Noch spielt künstliche Intelligenz auf Baustellen kaum eine Rolle. Doch das wird sich in Zukunft ändern. Die möglichen Einsatzgebiete sind breit gefächert und reichen von der Risikominimierung über bessere Einsatzplanung für Mensch und Maschine bis zur Erhöhung der Arbeitssicherheit.
Die Aussichten für die Bauindustrie sind nach wie vor positiv, dennoch ist der Anpassungsdruck enorm. Die Management Consultants Horváth & Partners haben in einer Untersuchung festgestellt, dass die Produktivität der Bauindustrie in den vergangenen 50 Jahren mit der produzierenden Industrie nicht mithalten konnte.
Während die Arbeitsproduktivität in anderen Sektoren seit den 60er-Jahren um über 150 Prozent gesteigert wurde, musste die Bauindustrie sogar ein Minus hinnehmen. Grund dafür seien mangelhafte Standardisierung, träge Automatisierung der Fertigung, fehlende vertikale Integration der Zulieferindustrie und unzureichende Optimierungsprogramme, die in der produzierenden Industrie inzwischen bis zur Perfektion implementiert wurden.
Wohin der Trend geht
Fest steht: Die großen Baustellen von morgen werden automatisiert und digitalisiert. Zum Einsatz kommen selbstfahrende Baumaschinen und teilautomatisierte Betonverteiler ebenso wie 3D-Drucker. Die Vermessung schwer zugänglicher oder weitläufiger Bauten erfolgt über Drohnen und Klein-Satelliten. Wearables, Smart Sensors und das »Internet of things« sind die Basis zur Vernetzung von Geräten und Bauteilen. Ebenso werden Frühwarnsysteme für Wetterrisiko, Gerätebruch und Lieferengpässe den Tagesablauf effizienter gestalten und Stehzeiten reduzieren.
Auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) werden in Zukunft dafür sorgen, dass auf Baustellen effizienter und kostengünstiger gearbeitet. Zwar wird laut einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey KI in der Baubranche in naher Zukunft noch nicht die ganz große Rolle spielen, ein Wandel stehe aber dennoch bevor. Deshalb müsse die Baubranche in Hinblick auf KI-Methoden und Anwendungen aufholen.
Intelligentes Bauen
Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten für maschinelles Lernen und KI in der Baubranche sind enorm breitgefächert. Für Strabag-Vorstand Peter Krammer ist KI bei jedem Prozessschritt einsetzbar. »Im Bauprozess kann ich mir KI gut bei der Bauzustandsfeststellung vorstellen. Roboter dokumentieren täglich den Baufortschritt mit 360-Grad-Aufnahmen und gleichen diese mit dem BIM-Plan ab.« An einem derartigen Projekt wird bei der Strabag bereits gearbeitet. Grundlage dafür sei die durchgehende BIM-Planung. Roboter könnten Bohrlöcher für elektrische Verkabelung erstellen, aufbauend auf dem BIM-Plan ein Loch aber auch selbständig bohren.
KI kann aber auch die Rolle eines intelligenten Assistenten übernehmen, der Daten effizient und schnell untersucht. Schließlich werden in der Bauindustrie nach der Finanzindustrie die meisten Daten generiert. Allerdings bleibt dieser Datenschatz derzeit noch weitgehend ungenutzt.
Wo und in welcher Form KI im Bauwesen Fuß fassen könnte, hat sich das Technologieunternehmen Trimble genauer angesehen (siehe nebenstehenden Artikel)
Beispiele für KI im Bauwesen
Das Technologieunternehmen Trimble hat mehrere Anwendungsfelder für künstliche Intelligenz im Bauwesen identifiziert:
Mehrkosten vermeiden: Vor allem bei Großprojekten können künstliche neuronale Netze eingesetzt werden, um Kostenüberschreitungen auf Grundlage verschiedener Daten wie Projektgröße, Art des Vertrags und Kompetenzniveau der Projektmanager vorhersagen zu können.
Prognosemodelle verwenden historische Informationen wie geplante Start- und Enddaten, um realistische Zeitvorgaben für zukünftige Projekte zu erstellen.
