedem Unternehmen selbst ab. Jedoch ist es im Wirtschaftsleben wie in der Natur, dass die Anpassungsfähigen überleben.
Report: In welchen Bereichen werden die Veränderungen besonders spürbar sein?
Weber: Digitalisierungsinitiativen werden schneller als geplant und dann auch nicht voll-integriert implementiert werden. Reisetätigkeit wird abnehmen und Digital Work noch stärker Einzug finden. Damit einhergehend wird die Planung des Tagesablaufs stärker notwendig sein, wenn Mitarbeiter örtlich getrennt digital miteinander kommunizieren müssen. Die Baustellen werden durch stärkere gesetzliche Vorgaben vorausschauender geplant werden müssen. Um dies zu gewährleisten, wird Lean-Management stärker genutzt werden.