Die Fassade ist der sichtbare Teil der Gebäudehülle, die Vielzahl an Materialien, Farben und Formen bietet einen großen Gestaltungsspielraum – auch gedämmte Fassaden können einen Blickfang bilden.
Für Georg Reinberg vom Architekturbüro Reinberg bereichert die Dämmschicht das Instrumentarium eines Architekten deutlich, denn sie schafft neue Gestaltungsmöglichkeiten. Das werde von den Auftraggebern aber leider noch nicht durchgehend erkannt. Styroporfassaden und Vollwärmeschutz bieten z.B. die Möglichkeit für Vor- und Rücksprünge, Cutter können kreative Formen kreieren. Mit gedämmten Fassaden werden Fensterlaibungen größer, was sehr stark wirksam ist.
»Gestaltung und Dämmung sind gut vereinbar«, bestätigt Johannes Kislinger von AH3 Architekten. Maßgeschneiderte, vorgefertigte Fassadenlösungen sind wirtschaftlich, passgenau und vielfältig gestaltbar – auch technologisch hat die Produktentwicklung bestechende Lösungen im Angebot, etwa gechipte Module. Eine Kombination verschiedener Balkonausführungen oder einspringender Loggien lockern das Fassadenbild zusätzlich auf, beweisen die Projekte der Firma Schöck. Speziell bei der Sanierung verändern laut AH3 Architekten die Dämmstärken das Gebäude – Fenster wandern in die Fensterhöhlen. Im klimafreundlichen Bauen begegne man anderen Fassaden.
»Mit Wärmedämmung, ökologischen Baustoffe wie Holzfassaden, thermischen Kollektoren, mehr Beschattungseinrichtungen und u.a. mit energieproduktiven Fassaden wird die Sprache reicher«, berichtet Reinberg von seinen Projekten. Früher standen Architekten nur die Bereiche Fenster und Mauerwerk zur Verfügung. Mit der energieaktiven Fassade gibt es nun mehr Kompositionselemente. Azra Korjenic, Professorin am Institut für Werkstofftechnologie, Bauphysik und Bauökologie der TU Wien, sieht das ähnlich.
Bild oben: Grüne Gebäudefassaden erfüllen für Azra Korjenic, Professorin für Werkstofftechnologie, Bauphysik und Bauökologie an der TU Wien, nicht nur einen individuellen, ästhetischen Aspekt, denn jede Fassade ist anders. Sie schaffen auch ein angenehmeres Klima, im Sommer Kühlung, im Winter Wärmedämmung durch die Pflanzen. Begrünte Fassaden tragen zur Staubbindung, Luftbefeuchtung und Luftkühlung sowie zur Schallminderung bei, Fundamente bleiben trocken.
»Architektonisch sind immer Lösungen möglich, die Frage ist aber, wie ökonomisch sie sich darstellen, v.a. ob Wärmebrücken vermieden werden können.« Wärmebrücken entstehen mit jeder Durchbohrung der Dämmschicht. Neben Wärmebrückenfreiheit verweist Architekt Johannes Kislinger auch auf Basics wie ausreichende Belüftung und Stabilität des Dämmstoffs. Der Brandschutz ist ebenso zu beachten wie die ökologischen Eigenschaften. Ein gutes Nachschlagewerk ist das virtuelle Baubook des Österreichischen Instituts für Bauen und Ökologie. Auf ein außergewöhnliches Projekt verweisen PPAG architects: Beim Low-Cost-Forschungsprojekt pa1 im Burgenland wurden auf eine nach innen offene Holzkonstruktion in Schichten Polyurethan-Spritzdämmung und Polyurethan-Beschichtung aufgebracht.
Univ.-Prof. Sabine Pollak, Architekten koeb&pollak, sieht die Gestaltungsmöglichkeiten mit Dämmung etwas anders. »Für mich bietet Dämmung auf den ersten Blick keine klassische Bereicherung, mit einer 14 cm Styroporplatte werden die Fassaden homogenisiert.« Pollak verweist auf die negative Entwicklung der immer dünner werdenden Putzschicht. »Das ist unsere große Kritik am Vollwärmeschutz v.a. im Wohnbau. Die Haptik des Putzes fällt weg.« Die klassische Dämmung sei ein schwieriges Material, weil sie so gut wie nicht sichtbar ist. Vereinfacht wird die individuelle Gestaltung durch die Verlagerung der Dämmung nach innen. Pollak nennt in diesem Zusammenhang z.B. Heraklithplatten und den Porotherm i.W-Ziegel von Wienerberger. Gestaltet werde dann mit Putzen z.B. von Röfix oder Baumit.
