Samstag, Juli 06, 2024
»... dann muss man halt ein bisserl streiten«

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Bernd Rießland, Obmann des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen GBV und kaufmännischer Direktor der Sozialbau, über den Stand von Sanierungs- und Neubauprojekten, die langfristigen Auswirkungen der Coronakrise auf den Wohnungsmarkt und die gelebte Praxis der Zusammenarbeit mit den Auftragnehmern.

Report: Wie haben die gemeinnützigen Bauträger auf die Coronakrise reagiert?

Bernd Rießland: Der erste Gedanke war, dass es in der Hausverwaltung zu einem enormen Ansturm kommt, wenn alle zu Hause sind. Wir haben damit gerechnet, dass die Telefone heiß laufen werden mit Schadensmeldungen und  dergleichen. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Es gab sogar einen Rückgang der Anrufe um fast 25 Prozent.

Und natürlich mussten wir uns alle die Frage stellen, wie man im Unternehmen selbst mit der neuen Situation umgeht. Da hat die Umstellung auf Homeoffice fast überall problemlos funktioniert. Auch jeder Hausverwalter hat über sein Handy jederzeit Zugriff auf das IT-System und kann so Aufträge an Professionisten vergeben. Nur in Tirol hat es kleinere Probleme durch die Ausgangssperre gegeben.

Report: Die gemeinnützigen Bauträger sind wichtige Auftraggeber für die Bauwirtschaft. Wie war die Situation der Gemeinnützigen als Bauherr?

Rießland: Im Neubaubereich war das Verhalten der Unternehmen sehr unterschiedlich. Einige haben einfach weitergebaut, andere haben einfach aufgehört. Wir sind dann mit den betroffenen Unternehmen in Kontakt getreten, um zumindest die Projekte, die kurz vor der Fertigstellung stehen, abschließen zu können. Denn was machen die zukünftigen Mieter, wenn sie ihre Wohnung gekündigt haben, aber noch nicht einziehen können? In Summe gab es eine Atempause von zwei, drei Wochen. Jetzt ist wieder alles in Bau.

Aber es gibt natürlich teilweise Probleme mit fehlendem Personal oder Baumaterial. Im Großen und Ganzen läuft es aber gut und die Verzögerungen bei den Übergaben sind überschaubar.

Interessant war die Situation in der Sanierung, wo die Gemeinnützigen jährlich eine Milliarde Euro umsetzen. Da kommen hauptsächlich kleinere Unternehmen zum Zug, die anscheinend mit mehrheitlich lokalen Arbeitskräften arbeiten, denn da gab es kaum Unterbrechungen. Durch die rückläufigen Schadensmeldungen gab es aber auch einen Rückgang bei den Aufträgen um rund acht Prozent.  

Report: Wie nehmen Sie die Bauunternehmen in dieser Situation wahr? Die Interessen sind ja doch sehr unterschiedlich. Stichworte Pönalen und Mehrkostenforderungen?

Rießland: Die Kommunikation ist unterschiedlich. Die Bauunternehmen haben ja auch Rechtsabteilungen (lacht). Da sind zahlreiche Briefe eingetrudelt von der Baueinstellung bis zu Forderungsanmeldung für Verzögerungskosten aufgrund höherer Gewalt. Wir haben aber auch Rechtsabteilungen und diese Forderungen erst einmal abgelehnt. Unser Fokus lag von Anfang an darauf, so weit es möglich war, weiterzuarbeiten.

Ich habe Verständnis, dass die andere Seite Forderungen aufstellt. Die andere Seite wird aber auch verstehen, dass wir diese Forderungen erst einmal zurückweisen. Die Wahrheit werden die Endabrechnungen zeigen. Ich fände es nicht fair, wegen Verzögerungen Pönalen zu verrechnen. Genausowenig würde ich es fair finden, wenn jetzt auf Mehrkostenforderungen bestanden wird.

Report: Denken Sie, dass der Fairnessgedanke genügend ausgeprägt ist?

Rießland: Ich gehe davon aus. Denn das Verhalten in der jetzigen Situation ist natürlich auch ein Ausscheidungsgrund für die Zukunft. Wenn wir von partnerschaftlicher Abwicklung reden, dann müssen beide Seiten Partner sein. Unserer Branche traue ich diesen Partnerschaftsgedanken auf breiter Front zu. Und die Baubranche weiß, glaub ich, auch, dass wir ein kontinuierlicher und verlässlicher Partner sind. Ich denke, dass wir hier durchaus eine Kultur des Entgegenkommens pflegen. Und wenn das einmal nicht der Fall ist, dann muss man halt ein bisschen streiten.

Report: Über kooperative Projektabwicklungen und partnerschaftliches Bauen ist ja viel geredet worden. Werden diese Themen an Bedeutung gewinnen? Wird es in Zukunft mehr in Richtung Risikoteilung gehen?

Rießland: Die Praxis der Abwicklung hängt stark von der jeweiligen Unternehmenskultur ab. Ich denke aber, dass die Gemeinnützigen hier immer mit sehr viel Augenmaß agieren. Auch die Auftragnehmer sind gut beraten, entsprechend zu agieren. Denn wir haben über eine sehr kontinuierliche Auftragsvergabe und man trifft sich ja im Leben immer zweimal. Die aktuelle Krise zeigt aber auch, dass gewisse Verantwortungen niemanden zuzurechnen sind, sondern von außen kommen. Unsere Aufgabe ist es nun, gemeinsam Schadensminimierung zu betreiben.

Report: Mit welchen langfristigen Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt rechnen Sie?

Rießland: Wir haben uns jahrelang alle in demselben Niedrigzinsumfeld befunden, wo der Kapitalmarkt günstigere Konditionen geboten hat als die Wohnbauförderung. Die Mietpreise im gemeinnützigen Sektor liegen bei fünf bis sieben Euro, im gewinnorientierten Sektor bei gleichen Grundstückspreisen, gleichen Finanzierungs- und Baukosten aber bei elf bis zwölf Euro. Wenn es jetzt zu Rückgängen in der Einkommenssituation der Bevölkerung kommt, sind die Auswirkungen sehr stark davon abhängig, in welchem System ich wohne.

Im gemeinnützigen Sektor wird die Wohnung zu dem Preis vermietet, den sie kostet. Im anderen Sektor zu dem Preis, den die Mieter noch bereit sind zu zahlen oder, bei verknapptem Angebot, was ein Mieter noch in der Lage ist, zu zahlen.

Die Behauptung, dass durch Wettbewerb der günstigste Preis entsteht, hat sich als falsch herausgestellt. Das sieht man bei den Mieten. Wirtschaftspolitisch müssen wir uns die Frage stellen, ob wir die Frage der Kostenminimierung nicht über die Gewinnmaximierung stellen sollten, zumindest in den Bereichen der Grundversorgung. Das System der gemeinnützigen Bauvereinigungen ist dafür ein mustergültiges Beispiel und könnte auch für andere lebensnotwendige Bereiche als Vorbild dienen.

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