Droht angesichts der Coronakrise eine Pönaleflut, weil Termine nicht eingehalten werden können? Was passiert, wenn der Auftraggeber in finanzielle Schieflage gerät? Und ist in dem Fall Hilfe vom Staat zu erwarten? Clemens Berlakovits und Constantin Hofer von KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte liefern die Antworten.
In vielen Bauverträgen sind für die Nichteinhaltung von vereinbarten Terminen Pönalen vereinbart. Ihre Geltendmachung setzt Verschulden des Auftragnehmers voraus, soweit vertraglich nichts Abweichendes vereinbart wurde. Ein Verschulden des Auftragnehmers bei coronavirusbedingten Störungen im Bauablauf wird im Regelfall jedoch zu verneinen sein.
Darüber hinaus sieht § 1336 ABGB ein richterliches Mäßigungsrecht vor, dass gerade in Situationen wie diesen zur Anwendung gelangen wird. Im Übrigen wird fraglich sein, ob eine verschuldensunabhängige Pönale im gegenständlichen Fall überhaupt greifen kann oder als sittenwidrig zu beurteilen sein wird, da sich ein unvorhersehbares und damit unkalkulierbares Risiko verwirklicht.
Liquiditätsengpässe aufseiten des Auftraggebers
Gerät der Auftraggeber in eine finanzielle Notsituation, etwa weil er seinerseits aufgrund von Lieferengpässen die Produktion einstellen muss, kann dies ebenfalls zu Bauverzögerungen führen und die Anordnung eines Baustopps bedingen. Der bloße Mangel an Zahlungsmitteln ist nämlich regelmäßig nicht als endgültige Leistungsunmöglichkeit zu werten. Auf höhere Gewalt kann er sich aber nicht berufen, auf die Ursache der fehlenden Liquidität kommt es nicht an.
Das »Liquiditätsrisiko« trägt der Auftraggeber. Dem Auftraggeber bleibt in solchen Situationen nur das Recht, ein noch nicht ausgeführtes oder fertiggestelltes Werk »abzubestellen«, wodurch dem Auftragnehmer nur ein verkürzter Entgeltanspruch, nicht jedoch Schadenersatz gebührt.
Rücktrittsrecht wegen Verzugs?
Kommt es zu Überschreitungen von vertraglichen vereinbarten Terminen, aufgrund von coronavirusbedingten staatlichen Maßnahmen (Gebietssperren, Ausgangssperren, usw.), so stellt sich die Frage, ob ein Vertragsrücktritt wegen Schuldnerverzuges vom Auftraggeber erklärt werden kann. § 918 ABGB stellt dabei nicht auf ein Verschulden des Auftraggebers ab. Objektiver Verzug genügt grundsätzlich, um ein Rücktrittsrecht des Auftraggebers zu begründen.
Zwingend verbunden mit seiner Rücktrittserklärung muss der Auftraggeber dem Auftragnehmer aber eine »angemessene« Nachfrist einräumen. Sie hat den Zweck, dem Schuldner eine reale Chance zur Nachholung seiner geschuldeten Leistung zu geben. Diese Chance wird solange nicht gegeben sein, solange ein »Ausnahmezustand« herrscht und es dem Auftragnehmer aufgrund staatlicher Maßnahmen unmöglich ist, seine Leistung zu erbringen.
Die fristgerechte Leistungserbringung ist nachträglich quasi unmöglich geworden. Dem Auftraggeber verbleibt aber das Recht, die Leistung abzubestellen. Diesfalls stehen dem Auftragnehmer, anders als bei einem Vertragsrücktritt, sogenannte Beendigungsansprüche zu, konkret das volle Entgelt abzüglich jener Kosten, die sich der Auftragnehmer aufgrund der Abbestellung erspart. Aus rechtlicher Sicht kommen für die Vertragsparteien auch Ansprüche aufgrund Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.
Der OGH ist jedoch insgesamt äußerst zurückhaltend, was die Annahme eines solchen Wegfalls der Geschäftsgrundlage betrifft, weshalb hier gewisse Restunsicherheiten bestehen und eine einzelfallbezogene Prüfung nicht vorweggenommen werden kann.
Soweit die ÖNORM B 2110 vereinbart wurde, kann gemäß Punkt 5.8.1. überdies jede Vertragspartei dann vom Vertrag sofort zurücktreten, wenn eine Behinderung der Leistungserbringung länger als drei Monate dauert. Dauert der nun eingeleitete Shutdown länger also über Mitte Juni hinaus, so ist zu erwarten, dass es zu zahlreichen Rücktritten gestützt auf diese Bestimmungen kommen wird.
Ansprüche gegenüber dem Staat?
§ 32 Epidemiegesetz 1950 sieht bei per Verordnung angeordneten Betriebsbeschränkungen oder -schließung einen Anspruch auf »Vergütung« für die durch die Behinderung des Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile vor. Dieser Anspruch ist binnen sechs Wochen geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.
Daneben gilt es das seit 16.3.2020 in Kraft getretene COVID-19-Maßnahmengesetz zu beachten. Nach § 1 leg cit können mittels Verordnung Betretungsverbote für bestimmte Betriebe zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen ausgesprochen werden. Diesfalls gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung. Betroffene sollen jedoch über den »COVID-19-KrisenbewäItigungsfonds« finanzielle Unterstützung erwarten dürfen.