Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Hubert Hager, Geschäftsbereichsleiter Projekte Neu- und Ausbau bei der ÖBB-Infrastruktur AG, über die Ausschreibungspraxis der ÖBB sowie erste Erfahrungen mit BIM-Pilotprojekten im Hoch- und Tiefbau.
Report: Die Bauwirtschaft boomt. Die Unternehmen sind gut ausgelastet. Wie bewerten Sie aktuell Qualität und Quantität der Angebote für ÖBB-Bauprojekte?
Hager: Unsere Rolle als öffentlicher Auftraggeber ist es, die benötigten Bauleistungen so auszuschreiben, dass die Bauwerke den Qualitätsstandards und gleichzeitig der Prämisse der Wirtschaftlichkeit entsprechen. Dass die Angebote der Bauunternehmen auslastungsbedingten Schwankungen unterworfen sind, ist einer von vielen Faktoren, die wir als erfahrener Bauherr in der Ausschreibungsphase seit vielen Jahren berücksichtigen.
Report: Im letzten Jahr hat die ÖBB angekündigt, aufgrund zu hoher Preise und fehlender Angebote Investitionen zu verschieben. Wird es zu weiteren Verschiebungen kommen oder wird der Terminplan aus jetziger Sicht halten?
Hager: In der Vergangenheit hat es aufgrund der genannten Rahmenbedingungen die eine oder andere zeitliche Anpassung gegeben. Mit Inkrafttreten des Rahmenplans 2018 bis 2023 wurden die Terminpläne für die Umsetzung der Investitionen in die Schieneninfrastruktur fixiert – die Projekte sind hier im Zeit- und Kostenrahmen.
Report: Das Krankenhaus Nord hat gezeigt, dass Auftraggeber nicht immer über genügend Know-how verfügen, um als kompetenter Bauherr aufzutreten. Wie gehen die ÖBB bei ihren Bauprojekten vor? Setzen Sie auf Totalunternehmer, Generalunternehmer oder schreiben Sie Einzelgewerke aus?
Hager: Die ÖBB verfügt über ein professionelles und über Jahrzehnte bewährtes Projektmanagement-Know-how. Große Bauvorhaben werden in einzelne Abschnitte und Baulose geteilt. Die ÖBB schreibt dabei sowohl Einzelgewerke aus, setzt aber genauso auf Generalunternehmer, wobei die Planungshoheit immer bei den ÖBB bleibt.
Report: Laut einer aktuellen Umfrage des Bau & Immobilien Report sehen Auftragnehmer den Grund für die häufigen Nachforderungen und nicht vertragskonforme Projektübergabe in der schlechten Planung seitens des Auftraggebers und einem zu hohen Zeitdruck. Wie häufig sehen sich die ÖBB mit Nachforderungen oder Baumängeln konfrontiert und wie gehen Sie damit um?
Hager: Ich ersuche um Verständnis, dass wir zu laufenden Vertragsbeziehungen keine Stellungnahme abgeben werden. Was ich aber sagen kann, ist, dass in den letzten Jahren keine Steigerung bei der Anmeldung von Mehrkostenforderungen zu erkennen war. In der Regel werden Mehrkostenforderungen auch nicht ohne konkreten Anlass eingereicht.
Report: Die ÖBB hat aktuell sowohl im Hoch- als auch in Tiefbau erste BIM-Pilotprojekte am Laufen. Wie sind die diesbezüglichen Erfahrungen? Wo sehen Sie die größten Vorteile, wo gibt es Hürden?
Hager: Vorteile erwarten wir durch mehr Transparenz im Planungs- und Bauprozess mit früherem Erkennen von Schnittstellenproblemen zwischen den Gewerken. Den größten Mehrwert erwarten wir aber in der Betriebsphase der Anlagen durch ein besseres Datenmanagement und durch leichteres Auffinden und Evidenzhalten von relevanten Anlageninformationen.
Wie bei allen neu eingeführten Prozessen liegt die Herausforderung darin, von Beginn an klare Strukturen und Abläufe festzulegen. Die Aufgaben der Projektbeteiligten im Zusammenhang mit BIM sind zu regeln, genauso wie klare Zieldefinitionen, was konkret von BIM in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase der Anlagen erwartet wird.
Report: Die Asfinag hat nach positiven Erfahrungen mit BIM-Pilotprojekten beschlossen, sämtliche Hochbauprojekte ab sofort als BIM-Projekte auszuschreiben. Gibt es bei der ÖBB ähnliche Überlegungen und wo sehen die größten Unterschiede zwischen BIM im Hoch- und Tiefbau?
Hager: Ein Wandel der Prozesse Richtung BIM findet bereits statt. Wir werden BIM daher mittel- bis langfristig schrittweise in unsere Kernprozesse integrieren. Im Hochbau können wir bereits auf konkretere Grundlagen, Datenstrukturen und Erfahrungen aufbauen. Im Tiefbau sind Merkmalstämme, also die für BIM relevanten Bauteileigenschaften, noch nicht hinreichend definiert und somit ist bei BIM-Pilotprojekten im Tiefbau noch Grundlagenarbeit zu leisten. Eine grundsätzliche Differenzierung zwischen Hoch-und Tiefbauprojekten ist aber nicht angedacht.
Report: In letzter Zeit ist viel von kooperativer Projektabwicklung zu hören. Auftraggeber und Auftragnehmer diskutieren darüber bzw. wissen, was sich ändern muss, um Projekte und den Bauprozess zum Wohle aller zu optimieren. Ist die kooperative Projektabwicklung auf der Baustelle angekommen oder handelt es sich um eine schöne Theorie, in der Praxis ist sich aber jeder selbst der Nächste?
Hager: Was die Abwicklung auf der Baustelle betrifft, agiert die ÖBB unter dem Gesichtspunkt der kooperativen Projektabwicklung. Wir gehen davon aus, dass unsere Projektpartner ebenfalls in diesem Sinne handeln.