In vielen Unternehmen der heimischen Bauwirtschaft ist die Zahl der Mitarbeiter in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Zahl der Lehrlinge kann mit dieser Entwicklung aber nicht immer mithalten, wie eine Umfrage des Bau & Immobilien Report zeigt. Es gibt aber auch Lichtblicke und Unternehmen mit innovativen Lehrlingsprogrammen.
Die Berufsweltmeisterschaften World Skills stellen es alle zwei Jahre eindrucksvoll unter Beweis: Qualitativ ist die Ausbildung in der österreichischen Bauwirtschaft Weltklasse. 2015 in Sao Paulo holten die Strabag-Mitarbeiter Michael Haydn und Alexander Hiesberger in der Kategorie »Betonbau« Gold, bei den Maurern sicherte sich Martin Entholzer von der Firma Humer die Silbermedaille. 2017 später in Abu Dhabi gehen sogar beide Kategorien sensationell an Österreich. Robert Gradl von der Otto Duswald KG lässt bei den Maurern die gesamte internationale Konkurrenz hinter sich.
In der Kategorie Betonbau jubeln Alexander Tury und David Wagner von der Strabag über Gold. Quantitativ ist die Lage allerdings weit weniger erfreulich. Laut Statistik der BUAK hat die Zahl der Lehrlinge in der Bauwirtschaft eine rasante Talfahrt hinter sich. Wurden im Jahr 2008 österreichweit noch 8.269 Lehrlinge ausgebildet, waren es 2016 nur noch 6.015. Das entspricht einem Rückgang von 27,3 Prozent. Seit 2017 mit Beginn der Hochkonjunktur geht es nun endlich auch wieder mit den Lehrlingen bergauf – wenn auch deutlich langsamer, als es vorher bergab ging (siehe Kasten S. 25). Mit 6.393 Lehrlingen hinkt die Branche auch 2018 dem Jahr 2008 um 22,7 Prozent hinterher.
Viel Luft nach oben
Auch eine stichprobenartige Erhebung des Bau & Immobilien Report unter 25 führenden Branchenvertretern zeigt, dass von einer echten Trendwende noch keine Rede sein kann (siehe Kasten Seite 24). So ist zwar die Zahl der Mitarbeiter in den letzten vier Jahren deutlich gestiegen, die Zahl der Lehrlinge kann mit dieser Entwicklung aber nicht immer mithalten. Unternehmen mit gestiegenen und gesunkenen Lehrlingsquoten halten sich in etwa die Waage. Während das Baugewerbe als durchaus ausbildungsfreudig bezeichnet werden kann, hinken Bau- und Baustoffindustrie noch hinterher. Damit scheint der vielfach beklagte Facharbeitermangel zumindest teilweise auch hausgemacht zu sein.
Ein Vorwurf, den Peter Scherer von der Geschäftsstelle Bau der Bundesinnung Bau und des Fachverbandes der Bauindustrie in der Wirtschaftskammer so nicht im Raum stehen lassen will. »Die Situation war in den vergangenen Jahren für Unternehmen nicht einfach. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten fehlte vielen Unternehmen die nötige Planungssicherheit, um in die Lehrlingsausbildung zu investieren.« Jetzt habe sich das Blatt aber gewendet. Naturgemäß etwas kritischer sieht das die Arbeitnehmerseite. »Die Lehrlingsausbildung wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Jungen Menschen wurde suggeriert, dass nur ein Hochschulabschluss finanziell attraktiv ist und die Lehre ein Auslaufmodell ist. Nun, bei wirtschaftlich guter Lage, zahlen die Unternehmen die Zeche dafür«, sagt etwa Albert Scheiblauer, Bundesjugendsekretär in der Gewerkschaft Bau-Holz.
Einigkeit herrscht darüber, dass die Unternehmen aktuell sehr aktiv sind und sich deutlich mehr um die Ausbildung von Fachkräften bemühen, als das noch in den letzten Jahren der Fall war. Um die Lehrlingszahlen langfristig zu stabilisieren und zu steigern und die Ausbildung an die Herausforderungen der Zeit anzupassen, haben Bauindustrie und Baugewerbe die Lehre in Abstimmung mit dem Sozialpartner im letzten Jahr völlig neu aufgestellt. Die Berufsbilder wurden überarbeitet und erhalten neue Namen: Der Maurer soll künftig Hochbauer heißen und bildet damit das begriffliche Pendant zum Tiefbauer.
Der bisherige Schalungsbauer wird in Hinkunft – der internationalen Nomenklatur entsprechend – zum Betonbauer. Weiters ist die Einführung einer »Kaderlehre« mit einer vertieften baubetriebswirtschaftlichen Ausbildung sowie einem zusätzlich wählbaren technischen Schwerpunkt vorgesehen. Dazu sollen verstärkt neue, digitale Arbeitstechniken wie BIM, digitale Vermessung oder elektronisches Daten-Management in die Ausbildung einfließen. Dafür werden die Lehrlinge auch mit der entsprechenden Hardware ausgerüstet: Ab 2019 erhalten alle Baulehrlinge im 2. Lehrjahr kostenlos ein Tablet mit Internet-Zugang und vorinstallierten e-learning-Programmen sowie weiteren Applikationen zu Themen wie Arbeitssicherheit, Normen oder Baustellendokumentation.
