Donnerstag, Februar 06, 2025
"Grundsätzlich gesunde Unternehmen dürfen jetzt nicht in Notlage geraten"

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Michael Klien, Bau-Experte im Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO, die möglichen, langfristigen Auswirkungen der Coronakrise auf die Bauwirtschaft, warum es Vergleichbares bislang noch nicht gegeben hat und was passieren muss, damit die Bauwirtschaft nach Corona einfach dort weitermachen kann, wo sie aufgehört hat.

Report: Welche Auswirkungen wird oder kann das Coronavirus auf die österreichische Bauwirtschaft haben?

Michael Klien: Es mehren sich die Anzeichen, dass das Coronavirus auch in der Bauwirtschaft deutliche Spuren hinterlassen wird. Die Situation ist zwar nicht so dramatisch wie im Handels- und Dienstleistungsbereich, wo es aufgrund behördlicher Maßnahmen teilweise zu kompletten Umsatzausfällen kommt, aber deutliche Rückgänge in der Produktion sind unausweichlich. Allein schon aufgrund der angekündigten Baustellenschließungen von Strabag, Porr, Habau und Swietelsky sind (temporäre) Einbußen im zweistelligen Prozentbereich zu erwarten.

Die Höhe der Rückgänge hängt freilich noch wesentlich davon ab, ob es auch im Bauwesen zu behördlichen Maßnahmen wie Baustellenschließungen kommt – egal ob präventiv oder aufgrund von Corona-Erkrankungen.  Gleichzeitig ist derzeit nicht klar, ob offene Baustellen überhaupt mit voller Auslastung betrieben werden könnten.

Produktionsseitig ist nämlich der Mangel an Arbeitskräften ebenfalls ein Problem. Speziell die Grenzschließungen der östlichen Nachbarstaaten – Stichwort Tages- und Wochenpendler – könnten sich hier empfindlich auswirken. Seriöserweise muss man aber sagen, dass es aufgrund der sich fast täglich ändernden Rahmenbedingungen noch dauern wird, bis die tatsächlichen Auswirkungen des Coronavirus wirklich fassbar sind.

Report: Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Kann es sein, dass die Bauwirtschaft relativ unbeschadet aus der Krise kommt und nach Ende der strengen Einschränkungen einfach dort weitermacht, wo sie aufgehört hat?

Klien: Grundsätzlich sind die konjunkturellen Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft besser als in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft. Der Jahresbeginn 2020 bis zum Ausbruch der Krise war geprägt von einer weiterhin stabilen Auftragslage und den ausgesprochen günstigen Witterungsverhältnissen.

Die Unternehmensumfragen des WIFO-Konjunkturtest vom Februar zeigten für die Konjunkturlage absolute Spitzenwerte.
Wenn die Coronakrise ein relativ kurzfristiges Phänomen bleibt, könnte die Bauwirtschaft womöglich wirklich einfach »durchtauchen«. Anders sieht das aus, wenn die österreichische Volkswirtschaft in eine tiefe und anhaltende Rezession fällt. Obwohl die Auftragsbestände derzeit hoch sind, werden Nachfragerückgänge auf breiter Basis zumindest mittelfristig auch die Bauwirtschaft treffen. Die Geschwindigkeit der Erholung ist daher für die Bauwirtschaft mindestens ebenso wichtig wie das Ausmaß des jetzigen Coronaschocks.
 
Report: Welche Maßnahmen wird es seitens der Politik in den nächsten Monaten brauchen?

Klien: Zunächst geht es klarerweise darum, dass die Gesundheitskrise gemeistert wird. Wo möglich, sollte aber gleichzeitig die Wirtschaft am Laufen gehalten wird. In der jetzigen Situation muss daher soweit als möglich verhindert werden, dass grundsätzlich gesunde Unternehmen aufgrund des Corona-Schocks in existenzbedrohende Notlagen kommen. Gleichzeitig geht es darum möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Die von der Regierung vorgestellten milliardenschweren Maßnahmenpakete gehen da in die richtige Richtung.
 
Report: Hat es Vergleichbares schon einmal gegeben?

Klien: Mir wäre nichts derartiges bekannt. Schon allein aufgrund der Geschwindigkeit, mit welcher die Volkswirtschaften gerade heruntergefahren werden, ist es jedenfalls deutlich anders gelagert als die Krise 2008/2009.n
 

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