Der reine Energieaspekt ist im Bauwesen längst nicht mehr ausreichend. Gefordert sind der CO2-zero Bau und das Denken in Gesamtkonzepten.
Für die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie braucht es die Zusammenarbeit mit der Gebäude- und Immobilienwirtschaft. Streben nach Energieeffizienz allein ist dabei zu wenig. Gerhard Dell, Geschäftsführer des Oberösterreichischen Energiesparverbandes, betont: »Der Energieaspekt für sich ist zu kurz gegriffen, wir müssen treibhausgasneutral bauen.«
Über die aktuellen rechtlichen Vorschriften, wie die OIB 6, sei man in Österreich am guten Weg. Es geht nicht nur ums Dämmen, sondern um eine umfassende und zugleich kostenoptimale Gesamtlösung für ein sozialverträgliches, aber auch CO2-zero Gebäude. Manchmal sei es aus Treibhausgas-Sicht besser, etwa einen Heizungstausch weg vom Öl zu machen, statt Gebäude mit 20 cm dicken Dämmplatten einzupacken. Energieeffizienz war zuletzt ein zentrales Thema in Wels.
Die Europäische Energieeffizienz Konferenz 2020 des OÖ Energiesparverbandes bot ein umfassendes Paket mit fünf Fachkonferenzen, einer Fachexkursion zu erfolgreichen Energieeffizienzprojekten sowie der Energiesparmesse. Lösungen für das Bauen der Zukunft waren Thema der Young Researcher Konferenz. »Mehr als 100 junge EnergieforscherInnen haben ihre Lösungen diskutiert und besprochen.«
Es müsse noch viel nachgedacht werden, v.a. in Hinblick auf kostenoptimale Lösungen. Dazu ergänzt Stefan Schleicher, Professor am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der TU Graz: »Der Eindruck, den ich immer wieder bekomme, ist, dass sich die Möglichkeiten des innovativen Bauens noch zu wenig zu den planenden Institutionen durchgesprochen haben.« Vielfach sei noch immer entscheidend, wo möglichst billig und schnell gebaut werden kann.
Das sei ein großer Irrtum und habe vielfach erhebliche und teure Folgewirkungen – es entstehe hoher Aufwand für Wärmen und Kühlen sowie für Zwangsmobilität. »Wo wir bauen, hat Folgewirkung für den Bereich Mobilität. Wie wir bauen, hat Einfluss auf die sehr energie- und emissionsintensive Industrie«, hält Univ.-Prof. Schleicher fest. Bauverantwortliche müssen die Frage stellen, wo, wie und wofür gebaut wird. Auf politischer Ebene sind diese Fragestellungen für ihn noch nicht ausreichend verankert.
Konzept Quartier
Klimaneutralität im Bereich Gebäude bedeutet die Abkehr von Fossil. »Erneuerbare Energie muss lokal bereitgestellt werden«, verweist Stefan Schleicher auf das Quartier Suurstoffi nahe Zürich in der Schweiz, das für ihn Paradebeispiel für klimagerechtes Bauen ist. Auf dem Areal einer einstigen Sauerstofffabrik entsteht ein Quartier für 1.500 Bewohner und 2.500 Arbeitsplätze.
Schlüssel für den Erfolg ist unter anderem der zentrale, verkehrstechnisch bestens erschlossene Standort mit hoher baulicher Dichte, aber auch viel Stadtgrün. Weitere entscheidende Faktoren für die Nachhaltigkeit bilden das Denken in Kreisläufen sowie der Einsatz ressourceneffizienter Materialien und Produkte. Mittelfristig soll Suurstoffi CO2-frei sein und weitgehend ohne Energie von außen betrieben werden. Drei Besonderheiten sieht Schleicher als hervorstechend: Anlagen für solare Elektrizität und Wärme sind in die Gebäude integriert.
Ein »Anergie-Netz« ermöglicht das Zusammenspiel von Wärme- und Kältebezug und schafft damit eine Vernetzung auf einem niedrigen Temperaturniveau. Abwärme wird in Verbindung mit Wärmepumpen und Wärmetauschern verwertet. »In Österreich sind Anergie-Netze noch viel zu wenig bekannt«, bedauert er, ebenso das Quartiersdenken.
Der Gebäudebestand müsse umfassend betrachtet, als Quartier gesehen werden. Nur so könne er 2050-fit gemacht werden. Kooperativ müssen auch die Gewerke fungieren. Damit spricht Gerhard Dell das Zusammenwirken an, nicht die isolierte Betrachtungsweise von Einzelthemen. Ein Blick auf die Haustechnik erklärt das Prinzip: Bei der Wärmepumpe ist die Technik allein für die Funktion im Gebäude nicht ausreichend, Know-how über die Architektur ist erforderlich.
Konzept Multifunktional
Für den OÖ Energiesparverband und das Wegener Center ist Gesamthaft-Denken von Planerseite nötig. »Wir müssen uns um eine Architektur bemühen, die Gebäude langlebig und über die lange Lebensdauer sehr flexibel macht«, fordert Schleicher, der auch als Konsulent für die Forschungsbereiche Umwelt, Landwirtschaft und Energie am WIFO tätig ist. Man wisse nicht, wie sich die Nutzung der Gebäude in den nächsten 20, 30 Jahren entwickelt.
Viele Änderungen in den wirtschaftlichen Aktivitäten zeichnen sich ab. »Wir arbeiten immer öfter von zu Hause«, bringt er ein Beispiel und verweist zusätzlich auf den Aspekt der Aging Society, wodurch neue Anforderungen im Bereich des Wohnens entstehen. Der modularen Bauweise misst er entscheidendes Gewicht bei. So nennt Stefan Schleicher z.B. Honeycomb, die eine flexible Wabenstruktur erlaubt. Die entstandenen Deckenelemente können ohne Stahlarmierung errichtet werden, zeigen Beispiele in der Schweiz.
Allerdings gebe es noch viele Entwicklungsmöglichkeiten. Entscheidend ist die Rolle des Gebäudes im Energiesystem. Multifunktionale Gebäude haben nicht nur höchsten energetischen Standard, sie übernehmen auch eine aktive Rolle bei der Bereitstellung von Energie und im Lastmanagement bei Elektrizität und Wärme. Die Gebäudehülle wird etwa für die Bereitstellung von Energie mit Priorität für Erneuerbare verwendet und inkludiert elektrische Speicher. Laut Ökonom Stefan Schleicher sind Wärmetauscher mit geringem Aufwand in die Geschoßdecke integrierbar, die in der Folge für einen Ausgleich von Temperaturschwankungen sorgt und Heiz- bzw Kühlbedarf minimiert bzw. vermeidet.
Zukunftsfähiges Bauen
- gesamtheitliches Engagement,
- aktive Strategien für radikale Innovationen
- Entwicklung zu multifunktionalen Gebäuden
- Gebäude als aktive Komponenten im Energiesystem ReConstruct nennt die vier Kernelemente des zukunftsfähigen Bauens.