Klimawandel, geringe Budgets für die Straßenerhaltung und hohe Wartungsarbeiten: Intelligente Straßen sind der Umfahrungsweg.
Der Klimawandel beeinflusst über verschiedene äußere Einflüsse die Straßeninfrastruktur und damit verbunden den Verkehr«, eröffnet Josef Decker, Straßenbaudirektor des Landes Niederösterreich, das Thema und spricht damit extreme Wetterereignisse wie Unwetter, Überschwemmungen, aber auch große Hitze an, die die durchschnittliche Lebensdauer der Straßen verringern, zu erhöhten Sanierungskosten führen und im extremen Fall einen kompletten Neubau erfordern. Klimabedingte Extremereignisse verursachen ökonomische Verluste, die sich direkt auf die Finanzen der öffentlichen Hand auswirken.
Genügend bis Nicht genügend
Das Thema Erhaltungsszenario Landesstraßen steht seit Jahren im Fokus. »Zur Zeit liegt es sprichwörtlich im Argen, wir sehen kaum Verbesserungen«, bemängelt Maximilian Weixlbaum, Geschäftsführer der Gestrata. Bis zu 95 Prozent des Straßennetzes sind asphaltiert, ein Drittel muss nach dem Schulnotensystem mit 4 bis 5 bewertet werden. »Wenn die Entwicklung so weitergeht und die Straßenbaubudgets der Länder nicht spürbar erhöht werden, sehe ich schwarz für das niederrangige Straßennetz«, betont Weixlbaum.
Gemeinden treffe es noch stärker. Ähnlich Straßenbaudirektor Decker: »Fast alle Gemeinden sind seit Jahren finanziellen Belastungen ausgesetzt, die keine zusätzlichen Investitionen zulassen.« Gestrata hat schon die verschiedensten Anläufe für eine Finanzwende gemacht, sei es über die flächendeckende LKW-Maut oder eine Rückkehr zur Zweckbindung der MÖST, um die Erhaltungsbudgets der Länder aufzubessern. An beiden Vorhaben ist der Verein gescheitert.
Ergänzen statt Tauschen
Im hochrangigen Straßennetz sind qualitativ hochwertige Betonstraßen gut etabliert. Durch die steifen Betonoberflächen wird der Rollwiderstand verringert und somit Treibstoff gespart, Emissionen sinken, der Transport wird optimiert und die Verkehrssicherheit erhöht. Im niederrangigen Straßennetz spielen Betonstraßen bislang aufgrund des komplexeren Einbaus und der höheren Kosten kaum eine Rolle. Sebastian Spaun, Geschäftsführer des Forschungsvereins EcoRoads und der VÖZ, schlägt eine Methode vor, um mit herkömmlichen Einbaumethoden das Qualitätsniveau des hochrangigen auf das niederrangige Straßennetz zu transferieren. Mittels Walztopping wird Beton auf den abgefrästen Asphalt aufgebracht.
Bildb oben: EU-Forschungsprojekte befassen sich laut Univ.-Prof. Ronald Blab v.a. mit der Anpassung der Straßeninfrastruktur auf den Klimawandel und die Optimierung der Erhaltungsstrategien unter Berücksichtigung von Kosten für Nutzer und Umwelt.
»Beton weist zahlreiche klimarelevante Vorteile auf, wie hohe Verformungsresistenz, geringen Rollwiderstand und damit verbunden geringeren Treibstoffverbrauch sowie Langlebigkeit«, betont Spaun. Die hellere Oberfläche bringt mehr Sicherheit, in der Stadt verringert sie den Urban Heat Island Effect, d.h. das Aufheizen des Straßenbelags.
Ein Problem sieht er jedoch. »EcoRoads betreibt Forschung, wir sind keine Praktiker. Wir haben verschiedene Teststrecken angelegt, die sehr erfolgreich bilanzieren und versuchen nun, mit klassischen Asphaltfertigern zusammen zu arbeiten, die den Walzbeton mit ihren Maschinen aufbringen.« Man müsse Pilotanlagen kreieren, denn in der Bauwirtschaft funktioniere nichts ohne Pilotanlage. Für heuer sind weitere Teststrecken geplant, erstmals auch im öffentlichen Bereich.
