Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Sto-Geschäftsführer Walter Wiedenbauer über Versorgungssicherheit, die Lage in den südlichen Exportländern und eine Vertiefung der Wertschöpfungskette. Außerdem spricht er über ein konzernweites Strategieprojekt, das sämtliche Produkte und Prozesse evaluiert und in Frage stellt. Und in Villach steht eine 10-Millionen-Euro-Investition unmittelbar vor der Umsetzung. Es fehlt nur noch die Baugenehmigung.
Wie hat Sto auf die Coronakrise und die damit einhergehenden Beschränkungen durch die Regierung reagiert? Welche konkreten Schritten wurden gesetzt?
Walter Wiedenbauer: Wir haben uns sehr schnell auf die neue Situation eingestellt und erst einmal alles geschlossen. Dort, wo es möglich war, haben wir die Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Das war mit enormen Anstrengungen und hohem IT-Aufwand verbunden. Es gibt ein Dienstreiseverbot und die Kunden werden aus der Distanz betreut. In den Verkaufsstellen haben wir eine Notbesetzung eingerichtet, um die Kunden, die beliefert werden mussten und wollten, zu betreuen. Für uns überraschend war, dass wir deutlich mehr liefern konnten als befürchtet. Vor allem kleine Verarbeiterfirmen haben weiter gearbeitet. Da ist das oft schlicht eine Frage der Existenz.
Haben Sie Kurzarbeit angemeldet?
Wiedenbauer: Ja, wir haben von Beginn an Kurzarbeit angemeldet, weil wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Das ganze Unternehmen ist in Kurzarbeit. Man muss aber sehen, inwieweit wir die Regelung dann tatsächlich in Anspruch nehmen.
Wir haben unsere Mannschaften auch zweigeteilt, damit nicht ganze Bereiche stehen, wenn Mitarbeiter erkranken und in Quarantäne müssen.
Nachdem die Baustellen wieder hochgefahren wurden, können Sie die Belieferung der Baustellen garantieren?
Wiedenbauer: Auf jeden Fall. Wir können unsere Produktion von heute auf morgen voll hochfahren und sind zu 100 Prozent lieferfähig. Im März hatten wir einen Umsatzrückgang von 10 bis 15 Prozent. In dieser Zeit haben wir alle unsere Lager in Österreich aufgefüllt. Es war interessant zu sehen, dass es in den ersten Tagen der Ausgangsbeschränkungen auch bei uns Hamsterkäufe gegeben hat. Auch in unseren ausländischen Niederlassungen in Slowenien, Kroatien und Serbien gab es ähnliche Entwicklungen. Alle unsere Produktionswerke in Europa arbeiten auf Hochtouren. Die Lieferketten sind intakt, auch bei Materialien, die wir aus Italien bekommen.
Rechnen Sie mit Engpässen auf den Baustellen?
Wiedenbauer: Es kann natürlich durch die Einschränkung des Personenverkehrs zu personellen Engpässen kommen. Aber gerade in den Ländern in denen wir aktiv sind, in Slowenien, Kroatien und Serbien, wurden die Staatsbürger, die im Ausland arbeiten, aufgefordert, auch im Ausland zu bleiben.
Wie ist die Situation in den angesprochenen Märkten?
Wiedenbauer: Das ist sehr ähnlich wie in Österreich. Man ist vielleicht ein paar Tage zurück mit den Maßnahmen. Mittlerweile wurden aber dieselben Schritte gesetzt wie hierzulande. Aber auch unabhängig von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten orientieren wir uns an den Vorgaben, die in Österreich gelten. Wir haben etwa alle unsere Niederlassungen mit Plexiglasscheiben ausgestattet, um den direkten Kontakt so weit wir möglich zu vermeiden.
Wienerberger-Chef Heimo Scheuch fürchtet im letzten "Trend" einen Aderlass im Baustoffhandel und will deswegen das Geschäftsmodell verstärkt auf digitale Lösungen für Endkunden umstellen. Gibt es bei Sto ähnliche Überlegungen?
Wiedenbauer: Unsere Produkte werden von Fachleuten verarbeitet. Ich glaube nicht, dass es zu einer neuen Do-it-yourself-Welle kommt. Im Gegenteil, das wird sukzessive weniger. Wir sind auch Direktbelieferer und arbeiten direkt mit den Firmen. Der Baustoffhandel hat im Moment vor allem Verteilfunktion. Die wird er auch in Zukunft haben. Da wird sich nicht viel ändern.
Aber natürlich wird man auch bei uns in Zukunft verstärkt digital bestellen können. Das sind aber zu 98 Prozent unsere Verarbeiter.
Wie nutzt Sto die Zeit des zumindest teilweise erzwungenen Stillstands? Ist man weiterhin Tagesgeschäft voll ausgelastet oder kann man sich auch mit Themen beschäftigen, die sonst vielleicht zu kurz kommen?
Wiedenbauer: Es ist auf jeden Fall eine Zeit der Bereinigung, in der viele Altlasten wie Alturlaube oder Überstunden abgebaut werden können. Mit unserem kleinen Management, das wir im Moment aufrechterhalten, sind wir damit beschäftigt, die aktuelle Situation zu meistern und die jeweiligen Bestimmungen umzusetzen, um den Betrieb am Laufen zu halten.
Aber natürlich ist das auch eine Zeit, in der man Prozesse und Abläufe hinterfragt. Das haben wir aber davor auch schon gemacht, weshalb es auch nicht den ganz großen Handlungsbedarf gibt. Die Projekte, die jetzt am Laufen sind wie eine Optimierung des Vertriebs und eine Ausweitung des Verkaufsgebietes können jetzt schneller realisiert werden als ursprünglich geplant.
Wie kann die Bauwirtschaft nach Corona wieder in Schwung gebracht werden?
Wiedenbauer: Eine Empfehlung der Kärntner Landesregierung fordert Bürgermeister auf, anstehende Verfahren schneller abzuschließen und Genehmigungen zu erteilen, um heuer den sommerlichen Baustopp in Tourismusgebieten aufzuweichen. Diese Beschleunigung von Baugenehmigungen ist meines Erachtens eine ganz wichtige Maßnahme. Auch wenn ich heuer für die Bauwirtschaft noch nicht das große Problem sehe. Aber natürlich kann niemand sagen, welche Auswirkungen die Krise auf die Psyche der Menschen hat. Die Investitionsbereitschaft kann deutlich leiden. Wenn es eine Delle gibt, dann nächstes und übernächstes Jahr.
Womit beschäftigt sich Sto abseits von Corona?
Wiedenbauer: Wir haben aktuell ein konzernweites Strategieprojekt laufen. Für einen Teil dieser Strategieentwicklung bin ich zuständig und aktuell habe ich mehr Zeit, mich damit zu beschäftigen (lacht). Wir evaluieren alle unsere Prozesse, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Marketing. Alles wird in Frage gestellt. Wir evaluieren auch unser gesamtes Sortiment. Wo müssen wir Produkte verbessern, wo braucht es Innovationen?
Durch Corona ergeben sich da auch neue Fragestellungen. Wir beobachten ganz genau, wie sich das Einkaufsverhalten verändert und wie sich Lieferketten entwickeln. Eine Konsequenz kann auch sein, dass wir unsere Wertschöpfungskette vertiefen. In Villach werden wir in die Ausweitung des bestehenden Produktionsstandorts zehn Millionen Euro investieren. Damit können wir unserer Kapazität vervierfachen. Da ist alles auf Schiene und unterschrieben. Das einzige, das jetzt noch fehlt, ist die Baugenehmigung.