Sonntag, Dezember 22, 2024
Fehlende Genehmigungen

Neben der unsicheren Investitionsbereitschaft von privaten und öffentlichen Auftraggebern bereiten den Auftragnehmern auch behördliche Hürden Kopfzerbrechen. Durch die in vielen Städten und Gemeinden zumindest teilweise ausgesetzten Bauverhandlungen fürchten viele Unternehmen und Interessenvertretungen empfindliche Verzögerungen bei Baugenehmigungen. Der Bau & Immobilien Report hat sich angesehen, wie die Kommunen mit der Situation umgehen und wie viele Baugenehmigungen im April 2020 im Vergleich zu April 2019 ausgestellt wurden.

Der österreichischen Bauwirtschaft geht es im Moment den Umständen entsprechend gut. Auf so gut wie allen Baustellen wird wieder gearbeitet und die meisten Unternehmen nähern sich dem Normalbetrieb. Der Auftragsbücher der Bauindustrie sind weit über den Jahreswechsel hinaus gut gefüllt und auch die meisten Gewerbebetriebe sind bis in den Herbst hinein gut ausgelastet. Was danach kommt, traut sich heute niemand vorherzusagen. Ob Private willens und öffentliche Institutionen in der Lage sind, zu investieren, steht in den Sternen. Zusätzliches Ungemach droht von der Verwaltungsfront. Nicht nur die Bundesinnung Bau warnt seit Wochen vor einer zweiten, »hausgemachten« Krise.

»Die Vorbereitung geplanter Bauvorhaben stockt, da Genehmigungsverfahren ausgesetzt und Verhandlungen zu den eingereichten Verfahren nicht ausgeschrieben bzw. abgesagt wurden. Wenn nichts geschieht, steuert der Bau nach Abarbeiten der laufenden Projekte flächendeckend auf einen zweiten Konjunktureinbruch zu«, warnt Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel.

»Die Baubranche kann nur dann ihrer Rolle als Konjunkturmotor gerecht werden, wenn ausreichend genehmigte Projekte umsetzbar sind«, so Frömmel weiter. Wie groß dieser befürchtete zweite Konjunktureinbruch sein könnte, zeigt eine Schätzung der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler. Sie geht davon aus, dass ein Projektvolumen von rund 25 Milliarden Euro ruhend gestellt werden könnte.

Unsichere Rechtslage

Mit dem Covid-19-Begleitgesetz wurde u.a. festgelegt, dass mündliche Verhandlungen und Vernehmungen nur dann durchzuführen sind, wenn sie für die Aufrechterhaltung »einer geordneten Verwaltungsrechtspflege unbedingt erforderlich sind«. Gleiches gilt für den mündlichen Verkehr zwischen den Behörden und den Beteiligten einschließlich der Entgegennahme mündlicher Anbringen sowie mit sonstigen Personen im Rahmen der Durchführung des Verfahrens.

Ob davon auch Bauverhandlungen betroffen waren, war lange Zeit unklar. Während etwa in der Steiermark empfohlen wurde, Bauverhandlungen abzusagen, wurde die Sachlage in Kärnten anders gesehen. Hier wurde das Begleitgesetz so interpretiert, dass Baubewilligungen als Teil »der Aufrechterhaltung der geordneten Verwaltungsrechtspflege« zu sehen sind. Der österreichische Gemeindebund fasst die Gemengelage gegenüber dem Bau & Immobilien Report wie folgt zusammen: »Mit dem Shutdown in Österreich war auch die Verunsicherung bei den Gemeinden groß  und die rechtliche Lage nicht eindeutig. Deshalb gab nur wenige bis gar keine Bauverfahren.«

Teilweise wurden laufende Verfahren von Mitarbeitern im Homeoffice durchgeführt, was aufgrund fehlender Ausstattung und eines nicht durchgängig digitalen Datenmaterials allerdings auch erheblich Probleme verursachte. Laut dem österreichischen Städtebund wurden Bauanzeigeverfahren, die laut Bauordnung des jeweiligen Landes binnen einer Frist zu erledigen sind, wie üblich bearbeitet und erledigt. Flächenwidmungs- und Bebauungsplanverfahren sowie Bauplatzbewilligungsverfahren seien ebenso ohne Verzögerungen abgewickelt worden.

»Bei den übrigen bewilligungspflichtigen Bauvorhaben wurden die Bauwerber allerdings darauf hingewiesen, dass Bauverhandlungen bis auf Weiteres nicht durchgeführt werden. Von einigen Städten wurden die Einwendungsverzichte der betroffenen Nachbarn auf dem Bauplan eingeholt, um den Baubescheid ohne Durchführung einer Bauverhandlung ausfertigen zu können«, erklärt Johannes Schmid, stellvertretender Generalsekretär des Städtebundes.  

Erfolgreiches Lobbying

Die aufrüttelnden Worte der Interessenvertretungen scheinen in der Politik auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Mit der Änderung des  Covid-19-Begleitgesetzes am 13. Mai ist die Durchführung von mündlichen Bauverhandlungen unter Einhaltung der Abstandsregel wieder uneingeschränkt möglich, alternativ werden geeignete technische Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung zugelassen.

Und auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hat sich persönlich des Themas angenommen. Gemeinsam mit Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl hat sie sich einen Tag nach der Gesetzesänderung in einem offenen Brief an alle Gemeinden gewandt und darauf hingewiesen, wie wichtig in der aktuellen Situation Impulse für das Bau- und Baunebengewerbe sind.

Dafür sei es notwendig, dass Behördenverfahren wieder möglichst ungehindert durchgeführt werden können und die Weiterführung bereits begonnener Projekte zeitnah sichergestellt werden kann.  »Wir ersuchen daher – unter Beachtung aller notwendigen Sicherheitsmaßnahmen – eine ehestmögliche Wiederaufnahme von Bauverfahren, die durch die Covid-19-Maßnahmen bis dato stark eingeschränkt wurden, zu ermöglichen«, heißt es in dem Brief.

Unterschiedliche Auswirkungen

Offen ist, welche tatsächlichen Auswirkungen die unsichere Rechtslage vor der Gesetzesänderung auf die Erteilung von Baugenehmigungen hatte. So kommt etwa eine IMAD-Erhebung im Auftrag der Landesinnung Bau Tirol zu dem Ergebnis, dass »sich 62 Prozent Tiroler Bauunternehmen vor Probleme gestellt fühlen, weil notwendige Genehmigungsverfahren oder Verhandlungen ausgesetzt oder abgesagt wurden«. Große Auftraggeber wie Asfinag, ÖBB oder BIG rechnen hingegen mit keinen größeren Schwierigkeiten. Vielmehr hat man den Eindruck, dass »Behörden sehr bemüht waren, Verzögerungen zu verhindern«, wie Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl erklärt.

Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat der Bau & Immobilien Report bei Städten und Gemeinden unterschiedlichster Größe eine stichprobenartige Erhebung durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass die Auswirkungen sehr unterschiedlich sind. Vor allem bei kleineren Städten und Gemeinden ist die Anzahl der im April 2020 erteilten Baugenehmigungen im Vergleich zum April 2019 deutlich zurückgegangen. Im Gegensatz dazu gab es in größeren Städten wie Wien oder Innsbruck keine signifikanten Veränderungen. In St. Pölten wurden im April dieses Jahres sogar mehr Baugenehmigungen erteilt als vor einem Jahr (siehe Kasten).  

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