Teil 6 der Serie zum BIM-Pilotprojekt ABM Bruck an der Leitha
Das BIM-Pilotprojekt Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha war ein echter Prüfstein für Auftraggeber und Auftragnehmer. Alle Beteiligten betraten Neuland, um BIM den Einzug auf die Baustelle zu ermöglichen. Viele Erkenntnisse waren neu, einige überraschend. In einem Punkt waren sich alle einig: Wer einmal mit BIM gearbeitet hat, möchte es in Zukunft nicht mehr missen.
Am 20. August 2018 erfolgte der Spatenstich zum Neubau der Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha. Ziemlich genau ein Jahr später, am 6. September 2019, wurde das Projekt wie geplant fertiggestellt und wird am 7. Oktober offiziell übergeben. So weit, so unspektakulär. Von übergeordnetem Interesse ist das Projekt vor allem deswegen, weil es sich um das erste Hochbauprojekt der Asfinag handelt, das in BIM geplant, errichtet und betrieben wird. Damit hat nicht nur die Asfinag, sondern auch Generalunternehmer Leyrer + Graf absolutes Neuland betreten.
Beiden Unternehmen war klar, dass das Projekt vor allem ein Lernprozess ist. »Wir werden wichtige Erkenntnisse gewinnen, bekanntlich liegt der Teufel im Detail, aber diesen Herausforderungen stellen wir uns gerne, sagte Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf, anlässlich des Projektstarts vor einem Jahr. Seine Erwartungen sollten mehr als erfüllt werden. „»Wir haben extrem viel gelernt«, sagt Bauleiter Georg Köck. Denn unabhängig davon, wie viele Seminare und Fachtagungen man besucht, echtes BIM-Know how kann man sich laut Köck nur in der Praxis aneignen. Nur auf der Baustelle kann man herausfinden, wo Hürden lauern und welche Schwierigkeiten es noch zu meistern gilt, bevor BIM so richtig in den Baustellenalltag Einzug hält. »Es war auch nicht immer alles einfach, wir sind aber zu einem für alle Beteiligten sehr guten Ergebnis gekommen«, fasst Köck zusammen.
Herausforderungen gemeistert
Schon bei der Arbeitsvorbereitung zeigte sich, wie stark BIM die Abläufe verändert. Die an Subunternehmen vergebenen Gewerke Heizung, Klima, Lüftung und Sanitär mussten umgehend die Werksplanung erarbeiten, damit sie in das Tragwerksmodell eingefügt werden konnten. Parallel dazu wurden ein BIM-Projektablaufplan und ein Bauzeitplan erstellt. Über Navisworks wurde der Bauzeitplan mit dem BIM-Modell verknüpft. Mit der daraus resultierenden Bauablaufsimulation konnte man Fehler in der Bauzeitplanung oder Probleme bei der Abwicklung durch die gegenseitige Behinderung von Ausführenden oder ungenügende Zugänglichkeit frühzeitig erkennen und den Bauablauf optimieren. »Das erleichterte die Fortschrittskontrolle und in weiterer Folge die Abrechnung der Bauleistungen«, sagt Köck.
Die Abrechnung wurde von allen Beteiligten als der »spannendste Aspekt« beschrieben. Zwar gab es aus vertragsrechtlichen Gründen auch bei diesen Projekt eine konventionelle Abrechnung, parallel dazu wurden aber 40 Prozent über das Modell abgerechnet. Dabei zeigte sich, dass die BIM-Abrechnung viel genauer an dem ist, was tatsächlich gebaut wurde. Außerdem wird die Abrechnung mit BIM auch deutlich einfacher. Gerade bei komplexen Geometrien wie etwa dem Retentionsfilterbecken sind einzelne Positionen wie etwa die benötigte Humusschicht händisch nur sehr schwer zu berechnen. Das BIM-Modell hingegen lieferte mit einem Klick Kubatur und Preis.
Langfristiges Ziel ist es laut Köck, jedes Bauteil mit so viel Information zu füttern, wie es die LBH-Position erfordert. »Sobald die Baufirma den Preis für das Bauteil bekannt gibt, gibt es keine Diskussionen mehr über Aufzahlungen«, sagt Köck, der bei der konventionellen Abrechnung das BIM-Modell schon mal vermisste, denn so stellen sich unterschiedliche Auffassungen, ob es sich bei einem Aushub um eine Grube oder einen Graben handelt erst gar nicht, wenn Leistungen dieser Art über BIM abgerechnet werden.
Entzauberte Mythen
Und schließlich ist es mit dem Projekt auch gelungen, mit einigen weit verbreiteten BIM-Mythen aufräumen. Weder bedeutet BIM das Ende der baubegleitenden Planung noch sind die Kollisionsabfragen der große Wurf, als der sie in der Theorie gerne dargestellt werden.
»Bei einem Projekt dieser Größenordnung wird die Planung bei Baubeginn nie final beendet sein. Auch ein BIM-Modell wird nie wirklich fertig sein, denn man wird auch in Zukunft im Laufe eines Projekts klüger werden«, ist Köck überzeugt. Auch die hochgelobten Kollisionsabfragen wurden von der Realität zumindest teilweise entzaubert. Denn nicht jede Kollision im BIM-Modell entspricht einer tatsächlichen Kollision auf der Baustelle.
Überraschend war zudem auch, dass BIM seine größten Stärken entgegen der landläufigen Meinung nicht in der Planungsphase entfaltet. Das Projekt zeigt, dass der Mehrwert von BIM in der Bauphase sogar noch höher ist als in der Planungsphase. »Der Einsatz auf der Baustelle ist genial! Wenn ich ein Detail wissen will, muss ich mir nicht mehr drei verschiedene Pläne ansehen. Im BIM-Modell lege ich den Schnitt exakt dort, wo ich ihn brauche. Nicht dort, wo jemand anders dachte, dass es sinnvoll ist«, erklärt Köck.
Die Zukunft hat begonnen
Das Fazit von Bauleiter Georg Köck zum Einsatz von BIM fällt positiv bis euphorisch aus. »Es wird eine enorme Umstellung und ein echter Rückschritt, wieder auf einer konventionellen Baustelle zu arbeiten«, so Köck. Allerdings ist Köck überzeugt, dass es an BIM in Zukunft ohnehin kein Vorbeikommen gibt. »Auch die Skeptiker werden schnell überzeugt sein, sobald sie das erste Mal mit BIM arbeiten«, sagt Köck.
Jetzt geht es vor allem darum, wie die Erkenntnisse aus dem Projekt Autobahnmeisterei Bruck an der Leitha in andere Projekte einfließen können. Köck ist überzeugt, dass in Zukunft mehr Zeit in die Planung investiert werden muss. »Es braucht entweder eine bessere Detailplanung des Auftraggebers oder mehr Zeit für den Auftragnehmer für die BIM-Planung.«Auch die Ausschreibungen werden sich zwangsläufig ändern müssen. »Eine LBH-Ausschreibung ist nicht unbedingt BIM-fähig«, erklärt Köck. Da werde man sich überlegen müssen, ob in Zukunft eher funktional ausgeschrieben wird oder ob nur die Hauptleistungsbeschreibungen ausgewiesen werden.