Schimmelpilze sind allgegenwärtig – sie sind nützlich für die Umwelt, können aber die menschliche Gesundheit beeinträchtigen. In der Bauarchitektur gilt es daher, präventiv zu planen. Bei der Nutzung ist Feuchtigkeit regelmäßig abzuführen. Empfehlungen notwendiger Schritte bieten der neue Leitfaden zur technischen Bauteiltrocknung sowie der Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden – der Schimmelleitfaden.
Bis 2018 hat sich Österreich mit dem deutschen Schimmelleitfaden und dem österreichischen Positionspapier zu Schimmel aus 2015 begnügt. Da sich die gesetzlichen Anforderungen an den Neubau und bei der Sanierung bestehender Gebäude unter dem Energieeinsparaspekt verschärft haben und Schimmel sowie dessen Auswirkungen stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind, steht nun aufbauend auf dem deutschen Schimmel-Leitfaden aus 2017 eine rot-weiß-rote Version bereit. Anpassungen und Ergänzungen wurden in Hinblick auf in Österreich geltende Normen und Vorschriften vorgenommen.
Peter Tappler, Vorsitzender des Bundesverbandes für Schimmelsanierung und technische Bauteiltrocknung: »Aus rechtlicher Sicht ist darauf hinzuweisen, dass der Schimmelleitfaden weder Gesetz noch Verordnung ist.« Er geht aber davon aus, dass der Leitfaden den Stand der Technik darstellt und deshalb im juristischen Bereich Anwendung finden wird, etwa indem privatrechtliche Verträge, Verordnungen oder Gesetze ausdrücklich darauf abstellen oder er im Rahmen des Sachverständigenbeweises Eingang in Gerichtsverfahren findet.
Präventiv planen
Im Baugeschehen kommen Baumaterialien zur Anwendung, die als wesentliche Komponente Wasser enthalten. Die Trocknungszeit wird schwieriger und zeitintensiver. Darüber hinaus wird die Gebäudehülle immer dichter. Unsachgemäßes oder unzureichendes Lüften fördert zusätzlich die Gefahr von Feuchteanreicherung und Schimmelwachstum. Durch die Behinderung der freien Luftströmung in Gebäudeecken wird ein erhöhter Wärmeübergangswiderstand erzeugt.
Besonders bei Außenwandecken führt dies neben der Wärmebrückenwirkung zu einer zusätzlichen Absenkung der Oberflächentemperatur und damit Erhöhung der Oberflächenfeuchte entlang der Wandecke. Auszug aus dem Schimmelleitfaden: »Während an der unmöblierten Außenwand bei einer Oberflächentemperatur von 15 °C nur 70 % Oberflächenfeuchte auftritt, kommt es hinter einem Schrank an der Außenwand durch die verringerte Temperatur von 11 °C bereits zu 89 % und in der Außenecke bei 6 °C zu Tauwasserausfall.« Bei gut gedämmten Bauwerken ist eine Möblierung an der Außenwand unkritisch, solange keine zusätzlich erhöhte Innenraumluftfeuchte entsteht.
Eine erhöhte Raumluftfeuchte von 60 % führt bereits zu einer Oberflächenfeuchte von 88 %, was Schimmelbefall fördert. Eine Überprüfung der Dämmung im ersten Winter mittels thermografischer Analyse des Innenraumes zeigt, wo wärmetechnische Schwachstellen vorliegen. Jede energetische Sanierung hat neben der beabsichtigten Reduzierung des Energiebedarfs Einfluss auf den Feuchtehaushalt der Raumluft und der Baumaterialien. Im Falle einer fachgerecht ausgeführten außenseitigen Wärmedämmung wird die Möglichkeit von Schimmelwachstum durch die höheren Temperaturen an der Innenseite der Außenwände und Reduktion von Wärmebrücken verringert.
Kampf gegen Pilze und Bakterien
Bis heute gibt es keine staatliche Zulassungs- oder Zertifizierungsstelle für Schimmelsanierungsfirmen. Ebenso fehlt eine staatliche Ausbildung, die für die Schimmelsanierung notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten umfassend vermittelt. Diverse Verbände und Institutionen bieten allerdings Weiterbildungen an, bei denen mikrobiologische, bauphysikalische und hygienische Grundlagen, Planung, Koordination und Kontrolle des Sanierungserfolges geschult werden, z.B. Bundesverband für Schimmelsanierung und technische Bauteiltrocknung oder BAUAkademie.
Wo es der Schimmel leicht hat
Schimmelpilze und Bakterien können bei ausreichender Feuchte in den meisten organischen Materialien bzw. auf Materialien mit organischen Verschmutzungen wachsen.
Leicht anfällig: Baustoffe wie Kokosdämmplatten oder Sisalkonstruktionen, die viel Feuchte aufnehmen und zusätzlich Nährstoffe enthalten
Ältere Fußbodenkonstruktionen, die oft zellulosehaltige Trennlagen enthalten, die bei Feuchteschäden sehr anfällig für mikrobielles Wachstum sind, sowie Kabelkanäle, die mit organischem Dämmmaterial gefüllt sind; an den Fußboden angrenzende Trockenbauelemente wie Gipskarton, Gipsfaserplatte, Weichholzfaserplatten und Weichfasermatten, die Feuchte gut aufnehmen können
Mäßig anfällig: Dämmstoffe wie künstliche Mineralfasern, Polyurethan, XPS, EPS und Polystyrolbeton, Holzwerkstoffe wie Span- oder OSB-Platten
Schwer anfällig: Baustoffe wie Gussasphalt, Zementestrich, Anhydrit- oder Calciumsulfat-Estrich
Buchtipp: Die beiden Leitfäden
Die beiden Leitfäden für Schimmel und Bauteiltrocknung umfassen insgesamt 300 Seiten, mehr als 40 Experten haben daran mitgearbeitet. Die Empfehlungen gelten vor allem für Büroräume, Schulen, Kindergärten, Theatersäle und andere öffentliche Räume sowie für alle Wohnräume und sonstigen Räume innerhalb der Nutzungsebene mit dauerhafter oder eingeschränkter Nutzung. Sie können als Hardcopy bezogen oder auf der Website des BM für Nachhaltigkeit und Tourismus heruntergeladen werden.