Bessere Gebäudeentwürfe: Mithilfe von Building Information Modeling (BIM) arbeiten alle an einem Projekt Beteiligten in einem digitalen 3D-Modell, das um zusätzlich Informationen wie Zeit und Kosten angereichert ist. Dank dieses digitalen Zwillings können Bauwerke effizienter geplant, errichtet und betrieben werden. Mithilfe von KI werden Konflikte zwischen den einzelnen Gewerken und mögliche Kollisionen schon in der Planungs- und Entwurfsphase erkannt und beseitigt.
Risikominimierung: Je größer das Projekt, desto größer das Risiko. Künstliche Intelligenz kann dafür genutzt werden, Risiken auf der Baustelle zu überwachen und zu priorisieren. So kann das verantwortliche Projektteam seine knapp bemessene Zeit und begrenzten Ressourcen dafür nutzen, um sich auf die größten Risikofaktoren zu konzentrieren.
Projektplanung: Im Jahr 2018 erregte ein KI-Startup besonders viel Aufsehen in der Baubranche. Das Versprechen des neu gegründeten Unternehmens: Seine Roboter und künstliche Intelligenz würden Verzögerungen und Budgetüberschreitungen bei Bauprojekten ein Ende bereiten. Das Unternehmen setzt Roboter ein, die selbständig 3D-Scans von Baustellen erstellen. Diese Daten werden anschließend in ein künstliches neuronales Netz eingespeist, das berechnet, wie weit verschiedene Teilprojekte fortgeschritten sind. Falls Abweichungen auftreten, kann eingeschritten werden, um kleine Probleme zu beheben, bevor daraus große Schwierigkeiten entstehen.
Produktivitätssteigerung: Es gibt inzwischen Firmen, die selbstfahrende Baumaschinen einsetzen, um sich wiederholende Aufgaben effizienter durchzuführen als ihre menschlichen Kollegen, z. B. das Gießen von Beton, Maurerarbeiten, Schweißen und Abrissarbeiten. Aushub- und Vorbereitungsarbeiten werden von autonomen und teilautonomen Planierraupen übernommen, die eine Baustelle mithilfe eines menschlichen Programmierers nach genauen Vorgaben vorbereiten können.
Sicherheit: In den USA wird aktuell an der Entwicklung eines Algorithmus gearbeitet, der Fotos von Baustellen analysiert, diese auf Sicherheitsrisiken scannt (z. B. Arbeiter, die keine Schutzausrüstung tragen) und die Bilder mit seinen Unfall-Datensätzen abgleicht.
Arbeitskräfte: Mit KI kann die Verteilung von Arbeitskräften und Maschinen besser geplant werden. Ein Roboter bewertet kontinuierlich den Fortschritt eines Auftrags. Anhand des Standorts von Arbeitern und Geräten können Projektmanager sofort sehen, auf welchen Baustellen sich genügend Arbeitskräfte und Geräte befinden, um ein Projekt termingerecht abzuschließen. Außerdem sehen sie, wo es an Ressourcen mangelt und eine Projektverzögerung droht. Experten erwarten, dass Bau-Roboter in Bezug auf KI-Methoden in Zukunft intelligenter und autonomer werden.
Off-Site-Konstruktion: Bauunternehmen setzen zunehmend auf Off-Site-Fabriken, in denen autonome Roboter Teile eines Gebäudes bereits zusammenbauen. Der finale Aufbau auf der Baustelle erfolgt dann durch die menschlichen Arbeitskräfte vor Ort.
Big Data: Daten aus Bildern von Mobilgeräten, Drohnenvideos, Sicherheitssensoren, Building Information Modeling und anderen Systemen sind eine unerschöpfliche Informationsquelle. Experten und Kunden aus der Baubranche haben so die Chance, die gewonnenen Erkenntnisse aus diesen Daten mithilfe von KI und Systemen für maschinelles Lernen zu analysieren und entsprechend für sich zu nutzen.
Mehr zum Thema »KI im Bauwesen« finden Sie auf dem Trimble Constructible-Hub constructible.trimble.de