Als Ausweg aus der Hitzekrise nennt Maximilian Weixlbaum die Abkehr vom Standard-Bitumen 70/100, der seit Jahren verwendet wird. Es sei zu überlegen, ob man nicht auf die nächsthärtere Bitumenqualität 50/70 wechselt, um Verformungen vorzubeugen. Im hochrangigen Straßennetz fällt dieses Problem nicht an, da mit kunststoffmodifiziertem Bitumen gearbeitet wird, das härter und flexibler und wenig anfällig für Hitze ist.
Univ.-Prof. Ronald Blab, Leiter des Instituts für Verkehrswissenschaften Forschungsbereich Straßenwesen der TU Wien, der das Projekt begleitet, spricht den Faktor Recycling an. »Da ist noch sehr viel zu tun. Ausgebaute Asphalte werden derzeit v.a. in untergeordneten Schichten eingebaut, eine Art Downcycling.«
Schallquelle Straßen
Entscheidend ist die Entwicklung im Schallbereich. »Das war eigentlich der Anspruch, wieso wir Betonstraßen erforschen«, erinnert sich Spaun. Lärm sei ein Riesenthema. Der Umstieg auf Elektromotoren hilft nur teilweise, denn über 50 km/h entscheidet das Rollgeräusch. Abhilfe können Texturen schaffen, die eine Entlüftung unter dem Reifen ermöglichen.
Bild oben: »Auch Tunnel können Ohren haben«, weckt Robert Galler Neugier für den Lehrgang NATM Engineering an der Montan-Uni.
In Österreich werden Betonrillen erprobt, das sogenannte Grinding, auf das Johannes Steigenberger, Leiter Engineering bei der Asfinag, verweist. Dazu werden schmale Rillen in den Beton geschliffen, dadurch wird er eben und lärmarm. »Die Straße schaut dann aus wie eine frisch präparierte Skipiste, man fährt wie auf einem Teppich«, gibt Steigenberger einen Vergleich und nennt zwei Strecken bei Wiener Neudorf. Gegen Verkehrslärm helfen auch Rezepturen wie der lärmarme Splittmastix-Asphalt.
Intelligenz unter Tag
Auch im Tunnel spielen Geräusche eine große Rolle. Univ.-Prof. Robert Galler, Wissenschaftliche Leiter Lehrstuhl für Subsurface Engineering an der Montanuniversität Leoben, verdeutlicht es. »Im intelligenten Tunnel bauen wir Mikrofone ein, ergänzend zur Videoaufnahme. Das erleichtert das Erkennen z.B. eines Unfalls, denn bei Feuer sieht man über die Kameras rasch wenig.«
Apropos intelligenter Tunnel. »Es ist noch eine Vision, aber wir wollen die Forschung vorantreiben, bei der die Schalen des Tunnels ihren Alterungszustand selbst melden.« Realisiert ist dagegen schon die Idee des Tunnels als Wärmespeicher, dazu lief das FFG-Projekt MinTherm.
Bild oben: »Für 2020 sind erstmals Teststrecken für Walzbeton im öffentlichen Bereich geplant«, kündigt Sebastian Spaun an.
»Über Energieanker ziehen wir Energie aus dem Berg und nutzen diese, etwa um Tunnelportale eisfrei zu halten«, informiert Galler und verweist auf eine weitere Innovation, die Dragon-Technologie. Die europäische Untertagebauindustrie baut rund 800 Mio Tonnen Bodenschätze ab. Derzeit wird das Aushubmaterial überwiegend auf Deponien entsorgt. Eine effiziente Nutzung vor Ort oder in anderen Industriebereichen ist daher von großem wirtschaftlichem und ökologischem Interesse und Ziel von Dragon.