Was die Unternehmen tun
Neben den Bausozialpartnern versuchen auch viele Unternehmen, mit Zusatzangeboten die Ausbildung zu verbessern. Das steirische Bauunternehmen Herbitschek, das in der Report-Umfrage mit einer auch branchenübergreifend beeindruckenden Lehrlingsquote von 12,6 Prozent den ersten Platz belegt, verfügt über eine eigene, interne Lehrlingsakademie, die Inhalte weit über den Lehrplan hinaus vermittelt. »Unsere Akademie ist ein Paket aus Ausbildung plus modularer Weiterbildung plus persönlicher Förderung, das nützliches Zusatzwissen und praktisches Know-how vermittelt«, erklärt Geschäftsführer Peter Herbitschek. »Begleitend zur Ausbildung in den Fachabteilungen werden unsere Lehrlinge in Seminaren und Workshops, bei denen Abwechslung und Spaß nicht zu kurz kommen, auf das Arbeiten im Team vorbereitet.«
Ähnliches, wenn auch naturgemäß eine Nummer größer, bieten auch Strabag und Porr. Die Lehrlingsakademie der Strabag bietet neben fachlichen Schwerpunkten wie Arbeitssicherheit, Baumaterial oder Baubetrieb auch Exkursionen zu Lieferantinnen und Lieferanten sowie den Besuch von konzerninternen Werkstätten. Neu ist seit 2017 die Lehrlingsakademie Basic in Guntramsdorf. »Der Grundgedanke ist es, Lehrlingen im 1. Lehrjahr entsprechend von Beginn weg auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Baustelle vorzubereiten und die Lehrlinge in die Strabag-Familie aufzunehmen«, erklärt Lehrlingsbeauftragter Thomas Huber.
Die Porr errichtet derzeit in Simmering eine innerbetriebliche Ausbildungsstätte für Lehrlinge und das gesamte gewerbliche Personal. Neben mehreren Schulungsräumen und einer rund 500 m² großen Werkstatthalle entstehen in Wien Simmering auch ein Wohnheim mit rund 50 Betten sowie zahlreiche Sport- und Freizeiteinrichtungen. Dazu gibt es schon jetzt Prämien für herausragende Leistungen in der Berufsschule und bei Lehrabschluss sowie interne Schulungsmaßnahmen zur persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung.
Auch bei Leyrer+Graf fördert man ganz bewusst nicht nur die berufliche Laufbahn, sondern auch die individuelle Entwicklung der Lehrlinge. »Den Lehrlingen soll eine Schule für das Leben geboten werden, welche sie fordert, aber nicht überfordert, damit die Freude an der Arbeit erhalten bleibt. Die Lehrlinge sollen lernen selbstständig zu arbeiten und auch Verantwortung zu übernehmen«, sagt CEO Stefan Graf. Dazu finden jährlich Weiterbildungen mit jugendbezogenen Themen statt und schon am ersten Tag, werden alle neuen Lehrlinge am Hauptstandort in Gmünd versammelt, wo Stefan Graf den Neuankömmlingen erste Einblicke gibt, wie Leyrer+Graf »tickt«. Auch bei Habau gibt es für alle neuen Lehrlinge samt den Eltern eine Informationsveranstaltung, um Betrieb, Kollegen, Vorgesetzte und Geschäftsführung kennenzulernen. Dazu wird bei schulischen Problemen ein Nachhilfeunterricht organisiert und für lernschwache Lehrlinge gibt es die die Möglichkeit einer integrativen Ausbildung mit verlängerter Lehrzeit sowie zusätzlicher Betreuung.
Lehrlinge bei Binderholz wiederum sollen im Rahmen von Lehrlingstagen Soft Skills wie Kommunikation oder Zeitmanagement erlernen. Dazu bietet Binderholz sogenannte Ausbildungsverbünde. Dabei werden die Lehrlinge innerhalb der Unternehmensgruppe zu unterschiedlichen Standorten entsandt und sollen auch in unterschiedlichen Firmen andere Berufsbilder kennenlernen.
Lehrlinge in der Bauwirtschaft
Im Herbst 2015 hat der Bau & Immobilien Report ausgewählte Branchenvertreter nach der Anzahl der Mitarbeiter und Lehrlinge gefragt. Ein Update dieser Umfrage zeigt, dass bei den meisten Unternehmen in den letzten vier Jahren zwar die Zahl der Mitarbeiter mitunter deutlich gestiegen ist – die Zahl der Lehrlinge kann mit dieser Entwicklung aber nicht immer mithalten. Unternehmen mit gestiegenen und gesunkenen Lehrlingsquoten halten sich in etwa die Waage. Um den Mitarbeiterstand konstant zu halten, braucht es eine Lehrlingsquote von rund 5%. Davon sind viele Unternehmen aber noch ein Stück weit entfernt.