Der Zement in Österreich wird knapp. Neue Aufträge werden von vielen Herstellern gar nicht mehr angenommen. Vor allem bei kurzfristigen Bestellungen werden Kunden leer ausgehen. Projektverzögerungen scheinen aus heutiger Sicht fast unvermeidlich. Gefragt sind jetzt auch die Auftraggeber.
Die Konjunktur brummt und mit ihr boomt auch die Bauwirtschaft. Davon profitiert auch die Baustoffbranche, die im letzten Jahr ein Umsatzplus von 4,6 Prozent verzeichnete. »Teilweise wurde schon an den Kapazitätsgrenzen gearbeitet«, erklärt Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverband Steine-Keramik in der Wirtschaftskammer. In einigen Teilbranchen wurden diese Grenzen sogar überschritten. Allen voran die Zementindustrie hatte 2018 mit Engpässen zu kämpfen. Und alles deutet darauf hin, dass sich daran auch in diesem Jahr nichts ändern wird. Wer nicht auf eine langjährige und gute Lieferantenbeziehung verweisen kann, läuft Gefahr, leer auszugehen. Neue Aufträge werden von vielen Zementwerken gar nicht mehr angenommen. Aber selbst Stammkunden schauen mitunter durch die Finger. »Wir müssen die Maba Fertigteilindustrie in Wöllersdorf und Gerasdorf jetzt von Kirchdorf aus beliefern, weil es im Osten einfach keine Kapazitäten mehr gibt«, erklärt Matthias Pfützner, Konzernsprecher der Kirchdorfer Gruppe. Wird Zement aber durch die halbe Republik kutschiert, ist die Grenze der Wirtschaftlichkeit rasch erreicht.
Neben der Maba waren auch der Betonfertigteil-Spezialist Oberndorfer und die Rohrdorfer Gruppe von Lieferschwierigkeiten betroffen. Das bekommen dann auch die ausführenden Unternehmen zu spüren. »Im letzten Jahr hat man gemerkt, dass Beton rechtzeitig geordert werden musste und kurzfristige Mehrmengen eher problematisch waren«, sagt etwa Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf. Auch bei Habau waren die Engpässe spürbar. »Seit vergangenen Sommer gibt es bei einigen großen Bauprojekten im Tiefbau vereinzelt Lieferungen von 150 bis 200 Tonnen, wobei wir bis zu 300 Tonnen pro Auftragstag verbauen könnten«, erklärt CEO Hubert Wetschnig.
De-facto-Lieferstopp
Die Ursachen für die Zementknappheit sind vielfältig. Neben der boomenden Konjunktur gab es im letzten Jahr auch kurze Werkstillstände in Österreich. Dazu kam der Brand in einem slowakischen CRH-Werk, der vor allem im Osten Österreichs deutlich spürbar war. Also genau dort, wo der Bauboom am ausgeprägtesten ist. Damit kam es zu starken Verschiebungen der Mengen und die Folgen breiten sich wellenartig auch Richtung Westen aus. Aktuell kommt auch noch das ungewöhnlich warme Wetter zu Jahresbeginn dazu. Da ein Zementwerk nicht 365 Tage im Jahr laufen kann, befanden sich viele Werke im Februar noch im Winterstillstand. Aufgrund der Temperaturen wurde aber bereits fleißig gebaut. Einzelne Zementhersteller berichten von Stammkunden, die im Februar ihre Bestellungen um 40 bis 50 % erhöht haben. Damit geht man praktisch ohne Vorrat ins Jahr. Der absolute Peak wird aber erst für Mai erwartet. Dann werden Baustellen, Anlagen und Kunden de facto nicht mehr beliefert werden können, Projektverzögerungen scheinen unvermeidbar zu sein. »Als Zementhersteller hat man viele Stammkunden. Die werden natürlich so lange wie möglich beliefert«, erklärt Pfützner.
Schwierig wird es für Sackwaren im Baustoffgroßhandel und für Kunden, die kurzfristig bestellen und geringere Mengen brauchen. Als Beispiel nennt Pfützner die Stabilisierer im Straßenbau. »In dem Bereich werden Baustellen ganz kurzfristig vergeben. Da wird es böse Überraschungen geben.« Auf Auftraggeberseite scheint man sich der drohenden Gefahr noch nicht vollends bewusst zu sein. Bei der Asfinag spricht man zwar von Kapazitätsengpässen bei Spezialgewerken im Herbst 2018, diese stünden aber nicht in Zusammenhang mit der Zementindustrie. Grundsätzlich, so Christian Sauer, Leiter Bauwirtschaft und Vergabe bei der Asfinag, versuche man aber bei den Ausschreibungen auf die Marktsituation Bedacht zu nehmen, um Spitzen zu vermeiden und nicht eine mögliche Angebotsverknappung zu riskieren. »Ein gut funktionierender Markt ist für uns Grundvoraussetzung, um wirtschaftlich nachhaltig agieren zu können«, so Sauer.
Keine Kapazitätserweiterungen
Eine kurzfristige Entspannung ist derzeit nicht Sicht. An ernst zu nehmende Kapazitätserweiterungen denkt kaum jemand. Dazu kommt, dass Umbauten und Anlagenerweiterungen Zeit brauchen und der langfristige Bedarf in Österreich auch nicht gegeben ist. Sich im Ausland zu bedienen, ist auch keine Option, wie Hubert Wetschnig berichtet. »Das Bauwesen kann auch außerhalb unserer Staatsgrenzen auf eine gute Konjunktur verweisen. Ausländische Zementproduzenten liefern daher in deren Nachbarstaaten geringere Kontingente, was leider auch in Österreich spürbar ist.«
Kleinere Stellschrauben, an denen die Hersteller drehen können, gibt es aber schon. »Wir haben frühzeitig reagiert und die gesamte Produktionslinie auf maximale Leistung ausgerichtet. Das ist schon vom Nachhaltigkeitsansatz her keine Dauerlösung, hat aber dazu geführt, dass wir einer der wenigen Hersteller waren, die noch Spotmengen übrig hatten«, sagt Pfützner.
Am Ende des Tages wird es aber auch an den Auftraggebern liegen, bei der Vergabe auf die aktuelle Marktsituation zu achten und einzelne Peaks zu verhindern.