Vor knapp einem Jahr haben sechs Bauunternehmen die Smart Construction Austria gegründet. Zweck sind Beteiligungen an Forschung und Entwicklung, der gegenseitige Erfahrungsaustausch unter den Mitarbeitern sowie Förderung von Start-ups. Wie sieht die Bilanz im März 2020 aus? Der Bau & Immobilien Report hat mit Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von Baukultur und der SCA, gesprochen.
Spannend, mutig, treibend, neuartig, richtungweisend – das war das Ergebnis eines Wordraps, den Renate Scheidenberger bei einem Workshop der Smart Construction Austria zum Auftrag gab. Das Ergebnis gibt der Gründungsidee recht: Die SCA wird als zukunftsweisend im Bauwesen gesehen, sie verkörpert die Handschrift des Miteinander. Sechs mittelständische Unternehmen, die letztendlich auch Konkurrenten sind, bilden ein Netzwerk, um stärker, schneller und attraktiver zu sein – offene und transparente Zusammenarbeit als Vorbereitung auf die Zukunft. »Ich kenne kein vergleichbares Projekt«, meint die Wiener Baumeisterin. Vernetztes Arbeiten bildet die Zukunft, vor allem für klein- und mittelständische Unternehmen. Einem KMU stehen gegenüber Großunternehmen wie Strabag oder Porr weniger Mittel für Forschungstätigkeiten und Zukunftsprojekte zur Verfügung.
Im Netzwerk könne man der Industrie gegenüber stärker auftreten. Elmar Hagmann, Geschäftsführer von Sedlak bestätigt: »SCA ist ein Weg, sich gemeinsam für die Zukunft zu stärken und neue Wege der partnerschaftlichen Abwicklung zu beschreiten.« In der Baubranche sei man hohem Termin-, Kosten- und Qualitätsdruck ausgesetzt. Vernetzung ist hilfreich, ebenso der Austausch zu diversen Themen z.B. über Mitarbeitermotivation und -bindung.
Themenquartett
Stärken will sich Smart Construction Austria vor allem in vier Bereichen: Lean, BIM, Einkauf und neue Vertragsmodelle. Dafür braucht es Netzwerkdenken statt Silodenken. »In den Medien liest man, Bildung sei die neue Währung und Kooperation der Weg zum Erfolg. Gemeinsames Wissen verbessert die Qualität, reduziert Fehler und gestaltet Prozesse schneller und effektiver«, gibt Hagmann zu bedenken. Das breite Erfahrungsspektrum von Vorarlberg bis Wien biete diese Möglichkeit.
In verschiedenen Wirtschaftsräumen können unter unterschiedlichen Bedingungen die verschiedenen Bauaufgaben studiert und analysiert werden, wovon jeder Einzelne profitiert. »Außerdem kann offen über arbeitsrechtliche, organisatorische und gesellschaftsrechtliche Aufgaben und deren Lösungen diskutiert werden«, nennt Hagmann einen weiteren Vorteil des netzwerklichen Arbeitens. Die Vernetzung der Mitarbeiter ist ein vorrangiger Schwerpunkt der SCA.
Bild oben: »Verglichen mit einem Bauwerk arbeitet SCA an der Baustelleneinrichtung – das Netzwerk am Fundament schreitet erfolgreich, motiviert und konsequent voran«, freut sich Renate Scheidenberger. »Es ist für mich eine der spannendsten Aufgaben, die ich bisher übernehmen durfte.«
Für Renate Scheidenberger ist dieses Vorhaben einmalig. Es sei nicht die Regel, dass Konkurrenten über ihre Stärken informieren und Mitbewerber das Wissen für sich nutzen können bzw. dass sich Mitarbeiter offen, mit ausdrücklicher Freigabe der Geschäftsführer austauschen können. SCA schafft diese Möglichkeiten, die Unternehmen unterstützen sich gegenseitig, beantworten Fragen, lernen von Inputs und bringen sich ein, denn bei BIM und Lean sind die einzelnen Mitglieder strategisch unterschiedlich weit. Ein Austauschthema zwischen den Mitgliedsbetrieben ist der Einkauf. Dazu gibt es eigene ERFAs, auch um zu ergründen, ob Synergien geschaffen werden können.
Die Digitalisierung ist ein weiteres Thema. Es geht darum, sich für Mitarbeiter attraktiv zu präsentieren. Man muss am Puls der Zeit arbeiten. »Ich kann nur mit den besten Mitarbeitern am Markt bestehen und die besten Köpfe erhalte ich nur dann, wenn ich ein ansprechendes Unternehmensumfeld mit spannenden Projekten habe«, zeigt Scheidenberger auf. Gedacht sind auch Learning Journeys der Mitarbeiter, d.h. Erfahrungsaustausch durch Besuche der Mitarbeiter bei den anderen Gesellschafterbetrieben.
Bereits erledigt
Wenn jeder abgeschottet für sich arbeitet, ist es schwieriger, ein attraktives Ergebnis zu erreichen. Erst durch über eigene Grenzen hinaus stattfindenden Austausch können Synergien gewinnbringend zusammenfließen und neues Wissen kann generiert werden. Regelmäßige Gesellschaftertreffen garantieren dieses Ziel. Aktuell wird über die Hauptthemen Lean, BIM, Einkauf und neue Vertragsmodelle diskutiert. »Die neuen Arbeitsweisen mit Lean und BIM verlangen ein Überdenken der bisherigen Verträge«, informiert Scheidenberger. »
Hier stehen wir noch eher am Beginn.« Erfolgreich abgewickelt wurden die ersten Workshops zu Lean und BIM, einen Erfahrungsaustausch gab es auch schon zu den Themen Einkauf und IT. Derzeit wird an den Themen Kunden- und Personalgewinnung, Personalentwicklung, Lehrlingsausbildung und an firmenübergreifenden Projekten zur mobilen, papierlosen Baustelle und zur Verbesserung der BIM-Schnittstellen gearbeitet. Die beiden Themen haben sich im Zuge der ersten Workshops herauskristallisiert. Für die Meetings in den folgenden Wochen sind die Themen Marketing und Mitarbeiterrekrutierung vorgesehen. Kommuniziert wird über Videokonferenzen und face to face.
»Ich versuche, die Workshops so anzulegen, dass die Mitarbeiter angeregt werden, frei und groß zu denken. Jeder verlässt die Sitzung dann aber mit einer To-do-Liste mit Vorhaben, die er im Betrieb umsetzen wird. Die Mitarbeiter inspirieren sich gegenseitig, spornen sich an und sehen Alternativen«, blickt Scheidenberger zuversichtlich in die nächsten Monate.