Brainstorming
Für Univ.-Prof. Sabine Pollak wird generell zu wenig mit Dämmung experimentiert. Architekt Reinberg erweitert das auf den gesamten Fassadenbereich. Es gebe Kollegen, für die Häuser nach wie vor traditionell aussehen müssen. Ein Manko gibt es auch in der Zusammenarbeit zwischen Bauindustrie und Architekten, da oft Kommunikationsplattformen fehlen. Dazu Pollak: »Vielleicht sollten wir ein Projekt an der Universität starten, mit Dämmfirmen zusammenarbeiten und innovative Lösungen ausarbeiten.«
Dämmstoffplatten und Styrodur werden laufend verwendet, es fehle jedoch die intensive Auseinandersetzung. Auch Professor Korjenic sieht für die Zusammenarbeit zwischen Dämmindustrie und Planern noch viel Spielraum. Vielfach würden bei den Projektteilnehmern Eigeninteressen dominieren. »Fassaden sind aber multifunktionale Konstruktionen, es braucht eine Zusammenarbeit, um für beide Seiten das Optimum herauszuholen.« Christof Pohn, Leiter Architektur und Objektmanagement bei Eternit, berichtet von bereits stattfindender Kooperation.
»Wir führen österreichweit Workshops, sogenannte Brown Bag Lunches, mit Architekten und Studenten durch, bei denen individuelle Designprojekte ausgearbeitet werden. Wenn Christof Pohn bei Gesprächen mit Architekten einen innovativen Ansatz erkennt, lädt er zum Brown Bag Lunch ein. Workshops gibt es derzeit rund 40 pro Jahr. »Architekten und Planer reagieren auf unser Angebot sehr freudig. Projekte werden überlegt, bei denen die neuen Lösungen umgesetzt werden können.«
Alternativen trotz enger Kostenrahmen
Univ.-Prof. Sabine POLLAK: »Im geförderten Wohnbau dominiert die klassische Fassade, man ist immer an die Preise gebunden, muss die günstigste Lösung wählen und jeden Quadratzentimeter Wohnnutzfläche ausnutzen. Dadurch ergibt sich nahezu kein Spielraum, Fassaden divers zu gestalten.« Es gibt allerdings Ausnahmen. PPAG Architekten etwa haben ein Gebäude mit unterschiedlich starker Dämmung errichtet, dadurch entstanden Schlangenlinien. Pollak: »Bei dicken Dämmschichten lässt sich auch mit dem Styrocutter individuell gestalten.«
Kreative Fassaden
Individuelle Gestaltungsmöglichkeiten auch für gedämmte Fassaden gibt es viele. Mit Wandrauten kann eine Schuppenform an der Fassade erzeugt werden, ein besonderes Design bieten Kantungen der Fassadenpaneele, unterschiedliche Größen der Fugen sowie der Fassadenplatten und Verlegeschemen. Fräsungen erzielen besondere Akzente, ebenso kreative Linienführungen, Farbvielfalt und optisch auffallende Verlegemuster. Das Fassadenkonzept Lumitex (Bild) wurde von Eternit gemeinsam mit zwei jungen Designern aus Wien entwickelt.
Balkon
»Neben einer individuellen Gestaltung lockert auch die Kombination verschiedener Balkonausführungen oder einspringender Loggien das Fassadenbild auf«, weiß Jernej Standeker, Produktmanager Isokorb bei Schöck. Balkone und Loggien müssen aber gut geplant sein, besonderes Augenmerk ist auf die Wärmebrückenfreiheit zu legen. »Für manche Fälle ist nur eine Innendämmung möglich, zum Beispiel aus Gründen des Denkmalschutzes«, verweist Johannes Kislinger von AH3 Architekten. Schöck bietet für die Sanierung mit dem Isokorb RT eine eigene Modellreihe für den nachträglichen Anschluss von Balkonen. Für den Neubau eignet sich die Modellreihe Isokorb CXT, die Glasfaserbewehrung beinhaltet. Der Isokorb schafft eine thermische Trennung und nimmt die Lasten massiver Fassadenkonstruktionen wie z.B. einer Vorschale auf. Mit dem Isolink TA-S bietet Schöck für vorgehängte hinterlüftete Fassaden wärmebrückenfreie Anschlüsse durch die Dämmebene an die Wand.