Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Lehrlingsexpertin Petra Pinker über sinnvolle Schwerpunkte und häufige Fehler in der Lehrlingsausbildung. Und sie erklärt, worauf Unternehmen achten müssen, um die Lehrlinge über die Lehrzeit hinaus im Unternehmen zu halten.
Report: Die Zahl der Mitarbeiter ist in den meisten Unternehmen der Bauwirtschaft in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Eine Umfrage unter 25 Unternehmen der Bauwirtschaft sowie die Zahlen der BUAK zeigen, dass die Zahl der Lehrlinge mit dieser Entwicklung noch nicht Schritt halten kann. Worauf führen Sie das zurück?
Petra Pinker: Die Bauinnung war Anfang dieses Jahrtausends eine der ersten, die aktiv Jugendliche angesprochen und die Baulehre beworben hat. Heute ist es so, dass auch alle anderen Branchen auf den Zug aufgesprungen sind und sich händeringend um Nachwuchs bemühen. Damit werden die Jugendlichen von verschiedenen Branchen angesprochen. Dazu kommt die demografische Entwicklung und der Trend zu weiterführenden Schulen. Das alles führt dazu, dass die Lehrlingszahlen so sind, wie sie sind.
Report: Sie haben andere Branchen erwähnt. Wo steht denn die Bauwirtschaft im Branchenvergleich in Sachen Ausbildungsfreude und dem Bemühen, Lehrlinge zu finden?
Pinker: Mit der neuen »Baulehre 2020« und Maßnahmen wie dem gratis Tablet im zweiten Lehrjahr machen die Bauinnungen sehr viel. Dazu kommt eine sehr gute Bezahlung. Es ist aber besonders für kleine und mittlere Betriebe im ländlichen Raum sehr schwierig, junge Menschen für den Bau zu begeistern.
Report: Die Innungen sind sehr aktiv. Machen auch die Unternehmen genug?
Pinker: Ich glaube, dass sich da in den letzten Jahren sehr viel getan hat und das Bewusstsein über den Stellenwert der Lehrlingsausbildung deutlich gestiegen ist. Die Unternehmen machen sich nicht mehr nur Gedanken, wie sie Lehrlinge finden können, sondern auch darüber, wie man vielleicht noch bessere Bewerber finden könnte und vor allem, wie man diese langfristig im Unternehmen halten kann.
Dennoch gibt es immer noch viele Unternehmen, die sich zu wenig Zeit für die Lehrlingsausbildung nehmen und auch zu wenig Geld investieren. Während man für Managementausbildungen schnell ein paar tausend Euro locker macht, werden viele Unternehmen bei der Lehrlingsausbildung knausrig. Das ist der völlig falsche Ansatz. Denn Investitionen in den Nachwuchs sind nachhaltige Investitionen.
Report: Worauf müssen Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden oder ausbilden wollen, achten?
Pinker: Das Wichtigste ist immer ein guter Start. Der Lehrling soll nie nur das Anhängsel sein, das auf die Baustelle mitgenommen wird. Man muss sich die Zeit nehmen, den Lehrling in das Unternehmen einzuführen. Und man muss von Anfang kommunizieren, was das Unternehmen von einem Lehrling erwartet. Eine Schlüsselfunktion haben natürlich die direkten Ausbilder inne, die einen enormen Einfluss auf die Jugendlichen haben. Hier die richtigen Personen auszuwählen, ist für die Unternehmen essentiell.
Und man muss den Lehrlingen das Ausbildungsprogramm bewusst machen. Ziele müssen definiert und Fortschritte überprüft werden.
Report: Auch immer mehr Unternehmen setzen aktive Schritte, um die Zahl der Lehrlinge zu erhöhen. Es gibt Lehrlingsakademien oder Ausbildungscampusse. Sind das die richtigen Schritte, um Qualität und Quantität zu erhöhen?
Pinker: Das sind sicher sinnvolle Maßnahmen. Man muss aber auch aufpassen, dass man die Ausbildung nicht zu sehr verschult. Die Jugendlichen haben sich bewusst für eine Lehre und gegen eine weiterführende Schule entschieden. Die wollen Praxiserfahrungen sammeln. Das sollte man auch berücksichtigen.
Report: Ist der viel zitierte Facharbeitermangel aus Ihrer Sicht zumindest zum Teil auch hausgemacht?
Pinker: Zum Teil sicher. Man muss zur Verteidigung der Unternehmen aber auch sagen, dass viele Jugendliche, die eine Lehrstelle annehmen, noch nicht wissen, wohin sie beruflich eigentlich wollen und eine Stelle oder eine Branche einfach mal ausprobieren. Die zu halten, ist dann schon sehr schwierig.
Report: Jugendliche, die eine Lehre abbrechen, sind das eine. Lehrlinge, die nach dem Lehrabschluss ein Unternehmen verlassen, das andere. Was sind aus Ihrer Erfahrung die Hauptgründe, dass Unternehmen Lehrlinge nicht halten können?
Pinker: Ein ganz wichtiger Aspekt ist das Betriebsklima. Viele Lehrlinge haben auch das Gefühl, dass sie in ihrem Ausbildungsbetrieb auch über die Lehrzeit hinaus als der »ewige Lehrling« gelten. Wenn sie den Arbeitgeber hingegen wechseln, werden sie als Facharbeiter wahrgenommen. Und viele junge Menschen sind einfach auch neugierig auf ein neues Unternehmen und neue Kollegen. Und natürlich spielt auch die Bezahlung eine Rolle. Und dann gibt es diejenigen, die ohnehin einen ganz anderen Plan verfolgen und nach der Baulehre etwa zur Polizei wechseln.
Umso wichtiger ist es für Unternehmen, die richtigen Kandidaten auszuwählen. Es gilt, unter viele Steinen den Diamanten zu finden. In Relation zu den Ausbildungskosten wird viel zu wenig Geld und Zeit in Auswahl und Suche investiert.
Report: Wie können Unternehmen am stärksten punkten? Wie zieht man die guten Bewerber an?
Pinker: Das Wichtigste sind zufriedene Lehrlinge. Wenn ein Unternehmen eine gute Ausbildung, ein gutes Betriebsklima und Aufstiegschancen bietet, dann spricht sich das herum und zieht neue Lehrlinge an. Unternehmen müssen auch laufend Aktivitäten setzen, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Das kann durchaus schon im Kindes- und Jugendalter anfangen, indem man auf gewissen Veranstaltungen präsent ist, Schulen besucht oder »Kinderbaustellen« veranstaltet.
Report: Was muss aus Ihrer Sicht passieren, um die Zahl der Lehrlinge nachhaltig zu erhöhen? Wie kann man sich auch gegen andere Branchen durchsetzen?
Pinker: Natürlich wäre es wichtig, mehr Lehrstellen anzubieten. Und es muss großer Wert auf die Qualität der Ausbildung gelegt werden. Wenn ein Lehrling im ersten Lehrjahr immer nur denselben Handgriff machen muss oder darf, dann ist das zu wenig. Das spricht sich herum. Als Betrieb muss man konsequent und nachhaltig an seinem Image als Ausbildungsbetrieb arbeiten. Dabei gilt es auch, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen. Denn die müssen ja auch vom Arbeitsplatz ihrer Kinder überzeugt werden. Und es geht darum, die Werte, die man kommuniziert, auch tatsächlich zu leben. Dann wird man auch die richtigen Bewerber bekommen.