Intelligenz über Tag
»Die Straßeninfrastruktur muss, ebenso wie Oberbau, Tunnel und Brücken, mit einer Sensorik ausgestattet werden, um die Belastung und den Alterungs- und Belastungszustand sowie die Restlebensdauer laufend feststellen zu können, um proaktiv entsprechende Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen planen und durchzuführen zu können«, fordert Univ.-Prof. Ronald Blab.
Die Infrastruktur muss auch reibungslos mit den Nutzern kommunizieren, es gehe in Richtung Car2Infrastructure. Da bestünden bereits vielversprechende Ansätze, erste Ideen gibt es auch für den reibungslosen Einsatz der Sensorik in der Infrastruktur. Um den laufenden Zustand beobachten und aus Zustandsänderungen heraus pro futura entsprechende Maßnahmen rechtzeitig planen zu können, brauche es langlebige Sensoren. Von der Messtechnik her sind laut Blab noch sehr viele Schritte im Sinn der wissenschaftlichen Forschung notwendig.
Befahrbarer Wärmespeicher
Dass Straßen als Wärmespeicher dienen können, wenn in ihnen Wasserleitungen verlegt sind und durch die Sonnenstrahlung über Wärmepumpen Energie gewonnen wird, ist nicht neu – das ist das Konzept der oberflächennahen Geothermie. Für Johannes Steigenberger von der Asfinag eine sehr gute Idee, jedoch nicht geeignet für das hochrangige Straßennetz. »Der Schwerverkehr und die dynamische Belastung bei Autobahnen und Schnellstraßen wirken dem entgegen.«
Die oberflächennahe Geothermie eigne sich für das niederrangige Straßennetz und Plätze ohne dynamische Belastung nahe Siedlungen. An der TU Wien wurden dazu schon Projekte durchgeführt. »Die wissenschaftlichen Grundlagen sind da. Es gibt auch Firmen, die diese Art von Wärmeschleifen vertreiben.« Das Problem sieht Univ.-Prof. Blab darin, dass oberflächennahe Geothermie das Projekt Straße deutlich verteuert. Über den Lebenszyklus könnte sich so etwas rechnen, man müsse jedes Projekt aber genau durchkalkulieren.
Intelligente Verkehrssteuerung
Wien hat bereits zahlreiche Projekte in Richtung intelligente Verkehrssteuerung gestartet:
- Erste intelligente Verkehrsampel: ein optischer Sensor erkennt den Querungswunsch von Fußgängern
- Pilotprojekt Netzsteuerung: Zählstellen messen das Verkehrsaufkommen und ermöglichen die optimale Schaltung der Verkehrslichtsignalanlagen.
- Machbarkeitsstudie »Ampel-Assistent«: Mittels einer App wird dem Autofahrer gezeigt, wie lange an der nächsten Verkehrslichtsignalanlage noch grün bzw. rot geschaltet ist, wenn der Autofahrer seine derzeitige Geschwindigkeit beibehält.
- C-ITS-Pilotprojekt: Stau- und Baustellenwarnungen werden ins Auto übertragen.
- Differenzierte Verkehrslenkung: Ermöglicht werden soll eine differenzierte Verkehrslenkung, damit nicht alle Fahrer denselben Weg nehmen.
Intelligente Straßen
Die Straßenbaudirektion Niederösterreich nennt einige Ideen einer infrastrukturellen Grundausstattung der intelligenten Straße.
- Kontinuierliche Anbindung der Verkehrslichtsignalanlagen an den Verkehrsrechner des Landes Niederösterreich
- Erhöhung des Anteils von Lichtsignalanlagen mit verkehrsabhängiger Steuerung
- Adaptive Signalprogrammsteuerung über kontinuierliche Echtzeit-Verkehrsdatenerfassung
- Car2X- Kommunikation
- Fahrzeitangaben bei Vorliegen von Alternativrouten
Interne Überwachung der VLSA/Beleuchtungsanlagen und automatische Meldung bei Ausfällen (Lampen, Sonden…) bzw. schon vorab über Auffälligkeiten im Betrieb
- Verkehrskameras zur Verkehrsbeobachtung, Möglichkeit der Programmschaltung durch Exekutive